Was war im Vorfeld der Koalitionsverhandlungen zwischen den Ampelparteien aus SPD, Grünen und FDP in der Vermittlerbranche nicht alles zur Diskussion gestanden: Die SPD befürwortete die Abschaffung des dualen Gesundheitssystems aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung zugunsten einer einheitlichen Bürgerversicherung. Für besonders viel Aufsehen sorgte auch die Forderung im Wahlprogramm der Bündnisgrünen, die provisionsbasierte Beratung von Kleinanlegern schrittweise vollständig abzuschaffen und durch unabhängige Honorarberatung zu ersetzen. Außerdem setzten sich insbesondere SPD und Grüne für eine Neuordnung der Aufsicht über Finanzanlagenvermittler ein. So sollte diese Berufsgruppe künftig nach dem Willen der beiden Parteien von der BaFin und nicht mehr von den regionalen Industrie- und Handelskammern kontrolliert werden.
„Die Ampel steht“, verkündete der designierte Kanzler Scholz
Nun haben sich die Ampelparteien am vergangenen Mittwoch auf einen Koalitionsvertrag geeinigt: „Die Ampel steht“, verkündete dazu der nun designierte nächste Kanzler Olaf Scholz. Unter dem Titel „Mehr Fortschritt wagen. Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ haben SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP ihr niedergeschriebenes, 177 Seiten starkes Regierungsprogramm für die kommenden vier Jahre präsentiert. Und hier die gute Neuigkeit für Vermittler: Radikale Veränderungen wie ein Provisionsverbot für die Branche werden darin nicht angesprochen.
Ungeschriebenes Gold: Was der Koalitionsvertrag nicht thematisiert
Zunächst scheint die Einführung eines Provisionsdeckels für Lebensversicherungen oder gar ein Verbot der Provisionsvergütung kein bedeutender Bestandteil des künftigen Regierungshandelns zu sein, denn diese Punkte finden sich im Regierungsprogramm nicht wieder. Auch die Übertragung der Aufsicht über Finanzanlagenvermittler von den Industrie- und Handelskammern auf die BaFin wird im Koalitionsvertrag nicht weiter erwähnt. Zustimmung erhielten die Ampelparteien hierfür in einer ersten Reaktion von Martin Klein, Vorstand des Branchenverbands VOTUM. „Es ist zu begrüßen, dass sich Maximalforderungen wie ein generelles Provisionsverbot, eine Erweiterung der BaFin-Aufsicht auf 34f-Vermittler und anderer Unsinn nicht durchsetzen konnten“, erklärte Klein in einem Pressestatement. Ähnlich analysierte Frank Rottenbacher, Vorstand beim Bundesverband Finanzdienstleistungen (AfW), die Ergebnisse: „Wir freuen uns über die Einsicht der Koalitionäre, die großen Themen im Land anzugehen und sich nicht mit ideologisch getriebenen Zielen wie einem Provisionsverbot oder einer BaFin-Vermittleraufsicht zu beschäftigen.“ Außerdem bleiben im Koalitionsvertrag mögliche Erwägungen hinsichtlich der Einführung einer Einheitsversicherung im Gesundheits- und Pflegewesen unerwähnt. Sogar die geplante Wechseloption von Beamten in die GKV (AssCompact berichtete) wird nach Lesart des Koalitionsvertrags gegenwärtig nicht weiter verfolgt. „Positiv ist, dass die Einführung einer Bürgerversicherung, wie sie in den Wahlprogrammen von SPD und Grünen anvisiert wurde, keine Berücksichtigung gefunden hat“, lobte prompt Michael H. Heinz, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute (BVK). Die Vermittlerbranche profitiert davon, dass diese radikalen Veränderungen keine Erwähnung im Koalitionsvertrag finden und damit keine wesentlichen Bestandteile der Regierungsarbeit zumindest für die kommenden vier Jahre darstellen. Insofern sind keine Neuigkeiten gute Neuigkeiten.
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