Herr Andreas, infolge der Niedrigzinsphase ist Bausparen in den vergangenen Jahren vermehrt in die Kritik geraten. Erleben wir mit den steigenden Bauzinsen nun ein Comeback des Bausparens?
Niemand hatte daran geglaubt, dass die Kapitalmarktzinsen so schnell hätten steigen können. Ein Ende ist nicht absehbar. Die Alte Leipziger Bauspar AG wird zum Beispiel dieses Jahr ihre Bausparsumme um ca. 50% steigern, das ist schon eine Hausnummer. Wobei die Alte Leipziger auch einen super Tarif hat, dass muss man ehrlicherweise auch dazu sagen. Bausparen ist aus Kundensicht ein recht einfaches Produkt. Im Endeffekt sieht der Verbraucher nur 1 + 1 = 2. In der Praxis ist es natürlich wesentlich komplexer und sehr mathematisch lanciert.
Aus meiner Sicht steht aktuell die Triebfeder der Angst im Vordergrund. Die Kunden suchen Schutz und Sicherheit in diesen Zeiten, daher auch der Aufwind. Es ist die negative Erwartungshaltung, die das Bausparen aktuell im Lichte erscheinen lässt, und so mancher Berater argumentiert hier auch mit der Angst.
Natürlich kann man jetzt hingehen und mit dem Argument der Zinsabsicherung einen Bausparvertrag anbieten. Dies sollte aber immer punktgenau und zielführend sein. Der klassische Nutzen ist und bleibt immer noch die Zinsabsicherung mit planbaren Zahlen.
Rückt also nun genauso dieser Schutz vor steigenden Zinsen wieder in den Mittelpunkt?
Da dieses Jahr noch keine Anpassungen stattfinden in den Tarifwerken der Bausparkassen ist die aktuelle Differenz vom Marktzins in der Baufinanzierung zu den Sollzinsen der Tarifwerke bei den Bausparkassen ein treibendes Argument. Da der Deutsche prinzipiell einen großen Wert auf Sicherheit setzt, ist die jetzige Nachfrage eine ganz normale Kiste. So ist es nur umso verständlich, dass sich Immobilieneigentümer und auch Interessenten den aktuellen Zins sichern wollen und das Risiko vor steigenden Zinsen absichern.
Das Schöne am Bausparvertrag ist ja der festgelegte Sollzins mit Vertragsabschluss. Der einzige Haken dabei ist, dass man auch etwas einzahlen muss. Tun diese Einzahlungen nicht weh, dann hat der Kunde eine tolle Option, denn mehr wird es nicht werden im Bezug zu den festgeschriebenen Sollzinsen. Wichtig ist dabei, dass man so wenig wie möglich in den Bausparvertrag einzahlt, da man damit Kapital bindet. Sollzinsen von 1% beim Bausparen haben daher in der Anschlussfinanzierung nichts verloren, wenn beispielsweise der Zinsablauf in zehn Jahren endet. Hintergrund ist der hohe Anspargrad.
Sie sehen also derzeit in der Praxis eine steigende Nachfrage? Die Bausparkassen meldeten zuletzt ein reges Neugeschäft.
Ja klar, die Umsätze steigen aktuell genau so wie die Gaspreise. Ich freue mich auch für die Bausparkassen, dass hier endlich mal wieder Licht am Tunnel erscheint. Grundsätzlich ist es nie verkehrt als Immobilienbesitzer einen Bausparvertrag in der Hinterhand zu haben. Man weiß nie, was kommt, und kann durch diesen Bausparvertrag relativ schnell Liquidität erzeugen zu planbaren Kosten. Durch die Erhöhung der Einkommensgrenzen auf 35.000 bzw. 70.000 Euro zu versteuernden Einkommen profitieren inzwischen viele Menschen zusätzlich von der Wohnungsbauprämie. Damit macht man zumindest kein Minus im Guthaben und kann bei Bedarf sein Guthaben hebeln.
Was in den letzten Jahren und insbesondere während der Pandemie zugenommen hat, war die Nachfrage nach Modernisierungsdarlehen bis maximal 50.000 Euro. Diese Darlehen sind blanko, der Vorteil liegt also in der kleinen Rate. Man spürte regelrecht, wie sich Menschen nach einer Wohlfühloase sehnen. Aktuell steht aber ganz klar das Thema Sicherheit im Vordergrund und die Angst vor steigenden Zinsen.
Für wen und unter welcher Voraussetzung ist Bausparen denn sinnvoll?
Bausparen verbindet die Verlässlichkeit von niedrigen Zinsen und den Wunsch der Ansparung von Eigenkapital. Es gibt verschiedene Szenarien, je nach Kundensituation. Zum reinen Sparen innerhalb der Einkommensgrenzen ist beispielsweise der Tarif der Bausparkasse Mainz geeignet. Für junge Menschen perfekt, um hier das erste Sparen zu erlernen, was auch Hand in Hand geht mit späterer Vertragstreue in anderen Sparten.
Wenn man später Eigentum erwerben will, ist ein Bausparvertrag schon fast ein Muss – und zwar nicht wegen den niedrigen Sollzinsen, sondern wegen dem Blankobauspardarlehen. Damit kann man effektiv sein Eigenkapital hebeln und hat im Idealfall einen besseren Beleihungsauslauf bei der späteren Bankfinanzierung. Das rechnet sich sehr und ist auch psychologisch wertvoll, da man schon mal auf die Straße zur eigenen Immobilie abbiegt.
Ich erlebe in der Praxis nicht nur die Kunden mit dem Streben nach Zinssicherung, sondern auch „Excel-Kunden“, die ihre Kapitalanlagen mit Bausparen durchkalkulieren. Das geht planvoll und sicher, da die Zahlungsströme fest vorgegeben sind bis zum letzten Euro.
Was gilt es zu vermeiden bzw. wo lauern Stolperfallen oder falsche Grundannahmen?
Anfragen über Zinssicherung, bei denen die Kunden meinen, dass sie jetzt einen Bausparvertrag über 100.000 Euro abschließen müssen mit 50 Euro Besparung und kurz vor Vertragsende wird aufgezahlt. Das geht natürlich nicht. Die Bausparkassen haben zum einem eine Mindestbesparung und zum anderen eine Mindestbewertungszahl für das Erreichen einer Zuteilung. Eine Sonderzahlung hilft natürlich dabei, aber die erforderliche Bewertungszahl muss auch erreicht werden. Gerade die Tarife mit kleinen Sollzinsen benötigen eine gewisse Zeit für eine Zuteilung oder sind von Haus aus schon extrem langsam wie das Tarifwerk der Schwäbisch Hall.
Lassen Sie uns noch kurz auf das Thema Wohn-Riester eingehen. Auch für junge Menschen eine Option oder nicht empfehlenswert?
Wohn-Riester ist für Anschlussfinanzierungen in beispielsweise 15 Jahren mathematisch superklasse, trotz aller Stolperfallen im Leben. Aber als junger Mensch gleich mit einem Wohn-Riester zu starten, ist mein Erachtens zu früh. Bis zur Zuteilung passiert nichts, aber mit Annahme der Zuteilung wird dann das Wohnförderkonto zu schnell eröffnet.
Wie verhält es sich beim immer wichtiger werdenden Thema Sanierung? Inwiefern ist hier Bausparen interessant?
Wenn der Kunde eine kleine Rate wünscht, ohne viel Tam Tam im Aufwand, dann ist eine Bausparkasse die erste Anlaufstelle. Diese Darlehen basieren auf dem Einkommen vom Kunden, saubere Schufa vorausgesetzt. Mann muss nur Eigentümer sein von einer Immobilie. Die Wüstenrot hat dazu mit ihrem Turbodarlehen drei Varianten im Markt und für mich hier das beste Produkt unter den Bausparkassen. Man erhält bei der Wüstenrot auch immer einen Ansprechpartner für den jeweiligen Vorgang, der auch mal anruft. Das haben die gut gemacht.
Die Grenze für diese Darlehen gehen bis maximal 50.000 Euro und somit kann man zum Beispiel für 355 Euro im Monat schon ein bisschen etwas am Haus machen. Es kann sich auch sehr gut rechnen für Eigenheimbesitzer, wenn energetische Maßnahmen vorgenommen werden. Ich habe noch keinen Kunden erlebt, der sich mit neuen Fenstern oder Türen nicht besser gefühlt hat.
Mehr Bedeutung wird in Zukunft auch das Thema Nachhaltigkeit einnehmen. Energetische Sanierung rückt vor dem Hintergrund steigender Energiepreise in den Fokus der Immobilieneigentümer. Oftmals erheben Kreditinstitute für kleinere Darlehen einen Kleinsummenzuschlag oder nehmen sich solcher Anfragen erst gar nicht an. Kunden, die den Sanierungsbedarf erkennen, sorgen vor und fragen nach Möglichkeiten.
Nun haben je viele Vermittler Bausparverträge nicht (mehr) im Portfolio. Wird hier aus Ihrer Sicht Potenzial verschenkt?
Glaubt man den Statistiken, natürlich ja. Die Makler unterschätzen auch andere Aspekte, denn bei Liquiditätsmangel wird der Bausparvertrag gekündigt und nicht die Lebensversicherung stillgelegt. Aber das ist sekundär. Das ist wie mit dem Teufel und dem Weihwasser. Wenn ein Makler sagt „Bausparen ist Mist“, dann ist Bausparen Mist für ihn. Den kriegen Sie mit Argumenten auch nicht in eine Interessensfindung. Das Produkt war ja auch in einer Sinnkrise und auf einmal kommt der Blinker raus zum Überholen? Das funktioniert nicht. Ändert aber nicht die Tatsache, dass viele Deutsche dieses Produkt gut finden. Findet der Makler das Produkt auch gut, dann kommen da zwei zusammen.
Was ist denn bei der Kundenansprache rund um das Thema Bausparen zu beachten? Wo bieten sich aktuell Ansatzpunkte?
Bausparen ist interessant für jedermann. Nehmen wir das Modell der Zinsabsicherung. Kunden die beispielsweise im letzten Jahr eine 15-jährige Zinsfestschreibung abgeschlossen haben und nun die Überlegung haben, die Restsumme in 14 Jahren abzusichern. Dafür eignet sich ein Bausparvertrag hervorragend.
Es gibt verschiedene Modelle am Markt – die Bausparkasse Mainz (BKM) kann über die sogenannte Wahlzuteilung sehr flexibel sowohl Zins als auch die Höhe des Bauspardarlehens vergeben. Der Vorteil: Mit der Wahlzuteilung in der Tarifvariante HausPlus bietet die BKM Darlehen „just in time“. Der Kunde kann jederzeit die Zuteilung selbst bestimmen und so auf die individuellen Bedürfnisse seiner Baufinanzierung anpassen.
Ideal bei der punktgenauen Ablösung von Darlehen zum Ablauf der Sollzinsbindung ist der Tarif F40 der Signal Iduna mit Mehrzuteilung. Hier ist der kleine Anspargrad und der hohe Darlehensanspruch mit 1,99% Sollzins mathematisch im Optimum. Die Tarife der Signal Iduna werden sich erst zum 01.01.2023 ändern, daher reicht hier schon ein Newsletter an Kunden aus, um auf Knopfdruck Geschäft zu generieren.
Über Christian Andreas
Christian Andreas ist Spezialmakler für Bausparen und Wohn-Riester sowie Inhaber von mein-bauspar-vergleich.de. Zudem betreut er Forstleute beim BDF Sozialwerk.
Bild: © Li Ding – stock.adobe.com; Porträtfoto: © Christian Andreas
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