Den Beamten in Baden-Württemberg soll nach dem Willen der grün-schwarzen Landesregierung der Wechsel in die gesetzliche Krankenversicherung deutlich erleichtert werden. Als Vorbild soll dabei das sogenannte Hamburger Modell dienen. Die in Hamburg und weiteren Bundesländern bereits eingeführte Regelung ist dadurch gekennzeichnet, dass dem Beamten ein Wahlrecht eingeräumt wird: Er kann entweder in dem tradierten System der individuellen Beihilfe verbleiben oder sich dafür entscheiden, anstelle individueller Beihilfeleistungen die Zahlung eines pauschalen Beitrags zu einer Krankenversicherung, dessen Höhe auf den Arbeitgeberanteil zu der gesetzlichen Krankenversicherung begrenzt ist, zu erhalten (sogenannte „pauschale Beihilfe“).
Rechtsgutachten attestiert verfassungsrechtliche Bedenken
Im Streit um die Einführung einer pauschalen Beihilfe hat nun der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV-Verband) ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die geplante Einführung des sogenannten Hamburger Modells in Baden-Württemberg untersucht hat. Das Gutachten der Bonner Sozietät Redeker, Sellner und Dahs, das AssCompact vorliegt, kommt zu dem Schluss, dass die Einführung einer pauschalen Beihilfe in Baden-Württemberg „auf gravierende verfassungsrechtliche Bedenken“ stößt.
Dienstherr unterläuft seine Erfüllungspflichten
Dem Gutachten nach gehöre es zu den Grundsätzen des Berufsbeamtentums, dass der Dienstherr seine Pflicht zur Alimentation und Fürsorge gegenüber den Beamten selbst erfüllen müsse. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf der Dienstherr diese Aufgabe daher nicht auf Dritte delegieren, deren Leistungsumfang er nicht bestimmen kann. Mit einer pauschalen Beihilfe könne der Dienstherr aber im Einzelfall nicht mehr auf den Leistungsumfang einwirken. Somit wäre die Leistung eines Arbeitgeberanteils zur gesetzlichen Krankenversicherung mit den Erfüllungspflichten des Dienstherren insgesamt unvereinbar, schlussfolgern daher die Verfasser des Gutachtens.
Argument 1: Fürsorgepflicht gilt in jedem Einzelfall
Zunächst nimmt das Gutachten die Fürsorgepflicht des Dienstherren juristisch unter die Lupe. Demnach hat der Dienstherr den Beamten und dessen Familie bei Krankheit abzusichern, so das Gutachten. Das Besondere dabei: Sie ist in jedem Einzelfall zu erfüllen, nicht nur im Durchschnitt, und unterliegt im Unterschied zur GKV grundsätzlich nicht dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Eine pauschale Beihilfe laufe nun Gefahr, diese Fürsorgepflicht im Einzelfall zu verletzen, insbesondere auch bei einem sinkenden Leistungsniveau in der GKV. So gebe es laut PKV-Verband in der GKV u. a. keinen Anspruch auf ambulante Behandlung im Krankenhaus, geringere Zuschüsse bei Zahnersatz, keine Heilpraktiker-Leistungen, geringere Zahlungen für Hörgeräte sowie keine Wahlleistungen im Krankenhaus wie die Chefarztbehandlung oder Zweibettzimmer.
Argument 2: Gefahr der Unteralimentierung
Zweiter Untersuchungsaspekt des Gutachtens ist das Alimentationsprinzip. Es verpflichtet nämlich den Dienstherrn dazu, die Besoldung so zu bemessen, dass sie auch die Kosten einer Krankenversicherung abdeckt, die der Beamte für sich und seine Familie abschließt. In einem System der pauschalen Beihilfe, in dem der Dienstherr weder die Beitragshöhe noch den Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung bestimmen kann, ist daher die ständige Gefahr einer verfassungswidrigen Unteralimentierung vorhanden. So sei der Durchschnittsbeitrag für einen Beamten in der PKV gegenwärtig deutlich geringer als in der GKV. Abgesehen davon kommen im Pensionsalter nochmals erhebliche Mehrbelastungen dazu, weil gesetzlich versicherte Beamte dann als freiwillig Versicherte gelten und auf alle Einkünfte Kranken- und Pflegeversicherungssatz leisten müssten.
Argument 3: Verletzung der Vorsorgefreiheit
Nicht zuletzt beschränke laut Gutachten die vorgesehene Unwiderruflichkeit der Entscheidung des Beamten zugunsten der pauschalen Beihilfe die Vorsorgefreiheit des Beamten. Dieses Prinzip gewährleiste, dass die Entscheidung grundsätzlich dem Beamten überlassen bleibt, in welcher Weise er für den Krankheitsfall vorsorgt. Gerade die Unwiderrufbarkeit der Entscheidung zugunsten einer pauschalen Beihilfe beeinträchtige hingegen die garantierte Vorsorgefreiheit. „Der Beamte kann dann gegebenenfalls über Jahrzehnte, trotz sich möglicherweise stark ändernder äußerer Umstände, nicht mehr über seine Krankheitsvorsorge disponieren“, monieren die Gutachter.
Sollten also die Kritikpunkte des Gutachtens am Hamburger Modell berechtigt sein, könnte damit nicht nur die Einführung des Hamburger Modells im Südwesten verhindert, sondern sogar das Modell an sich abgeschafft werden. (as)
Lesen Sie auch:
Ampel-Parteien prüfen GKV-Wechseloption für Beamte
PKV: Trotz Prämienerhöhung geringere Belastung als in der GKV
Bild: © Wirestock Creators – stock.adobe.com
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können
Leserkommentare
Comments
viel Luft um nichts?
Hier wird vom PKV Verband mal wieder das große Fass Verfassungswidrigkeit aufgemacht. Leider gibt es offenbar niemanden, der das dann auch vors Verfassungsgericht bringt. Vielleicht ist das Gutachten doch nicht so sattelfest.
Solange es keine Klage gibt bleibt alles heiße Luft und die pauschale Beihilfe wird mehr und mehr flächendeckend eingeführt. Hier gilt es jetzt mehr denn je mit Überzeugung und guten Argumenten gegenzusteuern. Es bleiben in der Praxis nur wenige Fälle, wo dieses Hamburger Modell überzeugt. In meiner Beratung wird jedenfalls sehr selten die pauschale Beihilfe mit der GKV gewählt. Allerdings sollte die PKV Vermittlung den Profis überlassen werden.
Grüße aus Berlin
Dirk Gärtner
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können