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5. August 2022
Auskunftsansprüche gegen Versicherer: Wissenswertes
Wie weit reichen Auskunftsansprüche gegen Versicherer?

Auskunftsansprüche gegen Versicherer: Wissenswertes

Seit Einführung der DSGVO sehen sich Versicherer mit Auskunftsansprüchen von Versicherungsnehmern konfrontiert. Was der BGH in einer Entscheidung über die Reichweite dieses Auskunftsanspruchs befunden hatte, erläutert Rechtsanwältin Birte Raguse.

Ein Artikel von Birte Raguse, Fachanwältin für Versicherungsrecht bei KOMNING Rechtsanwälte

Mit Einführung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sehen sich Verantwortliche im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO mit Auskunfts­ansprüchen von Betroffenen konfrontiert. Diese beschäftigen zunehmend auch die Gerichte. Mit Beschluss vom 29.03.2022 (Az. VI ZR 1352/20) hat jüngst der Bundesgerichtshof (BGH) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) eine Rechtsfrage zur Entscheidung vorlegt. Anlass der Vorlage war ein Verfahren, in welchem ein Patient einen Auskunftsanspruch gegenüber dessen behandelndem Arzt zwecks Prüfung eines arzthaftungsrechtlichen Anspruchs geltend gemacht hatte. Zu klären ist nach Auffassung des BGH, ob der Verantwortliche verpflichtet ist, dem Betroffenen eine erste Kopie der angeforderten verarbeiteten personenbezogenen Daten auch dann unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, wenn der Betroffene die Kopie nicht begehrt, um sich der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können, sondern hiermit einen anderen – datenschutzfremden, aber legitimen – Zweck verfolgt.

Unstimmigkeit bestand unter anderem darüber, wie weit ein Auskunftsanspruch geht und ob vom Versicherer als Verantwortlichem im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO Abschriften und interne Vermerke herausverlangt werden können. Hierüber hatte der BGH mit seinem Urteil vom 15.06.2021, Az. VI ZR 576/19, zu entscheiden.

In dem Verfahren hatte der Versicherungsnehmer eine über die bereits erteilten Auskünfte hinausgehende Datenauskunft verlangt. Bestätigt hat der BGH zunächst, dass sich ein datenschutzrechtlicher Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO richtet. Danach hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden. Ist dies – wie bei Versicherungsverträgen – der Fall, ergeben sich Auskunftsansprüche, welche nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO das Recht auf Zurverfügungstellung von Kopien jener personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung (gewesen) sind, beinhalten.

Zuvor hatte der BGH bereits entschieden, dass ein Auskunfts­anspruch als erfüllt gelte, wenn der Schuldner ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringt, dass die Auskunft im geschuldeten Gesamtumfang vollständig ist. Bloße Zweifel an der Vollständigkeit oder Richtigkeit begründen demnach keinen Anspruch auf eine weiter­gehende Auskunft.

BGH sieht Auskunftsanspruch als unerfüllt an

Der BGH sah den Auskunfts­anspruch allerdings noch nicht als erfüllt an. Der Kläger hatte sein Auskunftsbegehren unter Berücksichtigung der bereits erteilten Auskünfte präzisiert und weitergehende Auskünfte hinsichtlich der gesamten noch nicht mitgeteilten Korrespondenz, einschließlich der Daten des Prämienkontos sowie etwaig erteilter Zweitschriften und Nachträge zum Versicherungsschein sowie Datenauskünfte zu sämtlichen Telefon-, Gesprächs- und Bewertungsvermerken der Beklagten gefordert. Eine Erklärung des Versicherers, auch diesbezüglich vollständig Auskunft erteilt zu haben, konnte nicht festgestellt werden. Anders als das Berufungsgericht angenommen hatte, unterfielen die geforderten Informationen dem Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO.

Der BGH weist darauf hin, dass unter „personenbezogenen Daten“ alle Informationen zu verstehen sind, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Dieser Begriff sei weit zu verstehen und nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt. Er umfasst potenziell alle Arten von Informationen, auch in Form von Stellungnahmen oder Beurteilungen.

Das Auskunftsrecht diene dem Zweck, sich der Verarbeitung seiner Daten bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können. Die zwischen den Parteien geführte Korrespondenz, also das Prämienkonto, die Daten des Versicherungsscheins sowie auch interne Vermerke über die geführte Kommunikation könnten nicht kategorisch vom Anwendungsbereich ausgeschlossen werden. Schreiben des Versicherungsnehmers an den Versicherer seien grundsätzlich ihrem gesamten Inhalt nach als personenbezogene Daten anzusehen. Gleiches gelte für Schreiben des Versicherers.

Das Argument, der Anspruch bestünde nicht, da dem Versicherungsnehmer diese Schreiben bereits bekannt seien, ließ der BGH nicht gelten. Der Versicherer habe Auskunft darüber zu erteilen, ob er die im Schriftverkehr enthaltenden Daten aktuell verarbeite, insbesondere speichere. Dem Versicherungsnehmer stünde das Recht zu, zu erfahren, ob die ihn betreffenden Daten richtig sind und in zulässiger Weise verarbeitet werden. Die Kenntnis des Versicherungsnehmers, dass Schriftwechsel erfolgt sei, sei unerheblich.

Anspruch gilt auch für wiederholte Auskünfte

Zugleich weist der BGH darauf hin, dass für den Versicherungsnehmer das Recht bestünde, wiederholt Auskunft zu verlangen. Das Recht beschränke sich nicht auf unbekannte Daten. Aus diesem Grund seien auch Zweitschriften und Nachträge zu dem Versicherungsschein, interne Vermerke oder interne Kommunikation wie Telefonvermerke oder Vermerke zu dem Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers vom Auskunftsanspruch umfasst.

Ausgenommen hiervon sind laut BGH unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH die auf der Grundlage von personenbezogenen Daten vorgenommenen Beurteilungen der Rechtslage oder Daten über Provisionszahlungen des Versicherers an Dritte. Der Anspruch müsse sich jedoch auf eine Auskunft über die verarbeiteten personenbezogenen Daten beziehen und seine Reichweite müsse hinreichend bestimmt sein.

Offen gelassen hat der 6. Zivilsenat indes, ob nicht bereits das Verlangen einer „vollständigen“ Auskunft nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO genüge, weil sich der Umfang aus dem Gesetz ergebe.

Was wurde entschieden, was nicht?

Bedeutend ist neben der festgestellten Reichweite des Anspruchs, dass personenbezogene Daten wiederholt angefordert werden können. Ob das Recht nach Art. 15 DSGVO eingeschränkt sein oder entfallen könnte, der Versicherer dem Auskunftsanspruch also zum Beispiel den Einwand eines unverhältnismäßigen Aufwands und ein Geheimhaltungsinteresse entgegenhalten kann, war hier leider (noch) nicht zu entscheiden.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 08/2022, S. 116 f., und in unserem ePaper.

Bild: © denisismagilov – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Birte Raguse