Haftungsfälle bei Versicherungsmaklern drehen sich häufig um wiederkehrende Themen, so Rechtsanwalt Jens Reichow beim letztwöchigen Vermittler-Kongress der Kanzlei Jöhnke & Reichow. Diese Erfahrung mache er sowohl bei Verfahren, die seine Kanzlei führe, als auch bei anderen Gerichtsprozessen. Insbesondere würde es immer wieder bei Dokumentationen und Umdeckungen zu Fehlern kommen.
Fehler bei der Umdeckung: Von einer BU- zu einer Grundfähigkeitsversicherung
So berichtete Reichow von einem Haftungsfall eines Versicherungsvermittlers aufgrund eines Beratungsfehlers beim Abschluss einer Grundfähigkeitsversicherung und gleichzeitigen Kündigung einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Mit dem Fall hatte sich das Oberlandesgericht Dresden zu beschäftigen (Urteil vom 07.11.2023 – Az: 4 U54 / 23). Der Versicherungsnehmer hatte eine bestehende BU-Versicherung, der Vermittler beantragte später aber auch eine Grundfähigkeitsversicherung, die schließlich mit Ausschlüssen vom Versicherer angenommen wurde. Trotz Ausschlüsse blieb der Vermittler bei der Empfehlung, die Grundfähigkeitsversicherung zu nehmen und die BU-Versicherung zu kündigen. Das Gericht urteilte letztlich, dass der Vermittler nicht ausreichend darauf hingewiesen habe, dass der Versicherungsschutz nun geringer als bei der BU-Versicherung sei. Insofern stand der Vermittler, der als Mehrfachagent tätig war, in der Haftung.
In der Rechtsprechung, legte Reichow dar, habe sich der der Grundsatz durchgesetzt, dass sich kein Versicherungsnehmer bei einer Umdeckung verschlechtern will. Als vorrangiges Ziel werde angenommen, dass der Schutz erhalten bleibe oder sich verbessere, auch wenn es in der Praxis andere Gründe geben mag, warum sich ein Versicherungsnehmer für einen anderen Schutz entscheidet.
Evergreen: Fehlende oder fehlerhafte Dokumentation in Hausrat und Leben
Die Dokumentation am Ende des Beratungsprozesse mag manchmal lästig sein, ist aber unerlässlich, um in Streitfällen auf der sicheren Seite zu sein. Wenn der Versicherungsvermittler nicht hinreichend dokumentiert, dann kann es zu erheblichen Beweiserleichterungen aufseiten des Versicherungsnehmers kommen. „Ich kann nicht oft genug wiederholen, wie wichtig eine vernünftige Dokumentation ist“, legte Reichow den Teilnehmern des Vermittler-Kongress ans Herz und führte zwei Beispiele an, in denen dem Vermittler Dokumentationsfehler zum Verhängnis wurden.
Bei einem Fall vor dem Landgericht Halle (Urteil vom 31.03.2023 – Az: 5 O 414/21) ging es um eine Unterversicherung in der Hausratversicherung. Der Versicherungsvermittler legte im Prozess dar, dass der Versicherungsnehmer die niedrige Versicherungssumme wünschte. Dieser jedoch argumentierte, dass er sich bei der Bestimmung der Versicherungssumme auf den Vermittler verlassen habe. Eine Dokumentation, wie es zu der Versicherungssumme kam, gab es nicht. Das Gericht machte deutlich, dass die Bestimmung der Versicherungssumme, zumal wenn der Versicherungsnehmer eine Versicherungssumme haben will, die unter dem des eigentlichen Wertes des Hausrats liege, ein essenzieller Bestandteil des Beratungsprozess sei, über den eine Dokumentation erfolgen muss. Das Gericht nahm den Vermittler deshalb in die Haftung.
Die gleiche Tendenz hat ein Urteil des Oberlandesgericht Hamm (Urteil vom 27.09.2023 – Az: 20 U 22/23), auch wenn es hier um einen Fehler in der Dokumentation ging. Gegenstand des Prozesses war die Beratung zu einer Basisrente. In dem Fall argumentierte der Versicherungsnehmer, dass der Vermittler ihn nicht über die Besonderheiten der Basisrente aufgeklärt hätte. Hier lag eine Beratungsdokumentation vor, in der ein standardisierter Textbaustein enthalten war, dass der Kunde auf die Besonderheiten der Basisrente hingewiesen wurde. Nur hatte der Vermittler übersehen, dass dort befindliche Kästchen anzukreuzen. Auch hier bejahte das Gericht eine Haftung des Vermittlers.
Verjährung: Pflicht zur Kenntnisnahme des Inhalts des Versicherungsscheins?
In seinem Vortrag griff Reichow auch zwei Fälle auf, bei der es um die Verjährung von Schadensersatzansprüchen ging. Aufseiten der Versicherungsmakler werde häufig argumentiert, so der Anwalt, dass der Kunde im Nachgang einer Beratung alle Unterlagen zu dem Produkt bekomme und anhand dieser Unterlagen den Inhalt des Versicherungsschutzes erkennen könne. Für die Beratung habe dies keine große Relevanz, erläuterte Reichow, da das gesprochene Wort gelte und es eine zeitliche Zäsur zwischen Beratung und Zugang der Unterlagen bestehe – für die Frage einer Verjährung aber schon.
Die Verjährung beginnt grundsätzlich dann, wenn der Anspruch entstanden ist. Das ist mit Abschluss des Versicherungsvertrags der Fall, wenn der Versicherungsnehmer die sogenannte Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der anspruchsbegründeten Umstände erlangt habe. Und hier kann man argumentieren, dass eine Kenntnis bereits dann vorliegt, wenn der Versicherungsnehmer anhand des Versicherungsscheines hätte erkennen können, dass ein bestimmter Versicherungsschutz besteht oder nicht besteht.
Das Oberlandesgericht Zweibrücken hat in seinem Urteil vom 25.10.2023 – Az: 1 U 43/23 – auch hier ging es um eine Beratung zur Basisrente – solche grob fahrlässige Unkenntnis von den Umständen, aus denen sich ein möglicher Anspruch gegenüber seinem Makler ergibt, bejaht. Damit war die subjektive Tatbestandsvoraussetzung für den Beginn der Verjährungsfrist erfüllt. Im Ergebnis musste der Versicherungsmakler deshalb keinen Schadenersatz leisten. Anders entschied jedoch das Landgericht Amberg (Urteil vom 21.08.2024 – Az: 3 S 66/23) in einem anderen Fall. Hier ging es um den Wechsel einer Krankenversicherung. Aus Sicht der Kanzlei Jöhnke & Reichow ist dies ein Thema, dass es weiter zu verfolgen gilt. Reichow erwartet hierzu weitere Rechtsprechungen oder eventuell auch eine höchstrichterliche Entscheidung.
Fälle aus der Kanzlei: Unabhängigkeit des Maklers, fehlerhafte Schadenmeldung
Auch aus der eigenen Kanzlei berichtete Reichow über einige Fälle. Das Urteil des Landgericht Leipzig (Urteil vom 04.12.2024 – Az: 05 O 1092/24) zur Werbung eines Versicherungsmaklers mit seiner Unabhängigkeit durfte dabei nicht fehlen. Das Gericht entschied zugunsten des Maklers, allerdings steht den klagenden Verbraucherschützern die Berufung noch offen.
Abgeschlossen dagegen ist ein Fall, bei dem ein Versicherungsmakler im Zusammenhang mit dem fehlerhaften Ausfüllen eines Schadenformulars in der Kfz-Versicherung in Anspruch genommen wurde. Der Versicherungsmakler hatte dort einen Vorschaden nicht aufgenommen, was zur Ablehnung der Schadenregulierung vonseiten des Versicherers führte. Der Versicherungsnehmer argumentierte, dass dem Versicherungsmakler aus vorheriger Betreuung der Vorschaden bekannt gewesen sein müsste. Im Laufe der Beweisaufnahme ergab sich aber, dass eine solche Kenntnis des Versicherungsmaklers nicht vorgelegen hat. Landgericht und Oberlandesgericht Hamburg haben die Klage des Versicherungsnehmer abgewiesen. Zuletzt wurde im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde versucht, an den Entscheidungen zu rütteln, was nicht gelangt und der BGH die Entscheidung der Vorinstanzen bekräftigt hat (BGH, Beschluss v. 07.11.2024 – Az: I ZR 63/24).
Kindernachversicherung in der Pflegezusatzversicherung versäumt
In der Berufung befindet sich eine andere Klage, in der die Kanzlei den Versicherungsnehmer vertritt. Wie Reichow berichtete, geht es dabei um eine Kindernachversicherung in der Krankenversicherung. Bei Geburt des ersten Kindes wurde das Kind in der Krankenvollversicherung und in der Pflegepflichtversicherung nachgemeldet und aufgenommen, versäumt wurde aber, dies ebenfalls in der bestehenden Pflegetagegeldversicherung zu tun. Es folgte das zweite Kind und der Versicherungsnehmer sagte dem Vertreter, dass genau so verfahren werden sollte wie beim ersten. Also fehlte auch hier die Aufnahme in die Pflegetagegeldversicherung. Das Kind erkrankte und wurde pflegebedürftig. Der Versicherer regulierte im Rahmen der Pflegepflichtversicherung, erbrachte aber keine Leistung aus der Pflegetagegeldversicherung.
Aus Sicht des Versicherungsnehmers stellte sich die Frage, warum denn die Kindernachversicherung nicht auch in Bezug auf die Pflegetagegeldversicherung durchgeführt wurde. Der Ausschließlichkeitsvertreter argumentierte, dass die Kindernachversicherung an der Stelle unterblieben sei, weil der Vater sein zweites Kind so versichert haben wollte wie sein erstes. Daraus ergab sich die Anschlussfrage, warum das erste Kind nicht in der Pflegetagegeldversicherung nachversichert wurde. Der Kunde warf dem Vermittler vor, er habe ihm gar nicht dargestellt, dass eine Kindernachversicherung auch in Bezug zur Pflegetagegeldversicherung möglich sei. Es kam zum Prozess, in dem sich herauskristallisierte, dass keine weiterführende Beratung stattgefunden hatte. Das Landgericht Stuttgart (Urteil vom 24.05.2024 – Az: 3 O 254/22) verurteilte den Krankenversicherer, den Kunden so zu stellen, wie er bei einer ordentlichen Nachversicherung auch in der Pflegetagegeldversicherung bestanden hätte. Das betrifft die Herstellung des Versicherungsschutzes und eben auch konkrete Leistung aus der Pflegetagegeldversicherung. Der Versicherer hat aber Berufung eingelegt, so dass der Prozess beim Oberlandesgericht Stuttgart weitergeführt wird. (bh)
Über weitere Urteile informiert die Kanzlei Jöhnke & Reichow auf ihrer Website. Der Newsletter der Kanzlei kann hier bestellt werden.
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können