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1. Oktober 2024
Altersvorsorgereform: So reagiert die Branche
Altersvorsorgereform: So reagiert die Branche

Altersvorsorgereform: So reagiert die Branche

Der Gesetzentwurf zur Reform der privaten Altersvorsorge liegt vor. Am Montag wurde er vorgelegt. Kernpunkte: Details zum Altersvorsorgedepot sowie zu einigen Upgrades zur Riester-Rente. Viele Branchenvertreter haben bereits erste Einschätzungen veröffentlicht – auf Nachfrage von AssCompact auch der BDVM.

Die Bundesregierung knöpft sich nun anscheinend ernsthaft die dritte Säule der Altersvorsorge vor: die private. Am Montag wurde der Gesetzentwurf zur Reform der privaten Altersvorsorge vorgelegt. Die wichtigsten Punkte sind zum einen das viel diskutierte staatlich geförderte Altersvorsorgedepot. Jeder eigens angesparte Euro soll mit 20 ct vom Staat gefördert werden – bis zu einer jährlichen Maximalanlage von 3.000 Euro. Ab 2023 soll dieser Betrag auf 3.500 Euro erhöht werden. Außerdem sind für Eltern mit Kindern unter 18 Jahren, Geringverdiener und Berufseinsteiger zusätzliche Förderungen geplant. Die Besteuerung erfolgt nachgelagert, also nur bei der Auszahlungsphase, nicht aber in der Ansparphase.

Auch bei der Riester-Rente soll es einige Veränderungen geben: Eine Erhöhung des jährlichen Sonderausgabenabzugs von 2.100 Euro auf 3.500 Euro, und außerdem mehr Wahlmöglichkeiten bei der Garantie. Neben einem 100%-igen Garantiekapital sind dann auch Produkte mit einer 80%-igen Garantie angedacht. Und: Die Verrentungspflicht soll abgeschafft werden, sodass Riester-Sparer einen Auszahlungsplan wählen können, der bis zum 85. Lebensjahr läuft.

Die Meinungen aus der Branche sind erwartungsgemäß vielschichtig. Bereits am Montagnachmittag wurde erste Statements von Branchenvertretern zu den Reformplänen veröffentlicht. AssCompact hat die wichtigsten zusammengefasst.

Begrüßungen über Begrüßungen

Eine gerne gewählte Formulierung bei der Beurteilung politischer Initiativen, bei denen zumindest die Idee gut zu sein scheint, ist die der „Begrüßung“. Denn diese haben gleich mehrere Verbände nach der Vorstellung des Entwurfs zur Altersvorsorgereform geäußert, so z. B. der Fondsverband BVI, der den Entwurf laut einer Pressemitteilung zum Thema „begrüßt“. Hauptgeschäftsführer Thomas Richter sieht darin einen großen Wurf, der einen Paradigmenwechsel in der privaten Altersvorsorge bedeute. „Das bisherige, weltweit längst überholte Mantra, dass Altersvorsorge 100% Beitragsgarantie und eine Leibrente umfassen muss, gilt nicht mehr. Das ist revolutionär und macht die Altersvorsorge für die Sparer attraktiv, weil sie renditestärker anlegen können. Ein wichtiger Schritt sei dementsprechend die Wahlfreiheit in der Auszahlphase, mit der die Bürger „endlich Wahlfreiheit statt gesetzlichen Zwang“ hätten.

Auch der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) hält sich mit seiner „Begrüßung“ nicht zurück und „begrüßt“ den Entwurf. Insbesondere unterstütze er das Ziel der Reform, die geförderte private Altersvorsorge flexibler, transparenter und renditestärker zu machen, um ihre Attraktivität insgesamt und damit ihren Verbreitungsgrad zu erhöhen. Die vom BVI gelobte Wahlfreiheit bei der Auszahlungsphase bei Garantieprodukten sieht der BVK allerdings skeptisch, da so keine Absicherung des Langlebigkeitsrisikos erfolgen muss. Aus BVK-Sicht sollte daher zwingend eine vorherige Beratung erfolgen, um sicherzustellen, dass die monatlichen Fixkosten im Alter auch dauerhaft abgesichert werden und die Verbraucher vor Grundsicherungsbedarf im hohen Alter geschützt werden.

Das sagen AfW und BDVM

In eine ganz ähnliche Kerbe schlagen die Äußerungen des Bundesverbands Finanzdienstleistung AfW. Dieser „begrüßt“ ebenfalls den Gesetzentwurf, da mit dem darin enthaltenen Altersvorsorgedepot eine renditestarke und flexible Alternative zu bisherigen Fördervarianten geschaffen werde, die insbesondere jüngere Sparer anspreche. Und auch die flexiblere Gestaltung der Auszahlungsphase mit Optionen für Leibrenten oder Auszahlungspläne bis zum 85. Lebensjahr befindet der AfW für eine „wichtige Neuerung, die den Bedürfnissen nach mehr Flexibilität in der Altersvorsorge Rechnung trägt“. Allerdings halte es der Verband für problematisch, wenn es geplant sein sollte, dass Verbraucher Anlageentscheidungen beim vorgesehenen Referenzdepot ohne qualifizierte Beratung treffen könnten. Daher werde man sich weiter für verbindliche Beratungsstandards einsetzen, um sicherzustellen, dass Verbraucher über eventuelle Risiken und die Chancen ihrer Anlagewahl umfassend aufgeklärt werden.

Auf Nachfrage von AssCompact hat sich auch Dr. Bernhard Gause, geschäftsführender Vorstand beim Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler, geäußert – und er bzw. der BDVM „begrüßt“ die Flexibilisierung der staatlich geförderten Altersvorsorge. Die erweiterte Produktauswahl könne mehr Menschen von der Notwendigkeit zur Eigenvorsorge überzeugen, werde aber gleichzeitig den Beratungsaufwand für Versicherungsmakler erhöhen, so Gause. Die Mitglieder des BDVM werden demnach ihre Kunden individuell mit Blick auf die Höhe möglicher Garantien und die Länge von Rentenzahlungen beraten und begleiten.

Lebenslange Absicherung die „Stärke“ der Lebensversicherung

Die Versicherer „begrüßen“ den Vorschlag zur Modernisierung ebenfalls, wie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) noch am Montag mitteilte. Sie unterstützen den Vorschlag, einfache und transparente Produkte mit lebenslanger Auszahlgarantie zu fördern, sowie ein beitragsproportionales Fördersystem einzuführen. Zu der Auswahlmöglichkeit aus drei Garantiestufen, 100%, 80% und ohne Garantie, sagt Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen: „Die Balance von Sicherheit und Rendite ist weiterhin wichtig. Die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger sind jedoch unterschiedlich. Daher ist der optionale Wegfall der vollen Beitragsgarantie richtig und wurde lange von uns gefordert.“

Die größte Kritik lässt der GDV an dem potenziellen Wegfall der Verrentungspflicht. Denn so wie die Reform gestaltet ist, bleibe die lebenslange Absicherung „auf der Strecke: Altersvorsorge ist mehr als Vermögensaufbau. Die lebenslange Absicherung ist die Stärke der Lebensversicherung“.

Ähnlich sieht es auch Dr. Guido Bader, Vorstandsvorsitzender der Stuttgarter Lebensversicherung, der die „überfällige Reform“ einerseits – richtig – „begrüßt“. Deutschland brauche eine attraktive steuerlich geförderte private Absicherung neben der gesetzlichen Rente. Bader halte jedoch die Wahlmöglichkeit für Auszahlpläne bis zum 85. Lebensjahr für falsch: „Für mich sollte eine staatlich geförderte Altersvorsorge zwingend eine lebenslange Rentenzahlung vorsehen. Alles andere ist ein fahrlässiger Umgang mit Steuergeldern. Das Langlebigkeitsrisiko muss abgesichert sein.“ Auch beim Altersvorsorgedepot fehle es Bader an Sicherungsmechanismen. Ein staatlich gefördertes Altersvorsorgeprodukt sollte eine gewisse Grundabsicherung bieten, da Totalverluste, wie zuletzt beispielsweise bei bestimmten Russland-Fonds, leider nie völlig auszuschließen seien.

Die Verbände wollen weiter den Entwurf prüfen und auch zeitnah und fristgerecht Stellungnahmen abgeben. Befassen will sich das Kabinett mit dem Entwurf am 13.11.2024. (mki)

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