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27. November 2021
AGCS: Verluste ausgleichen, Gleichgewicht herstellen

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Verluste ausgleichen, Gleichgewicht herstellen

AGCS: Verluste ausgleichen, Gleichgewicht herstellen

Die AGCS hat sich neu ausgerichtet und arbeitet an der Profitabilität. Auch in einem harten Markt sieht sich der Versicherer als Partner der Industrie. Vor dem Hintergrund steigender Risiken allerdings muss der Versicherer auch das Portfoliomanagement und die Kumulkontrolle in den Fokus rücken.

Interview mit Hans-Jörg Mauthe, Regional Managing Director der Region Zentral- und Osteuropa bei der Allianz Global Corporate & Specialty
Versicherungsmakler und Industriekunden beklagen den harten Markt in der Industrieversicherung. Beruhigt sich der Markt nun allmählich, was Prämienerhöhungen, Limits und Kapazitätsreduzierungen angeht?

Ich würde sagen, der Sturm hat sich gelegt, aber ein paar kräftige Böen sind immer noch vorhanden. Wir hatten in der Tat im vergangenen Jahr anspruchsvolle Diskussionen um Prämien, Deckungsumfänge und Kapazitäten – auch getrieben durch einige Portfoliomaßnahmen, die wir mit Blick auf unsere neue Ausrichtung umgesetzt haben. Mittlerweile sind diese Maßnahmen weitestgehend abgeschlossen und wir befinden uns mit allen Marktteilnehmern in sehr konstruktiven Gesprächen in den jeweiligen Renewals.

Trotzdem haben wir in den letzten Quartalen weiterhin einen verhärteten Markt in Deutschland gesehen, und dafür gibt es zwei Gründe: Erstens hatten sich Risikoseite und Prämien über Jahre immer weiter auseinanderentwickelt, was in den Bilanzen vieler Versicherer zu einer Erosion der Kapitalbasis und der Reserven geführt hat. Die AGCS hat etwa seit 2015 eine durchschnittliche Combined Ratio von 106% erzielt. Das bedeutet, dass wir 6 Euro für jede 100 Euro Prämieneinnahmen verloren haben. Leider lassen sich diese langjährigen Verluste aber nicht in einem Jahr ausgleichen. Es wird noch etwas dauern, bis das Gleichgewicht wieder hergestellt ist.

Als Versicherer müssen wir die Kosten für das in uns investierte Kapital verdienen und die Reserven für künftige Zyklen wieder stärken. Zweitens müssen wir auch steigenden Risiko- und Schadenbelastungen Rechnung tragen. Die Welt, in der wir leben, ist deutlich riskanter geworden. Frequenz- wie auch Großschäden haben in den letzten Jahren zugenommen. Insbesondere sehen wir eine höhere Konzentration von Vermögenswerten und immer mehr Auslöser, die zu Betriebs- und Lieferkettenunterbrechungen führen können. Cyberrisiken nehmen drastisch zu, wir erleben ja gerade eine Ransomware-Welle. Social Inflation verursacht höhere Haftpflichtschäden in den USA. Der Klimawandel führt zu mehr extremen Wetterereignissen, wie uns die Flut in Westdeutschland diesen Sommer vor Augen geführt hat. Diese Risikotrends müssen wir im Underwriting berücksichtigen.

Welche Sparten und welche Branchen bleiben aber besonders problematisch?

Die D&O-Versicherung in Deutschland befindet sich unverändert in einer angespannten Situation. Die Schadenentwicklung war über Jahre defizitär und die Kapitalreserven sind aufgezehrt. Darauf mussten wir reagieren. Zugleich war das Haftungsrisiko für Führungskräfte noch nie so groß wie heute. Das aktuelle Umfeld bietet geradezu ideale Bedingungen, Vorstände und Aufsichtsräte in Haftung zu nehmen und Klagen anzustrengen. Die Mischung aus Covid, einem zunehmenden Trend zu Sammelklagen und einer Insolvenzwelle sehen wir sehr kritisch. Trotzdem werden aus globaler Sicht in keinem anderen Land so hohe Kapazitäten aus einer Hand angeboten – bei dem wahrscheinlich weitest­gehenden Bedingungsumfang – wie in Deutschland.

Auch der Bereich Haftpflicht war im vergangenen Jahr stark im Fokus der Versicherer, vor allem aufgrund großer Schäden im Rückruf-Segment. Infolgedessen haben wir unser Haftpflichtbuch neu ausbalanciert, wir haben unser Engagement dort zurückgefahren, wo wir zu sehr ins Risiko gegangen waren, insbesondere im Bereich Automobilrückrufe in Deutschland und Europa und in Bezug auf US-Risiken, die den sozialen Inflationstrends ausgesetzt sind. Wir suchen jetzt aber wieder nach profitablem Wachstum auch in Haftpflicht.

Wir sehen weiterhin Herausforderungen in der Schifffahrtsversicherung, hier ist der Markt bei Weitem nicht so hart wie in anderen Branchen, weil es weiterhin ausreichend Kapazitäten gibt. Und auch in der Luftfahrtversicherung bleibt die Risikolage kompliziert, weil durch die Rückkehr von Piloten mit langer Flugpause oder die Umstellung der Flotten auf kleinere Jets durchaus Herausforderungen auf die Branche zukommen.

 
Ein Interview mit
Hans-Jörg Mauthe