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23. Mai 2023
Arbeitsrechtliche Fragen rund um Dienstreisen
Arbeitsrechtliche Fragen rund um Dienstreisen

Arbeitsrechtliche Fragen rund um Dienstreisen

Die Dienstreise ist aus dem täglichen Arbeitsalltag vieler Berufsgruppen nicht wegzudenken – so auch bei unabhängigen Finanz- und Versicherungsvermittlern. Verbunden damit sind jedoch komplizierte arbeitsrechtliche Fragestellungen.

Ein Artikel von Victoria Caliebe, Rechtsanwältin in der arbeitsrechtlichen Praxis bei Rödl & Partner

Grundsätzlich kann eine Dienstreise durch den Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts angeordnet werden, sofern die Dienstreise zum Arbeitsbereich des Arbeitnehmers gehört. Im Einzelfall kann es für die Anordnungsbefugnis auch auf die konkrete Ausgestaltung des Arbeitsvertrages ankommen. Daneben kann der Arbeitgeber aber auch anordnen, dass Arbeitnehmer während der Reisezeit ihrer eigentlichen beruflichen Tätigkeit nachkommen müssen. Dem dürfen aber nicht die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes entgegenstehen. Außerdem erfährt das arbeitgeberseitige Weisungsrecht auch durch die „Zumutbarkeit“ der Dienstreise und der Arbeitsleistung während der Reisezeit seine Grenzen.

Vergütungspflicht der Reisezeit

Zur vergütungsrechtlichen Einordnung von Reisezeiten ist zunächst zu differenzieren, ob es sich um Reisezeit während oder außerhalb der regulären Arbeitszeit handelt und ob hierzu eine arbeitsvertragliche Regelung existiert.

Reisezeiten innerhalb der regulären Arbeitszeit sind als Arbeitszeit zunächst einmal gleichermaßen zu vergüten wie die normale Tätigkeit während der Arbeitszeit.

Für Reisezeiten außerhalb der regulären Arbeitszeit ist die jüngste Rechtsprechung weniger arbeitgeberfreundlich und stellt nicht mehr auf eine besondere „Belastung“ des Arbeitnehmers während der Reisezeit ab. Auf der ersten Stufe ist zu identifizieren, ob eine Reisetätigkeit als „Arbeitsleistung“ im Gegenseitigkeitsverhältnis zu der vom Arbeitgeber geschuldeten Vergütung steht. Dies ist aufgrund des weiten Verständnisses des Gegenseitigkeitsverhältnisses generell bei allen Tätigkeiten anzunehmen, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer abverlangt oder die mit der eigentlichen Tätigkeit unmittelbar zusammenhängen. Die Vergütungspflicht entfällt also auch nicht einfach für Zeiten, in denen der Arbeitnehmer die Reisezeit „absitzen“ kann wie zum Beispiel bei Bahn- oder Flugreisen oder als Beifahrer in einem Pkw. Erst auf der zweiten Stufe wird der vorgenannte Grundsatz einer Einschränkung unterworfen, indem für Dienstreisen eine gesonderte vertragliche Vergütungsregelung getroffen werden kann und es insbesondere möglich ist, ein geringeres Entgelt als für die eigentliche Tätigkeit zu vereinbaren oder die Vergütung gänzlich auszuschließen. Auch bei derartigen Regelungen setzt aber das Mindestlohngesetz gewisse Grenzen. Außerdem müssen derartige Vergütungsvereinbarungen transparent gestaltet sein. Auch die Erforderlichkeit der Kosten spielt hierbei eine Rolle, wenn die Planung der Dienstreise in die Eigenverantwortung des Arbeitnehmers gelegt wird.

Sonderfragen stellen sich zusätzlich auch in Zusammenhang mit Wegezeiten, wenn Arbeitnehmer direkt vom Wohnort aus die Dienstreise antreten. In diesem Fall können die durch den Direktantritt „ersparten“ Wegezeiten auf die Dienstreisezeiten anzurechnen sein. Die vergütungsrechtliche Behandlung von Verspätungen wirft hier oftmals weitere Fragen auf. Für sie gelten als Teil der Reisezeit die vorgenannten Grundsätze.

Arbeitszeitrechtliche Einordnung

Anders als die Frage der Vergütungspflicht ist dagegen die arbeitszeitrechtliche Einordnung der Reisezeit zu beurteilen.

Entscheidend ist dabei allein, welche Vorgaben der Arbeitgeber zur Ausgestaltung der Reisezeit gemacht hat und welches Fortbewegungsmittel gewählt wird. Arbeitszeit liegt während einer Dienstreise vor, wenn Arbeitnehmer die Reisezeit in öffentlichen Verkehrsmitteln (z. B. Zug oder Flugzeug) zur Erledigung ihrer Arbeitsaufgaben nutzen müssen, weil der Arbeitgeber dies angewiesen hat. Soweit Arbeitnehmer während der Reisezeit tatsächlich nicht arbeiten müssen und sich somit „erholen“ können, kann diese Zeit dagegen als Ruhezeit im arbeitszeitrechtlichen Sinne qualifiziert werden.

Anders zu beurteilen ist die Rechtslage aber, wenn Arbeitnehmer als Reisemittel einen Pkw verwenden und diesen auch selbst steuern. In diesem Fall liegt immer Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen Sinne vor, da sich Arbeitnehmer während der Reisezeit als Fahrer ausschließlich auf den Verkehr konzentrieren müssen. Dies kann insbesondere bei langen Anfahrtswegen oder Verspätungen Schwierigkeiten mit sich bringen, da diese zu einer Überschreitung der täglichen Höchstarbeitszeit führen können. Der Arbeitnehmer muss dann die Fahrt unterbrechen. Maßgeblich für die Einordnung als Arbeitszeit ist aber zusätzlich, ob der Arbeitgeber die Nutzung des Pkw angeordnet hat oder ob der Arbeitnehmer die Möglichkeit hatte, alternativ eine Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu wählen. Für Beifahrer besteht dagegen wieder die Möglichkeit zur Erholung während der Fahrt, sodass dieselben Grundsätze wie bei Dienstreisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln gelten.

Anders als die Frage der Vergütungspflicht kann die Einordnung als Arbeitszeit nicht durch Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber abweichend vereinbart werden.

Unfallversicherung

Da Dienstreisen in Ausübung des Beschäftigungsverhältnisses, also der versicherten Tätigkeit erfolgen, unterliegen Arbeitnehmer auch auf Reisen außerhalb der Betriebsstätte generell der gesetzlichen Unfallversicherung. Entscheidend ist, dass es sich bei der Reise um einen Bestandteil der betrieblichen Tätigkeit handelt und die unfallbringende Tätigkeit mit dem Beschäftigungsverhältnis wesentlich zusammenhängt.

Fazit und Empfehlung

Für Dienstreisen gelten also keine festen gesetzlichen Regelungen. Dies führt für beide Arbeitsvertragsparteien meist zu Unsicherheiten über die Rechtslage während einer Dienstreise. Aus diesem Grund ist zu empfehlen, die Modalitäten von Dienstreisen vertraglich, z. B. im Arbeitsvertrag oder in einer Reiserichtlinie klar zu definieren. Dies nicht zuletzt, um die Einhaltung der zwingenden gesetzlichen Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes zu gewährleisten. Neben den vorgenannten Gesichtspunkten sollte die entsprechende Regelung aber auch die Erstattung der Kosten in Einklang mit den geltenden steuerlichen Höchstsätzen regeln und dabei zum Beispiel die Wahl des „erforderlichen“ Verkehrsmittels (Reisemittel und -klasse) definieren.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 05/2023, S. 108 f., und in unserem ePaper.

Bild: © blende11.photo – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Victoria Caliebe