Gefahr der Unterversicherung
Hier lauert die Gefahr: Zu beobachten ist, dass Versicherer Standard-GDV-Klauseln (mit Vollwertprinzip O verwenden, ohne die Regelungen zur Versicherungssumme abweichend zu regeln. Die Folgen können fatal sein, da eine Erst-Risiko-Summe in aller Regel bei Weitem nicht dem Gesamtwert des ortsüblichen Neubauwertes entsprechen wird. Bei Wahl einer „Ausschnitts-Versicherungssumme“ wird im Schadenfall eine erhebliche Unterversicherung angerechnet mit der Folge, dass der Versicherer die Ersatzleistung im entsprechenden Verhältnis kürzt.
Wie kann es bei Versicherern zu diesem ungewollten handwerklichen Fehler kommen?
Besonders zu versichernde Sachen
Gegenständlich ist neben der Deckung für den Bestandsbau das Verbauen besonders sensibler Elemente wie Medizintechnik, Stromerzeugungs-, Datenverarbeitungs- oder sonstiger selbstständiger elektronischer Anlagen. Auch im Zusammenhang mit dem Neubau stehende maschinelle Einrichtungen für Produktionszwecke oder aufwendige Ausstattung und kunsthandwerklich bearbeitete Bauteile sowie Bestandteile mit besonders hohem Kunstwert können über diese Klausel Versicherungsschutz erhalten.
Exklusiv – also nur – für diese Sachen bzw. auch die Schadensuchkosten sieht die Klausel eine Nutzung der Erst-Risiko-Summe und nicht das Vollwertprinzip vor. Für die Absicherung der Bestandsbauten gilt jedoch: Entspricht die gewählte Versicherungssumme nicht dem Versicherungswert, besteht eine Unterversicherung. Am Markt liest man jedoch in Policen bzw. Deklarationen eine pauschale Regelung wie: „Altbauten auf Erstes Risiko: Versicherungssumme XX Euro“. Hier verursacht der Versicherer eine unsichere Deckungslage.
Die gute Nachricht: In den neuen, überarbeiteten Bedingungen ABBL wurde diesem Umstand Rechnung getragen. Bei allen drei Klauseln wird nun die Versicherungssumme auf Erstes Risiko gebildet. Die offenbar die Verwirrung um den Versicherungswert auslösenden Sonderbaubestände (Medizintechnik, Energieversorgung und Bestandteile von besonderem Kunstwert) sind aus den Klauseln herausgelöst und separiert worden. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass die Anwendung der ABBL noch nicht sonderlich ausgeprägt ist.
Bei Erst-Risiko-Position die Folgen bedenken
Versicherer sind gut beraten, sich beim Abstellen auf eine Erst-Risiko-Position der Konsequenzen bewusst zu sein. Faktisch übernimmt die Bauleistungsversicherung für den in Baumaßnahmen verwickelten Bestandsbau die Rolle des Gebäudeversicherers. Statt jedoch wie bei Gebäudeversicherungen üblich den gesamten Wert des in Risiko stehenden Objektes mit Prämie zu belegen, wird auf einen Betrag abgestellt, den der Versicherungsnehmer als Höchstschadenpotenzial ermittelt hat. Unabhängig davon, was dem Bestandsbau widerfährt und auch an welcher Stelle, steht der Versicherer bis zum vereinbarten Betrag in der Pflicht: Der Versicherer leistet Entschädigung für unvorhergesehen eintretende Beschädigungen oder Zerstörungen an den versicherten Altbauten und an sonstigen versicherten Sachen. Ein Ursachenzusammenhang mit den Neubauarbeiten ist nicht erforderlich.
Beweislast im Schaden
Ignoriert der Versicherungsnehmer die Obliegenheit, vor Beginn der Bauarbeiten den Zustand des Altbaus zu dokumentieren, stehen ihm schwere Zeiten bevor. Ohne entsprechende Dokumentation ist es für den Versicherungsnehmer ungleich schwerer, den Beweis zu erbringen, dass ein Schaden während der Bauzeit eingetreten und nicht schon vorher existent war. In der Praxis werden hierzu meist Sachverständige beauftragt und ein „Beweissicherungsverfahren“ durchgeführt. Die Obliegenheiten verpflichten den Versicherungsnehmer darüber hinaus, den Zustand während der Bauzeit zu überwachen, um rechtzeitig Maßnahmen treffen zu können, wenn ein möglicher Schaden droht. Vorhandene Risse im Mauerwerk sind zu markieren und zu überwachen. In der Praxis werden diese durch sogenannte Gipsmarken kenntlich gemacht. Verletzt der Versicherungsnehmer diese Obliegenheiten (vorsätzlich oder grob fahrlässig), so kann der Versicherer möglicherweise zur Kündigung berechtigt oder gar in Gänze leistungsfrei sein.
Fazit
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass gerade bei der Vereinbarung von Altbauklauseln ein besonderer Beratungsbedarf besteht. Hintergründe der Versicherungssummenbildung und der besonderen Obliegenheiten sollten dem Versicherungsnehmer transparent geschildert werden. Eine fundierte Beratung durch den Makler oder Versicherungsvermittler ist hierbei unerlässlich.
Praxisleitfaden
In ihrem Ratgeber „Technische Versicherungen – Leitfaden für die Praxis“ stellen Stephan Schmitz und Andreas Knittel unter anderem wichtige Klauseln im Bereich der technischen Versicherung vor. Die 2. Auflage enthält aktuelle Markt- und Bedingungsentwicklungen sowie ein neues Kapitel zur Betriebsunterbrechungsversicherung. Beispiele und grafische Darstellungen machen komplexe Themen leicht verständlich.
Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 04/2025 und in unserem ePaper.
Seite 1 Absicherung Bestandsbau und die Altbauklauseln
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