Ein Artikel von Dr. Claudia Veh, Direktorin der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Die betriebliche Altersversorgung (bAV) ist ein Feld, in dem nie Stillstand herrscht. Mögliche Änderungen kommen vonseiten des Gesetzgebers, durch Verlautbarungen der Finanzverwaltung und die Rechtsprechung. Aber auch die Entwicklung neuer Altersversorgungsprodukte und die Entwicklung ökonomischer Rahmenbedingungen wie auch Änderungen in den Rechnungslegungsvorschriften tragen dazu bei, dass bAV alles sein mag, aber eines definitiv nie: langweilig.
Einflüsse von verschiedenen Seiten: Gesetzesänderungen
Auch wenn der letzte „große Wurf“ in Sachen gesetzlicher Änderungen mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz bereits einige Jahre zurück liegt, ergeben sich häufig auch durch Gesetze aus anderen Bereichen Implikationen für die bAV. So war z. B. durch den Entfall der Hinzuverdienstgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung für die vorgezogene Altersrente zum 01.01.2023 eine Anpassung in § 6 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) notwendig geworden. Sofern die Versorgungsordnung für den Bezug der Versorgungsleistungen kein Ausscheiden aus dem aktiven Arbeitsverhältnis fordert, ist es nun möglich, ab einem Alter von 63 Jahren die gesetzliche und die betriebliche Altersrente vorgezogen zu beziehen und dabei weiter zu arbeiten.
Weiter sind Arbeitgeber mit Direktzusagen, bei denen sie als Zahlstelle für die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung fungieren, vom Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) betroffen, da sie nun dafür Sorge tragen müssen, die kinderzahlabhängige Differenzierung der Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung entsprechend den gesetzlichen Vorgaben umzusetzen.
Abzuwarten bleibt, welche der zahlreichen seitens der verschiedenen Verbände und Gewerkschaften eingereichten Vorschläge im Zuge des Fachdialogs zur Stärkung der bAV, der vom Bundesfinanzministerium (BMF) und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) im Herbst letzten Jahres initiiert worden war, weiterverfolgt werden und Eingang in die gesetzlichen Vorschriften finden. Verbesserungen und Erleichterungen in der bAV sind schließlich stets willkommen.
bAV aus Sicht der Finanzverwaltung
Natürlich ist auch stets im Blick zu haben, wie die bAV steuerlich aus Sicht der Finanzverwaltung zu behandeln ist. Und auch hier ergeben sich immer wieder Änderungen. Beispielhaft genannt sei die Regelung zur weiteren Anwendung des § 40b EStG (BMF, 12.08.2021, Randziffer 85 ff.) oder auch die zahlreichen BMF-Schreiben in Bezug auf die Versorgung von Gesellschafter-Geschäftsführern (GGF), z. B. bezüglich eines angemessenen Pensionsalters (Schreiben vom 09.12.2016) oder auch zu anderen speziellen bAV-Fragen. Hingewiesen sei z. B. darauf, dass im BMF-Schreiben vom 18.03.2022 klargestellt wurde, dass in allen fünf Durchführungswegen der bAV kein Ausscheiden aus dem aktiven Arbeits- bzw. Dienstverhältnis mehr nötig ist. Zuvor war das beim Durchführungsweg Unterstützungskasse zumindest in dieser expliziten Form nicht klar.
Änderungen der Rechtsprechung
Natürlich ist auch die Rechtsprechung zu beachten. Dies gilt im Prinzip für sämtliche Rechtsgebiete der bAV, vom Arbeits- über das Steuer- bis zum Sozialversicherungsrecht. Insbesondere die Arbeitsgerichte sind in der Rechtsfindung zur bAV gefragt. Hier sind sehr verschiedene Fragestellungen zu nennen wie die Zulässigkeit von Spätehenklauseln (BAG 19.02.2019 – 3 AZR 215/18), die zu berücksichtigende Versorgungszeit bei Teilzeitbeschäftigung (BAG 20.06.2023 – 3 AZR 221/22) oder auch die Zulässigkeit von Kapitaloptionen im Wege einer Ersetzungsbefugnis (BAG,17.01.2023 – 3 AZR 220/22 und 501/21) und vieles mehr.
Aber auch die Finanzgerichtsbarkeit sorgt für Rechtsfindung und Rechtsfortentwicklung in der bAV. So hat sich hier jüngst erfreulicherweise eine deutliche Verbesserung für den Fall des gleichzeitigen Bezugs von bAV-Leistung und Gehalt bei Weiterarbeit eines GGFs ergeben (BFH, 15.03.2023 – I R 41/19). Vielleicht ist dies ein Hoffnungsschimmer für eine weitere Lockerung der generell sehr restriktiven Anforderungen an die steuerliche Anerkennung einer GGF-Versorgung.
Nicht nur ein rechtliches Thema
Aber die bAV ist nicht nur ein rechtliches Thema. Sie ist vor allem auch ein betriebswirtschaftliches. Es geht um Liquidität, Cashflows und um Bilanzen. Und damit ist die bAV immer auch eingebettet in die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wie Zinsen und Inflation. Die Entwicklung der Rechnungszinsen beeinflusst maßgeblich die Höhe der Pensionsrückstellungen bei zu bilanzierender bAV und die hohen Inflationsraten können auch bei mittelbaren Durchführungswegen, bei denen die laufenden Leistungen nach § 16 Abs. 1, 2 BetrAVG anzupassen sind, zum Ausweis von handelsbilanziellen Pensionsrückstellungen führen, wenn die Überschüsse der mittelbaren Versorgungsträger nicht für die nötige Rentenanpassung ausreichen. Dazu kommen je nach Versorgungszusage auch Effekte auf die nötige Liquidität.
Hingewiesen sei darauf, dass bei der Bilanzierung versicherungsrückgedeckter Direktzusagen im vergangenen Jahr der neue Rechnungslegungshinweis des IDW, RH 1.021, ebenfalls zu Neuerungen geführt hat.
Moderne Personalpolitik
Immer öfter wird bAV inzwischen auch als elementares Element einer modernen Personalpolitik verstanden. So ist eine attraktive (arbeitgeber- und arbeitnehmerfinanzierte) bAV zunehmend wichtiger beim Gewinnen und Halten von Mitarbeitern.
bAV als Bestandteil einer ESG-Strategie
Im Übrigen sei auch darauf hingewiesen, dass bAV integraler Bestandteil jeglicher unternehmenspolitischen ESG-Strategie sein sollte.
E – environmental bedeutet kurz zusammengefasst, dass man mit Vorsorge- und Versicherungsprodukten, bei denen die Mittel in ökologisch sinnvolle, nachhaltige Kapitalanlagen investiert werden, etwas zum Klima- und Umweltschutz beiträgt.
S – social bedeutet kurzgefasst, dass die bAV Ausdruck der Fürsorge und Wertschätzung des Arbeitgebers gegenüber den Arbeitnehmern ist.
G – governmental bedeutet letztlich eine Haltung der Unternehmensführung, die sich ihrer Verantwortung für die Arbeitnehmer, aber auch für die Gesellschaft bewusst ist. Die Unternehmenslenker fühlen sich aus ihrer Rolle heraus verpflichtet, einen Beitrag zur Vermeidung und Entschärfung von Altersarmut zu leisten.
Fazit: neue Chancen nutzen
Die bAV ist wichtiger denn je. Gerade das jüngste inflationsbedingte Abfallen unter die Armutsgrenze bei vielen Personen hat gezeigt, wie wichtig die bAV als zusätzliche Säule der Alterssicherung ist. Dass sich der Rahmen, der von Gesetzgebung, Finanzverwaltung, Rechtsprechung, aber auch von den Marktentwicklungen gespannt wird, immer wieder ändert, mag herausfordernd erscheinen. Es bedeutet aber auch stets die Möglichkeit, neue Chancen zu identifizieren und diese auch zu nutzen.
Diesen Artikel lesen Sie auch in der AssCompact Sonderedition Betriebliche Versorgung 09/2023 und in unserem ePaper.
Bild: © fotomek – stock.adobe.com
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können