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22. Juni 2024
Befristetes Anerkenntnis: Haftungsrisiken und Vertriebschancen für Makler

Befristetes Anerkenntnis: Haftungsrisiken und Vertriebschancen für Makler

In der BU-Versicherung sprechen Versicherer häufig ein sogenanntes befristetes Anerkenntnis aus. Allerdings zeigt die aktuelle Rechtsprechung des BGH, dass eine solche Befristung unzulässig sein kann. In welchen Fällen ist das konkret der Fall? Und welche Chancen und Risiken lauern in der Beratung für Versicherungsmakler?

Ein Artikel von Arne Baron Boonstra, Rechtsanwalt, und Dr. Tim Horacek, Rechtsanwalt und Geschäftsführer der Keen Law Rechtsanwalts GmbH

Zu den weitgehenden Obliegenheiten des Versicherungsmaklers gehört nicht nur eine sachgerechte Aufklärung und Abdeckung des gesamten Versicherungsmarktes. Auch während und – häufig vernachlässigt – nach dem Versicherungsfall muss der Makler seine Kunden und deren Bedürfnisse im Auge behalten. Hierzu bedarf es einer wachsamen Überprüfung der aktuellen Rechtsprechung des vierten Senats des Bundesgerichtshofs (BGH). Aktuelle Urteile des BGH verdeutlichen, wie der aufmerksame Makler Urteile aus Karlsruhe als Vertriebsmöglichkeit einsetzen kann – und warum dem unachtsamen Makler große Haftungsrisiken drohen.

Befristetes Anerkenntnis: Kein Streit, keine Nachprüfung

In der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) sprechen Versicherer häufig ein sog. befristetes Anerkenntnis aus. Hierbei wird die BU-Rente für einen von vornherein festgelegten Zeitraum entrichtet. Nach Ablauf der durch den Versicherer bestimmten Frist wird die Zahlung eingestellt, ohne dass ein Nachprüfungsverfahren durchgeführt werden muss. Wer weiterhin als berufsunfähig eingestuft werden und die Rente beziehen möchte, muss die Berufsunfähigkeit wieder vollständig darlegen und beweisen.

BGH: Befristung kann unzulässig sein

Der Bundesgerichtshof hat in mehreren Urteilen (vom 09.10.2019 – Az. IV ZR 235/18, vom 23.02.2022 – Az. IV ZR 101/20 und vom 31.08.2022 – Az. IV ZR 223/21) entschieden, dass eine solche zeitlich befristete Zahlung der BU-Rente unzulässig sein kann, wenn:

  • eine Befristung in den Versicherungsbedingungen ausgeschlossen ist,
  • die Befristung nicht oder nicht ausreichend begründet wird oder
  • die Befristung rückwirkend wirkt, insbesondere wenn der befristete Zeitraum im Zeitpunkt der Entscheidung durch den Versicherer bereits abgelaufen ist.

Im Fall einer unwirksamen Befristung gilt das Anerkenntnis des Versicherers unbegrenzt. Die Rente muss also so lange bezahlt werden, bis im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens festgestellt wird, dass die Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit nicht mehr vorliegen. An dieser Formalie fehlt es meistens die Folge: Das Anerkenntnis hat weiter Bestand und der Versicherer muss für die Vergangenheit und Zukunft leisten.

Geldregen für den Kunden

Die Rechtsprechung der Karlsruher Richter ist bahnbrechend. Denn wer einen dieser formalen Fehler in der Befristung nachweisen kann, der darf die BU-Rente rückwirkend und für die Zukunft auch dann noch (bei voller Beitragsfreistellung) beanspruchen, wenn die alte oder eine neue – vergleichbare – Arbeit wieder aufgenommen und die Krankheit überwunden wurde. Auch wer Schwierigkeiten hat, die Berufsunfähigkeit nach dem Ablauf des vom Versicherer bestimmten Zeitraums zu belegen, kann den juristischen Kniff über die formell unzulässige Befristung gehen. Der Anspruch auf Rentenzahlung erlischt dann erst, wenn der Versicherer im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nachgewiesen hat, dass eine Berufsunfähigkeit nicht mehr besteht. Für viele Kunden kann dies einen wahren Geldregen mit sich bringen.

Beispielrechnung

Hierzu folgendes Beispiel: Der BU-Versicherer gewährt dem Versicherungsnehmer ab dem 23.06.2019 befristet bis zum 22.06.2021 eine Rente von 2.000 Euro pro Monat (in Summe 48.000 Euro). Eine Einstellungsmitteilung erfolgt wegen der Befristung nicht. War diese Befristung unwirksam, ist der Versicherer wegen des (noch fehlenden) Nachprüfungsverfahrens verpflichtet, dem Versicherungsnehmer bis heute (Juni 2024) weitere 72.000 Euro sofort und 2.000 Euro/Monat zukünftig bis zur Nachholung des Nachprüfungsverfahrens bzw. der Einstellungsmitteilung zu zahlen.

Achtung! Haftung! Stammrechtsverjährung!

Für den Makler ist hier Vorsicht geboten. Denn aus dem Maklervertrag erwächst nicht nur die Obliegenheit zur Aufklärung und Beratung bezüglich vergleichbarer Policen. Der Makler hat – obgleich er keine originäre Rechtsberatung schuldet – auch die wesentliche Rechtsprechung des BGH im Auge zu behalten.

Da sich durch die dargestellten BGH-Urteile zum Thema „befristetes Anerkenntnis“ jedenfalls die Möglichkeit ergibt, dass alle BU-Versicherungsnehmer, die in der Vergangenheit eine BU-Rente bezogen haben, einen weitergehenden Anspruch auf Rente haben könnten, hat der Makler seine Kunden auf diese Möglichkeit hinzuweisen und ggf. an einen Anwalt zu vermitteln.

Doch hierfür besteht nicht ewig Zeit! Wie alle Ansprüche unterliegen auch solche aus dem BU-Versicherungsvertrag der Verjährung. Bezüglich der BU-Rente hat der BGH das Rechtsinstitut der sog. „Stammrechtsverjährung“ eingeführt: Liegen zwischen der Leistungsablehnung oder der letzten Rentenzahlung mit Ablauf der Befristung mehr als drei Jahre, sind sämtliche – auch zukünftige – Ansprüche verjährt. Durch die sog. „Stammrechtsverjährung“ verjährt also der gesamte Anspruch des Versicherungsnehmers spätestens drei Jahre nach der letzten Einzelrentenzahlung.

Weist der Makler seinen Kunden nicht auf die Möglichkeit der fehlerhaften Befristung hin und erfährt der Kunde hiervon erst, nachdem die Ansprüche verjährt sind, kann der Makler für den gesamten verlorenen Anspruch der Vergangenheit und Zukunft in Haftung genommen werden!

Wo Schatten ist, ist auch Licht: Vertriebschancen

Die Rechtsprechung des BGH eröffnet für Makler aber keinesfalls nur lästige Haftungsrisiken. Sie schafft vielmehr eine wunderbare Vertriebsmöglichkeit. Denn der Makler, der seine Bestandsfälle im Bereich Berufsunfähigkeit auf – unzulässig – befristete Anerkenntnisse durchforstet, wird seinen Kunden eine einfache und rechtssichere Handhabe empfehlen können, um bereits gedanklich zur Akte gelegte und unerkannte – besser: unver­hoffte – finanzielle Ansprüche doch noch geltend machen zu können.

Praxistipp

Der Versicherungsmakler sollte die Angelegenheiten daher keinesfalls wegen des vermeintlich endgültig regulierten Versicherungsanspruches aus den Augen verlieren, wenn der Versicherer „nur“ ein befristetes Anerkenntnis abgegeben hat. Denn in diesem Fall droht nicht nur die eigene Inanspruchnahme über die Maklerhaftung: Vielmehr läuft man Gefahr, einen erheblichen Gewinn für die eigene Kundschaft – und damit für sich selbst – zu verpassen.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 06/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © William W. Potter – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Arne Baron Boonstra
Dr. Tim Horacek