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27. April 2025
Absicherung Bestandsbau und die Altbauklauseln
Absicherung Bestandsbau und die Altbauklauseln

Absicherung Bestandsbau und die Altbauklauseln

Bei der Versicherung der Bestandsbauten, die an Neubauprojekte angrenzen, bestehen für Vermittler Unsicherheiten. Die Absicherung der Neubauten ist marktweit meist einheitlich, bei der Vereinbarung der „Altbau-Klauseln“ aber gibt es große Unterschiede, die in der Beratung zu beachten sind.

Ein Artikel von Stephan Schmitz, Leiter Produktmanagement Technische Versicherungen bei der Gothaer Allgemeine Versicherung, Teil der BarmeniaGothaer, und Andreas Knittel, Produktmanager für Technische Versicherungen bei der HDI Versicherung AG

Es wird noch immer gebaut in Deutschland: mit einem jährlichen Bauvolumen von über 400 Mrd. Euro beschäftigt die Bauwirtschaft die Bauleistungsversicherer in Deutschland in nicht unbeträchtlicher Weise.

Nicht jede Bauaktivität findet jedoch auf der sprichwörtlichen grünen Wiese statt. Zunehmend werden Bestandsgebäude ausgebaut oder aufgestockt. Baulücken werden geschlossen und wertvoller zusätzlicher Wohnraum in attraktiven Wohnlagen erschlossen.

Wenn es um die Absicherung der Neubauleistung geht, ist der Deckungsumfang in den Standardprodukten der Versicherer in aller Regel bereits gut bis sehr gut, auch mutige Deckungserweiterungen (wie beispielsweise der einfache Diebstahl von lagerndem Baumaterial) schleichen sich in die Pauschaldeklarationen. Wie steht es jedoch um die Absicherung der Bestandsimmobilien, an denen oder in deren direkter Nachbarschaft die Bauaktivitäten vollzogen werden?

Einbeziehung der Bestands­immobilie

Bei größeren Eingriffen in die Bestandsimmobilie mit der Folge, dass diese ihre Bezugsfertigkeit verliert bzw. für ihren Zweck nicht mehr benutzbar ist – wie etwa die Entfernung des Daches, der Türen und Fenster –, wird der Versicherungsschutz der Gebäudeversicherung eingeschränkt oder gänzlich ausgesetzt. Die Bestandsimmobilie erleidet infolgedessen Deckungsnotstand.

Will man den Wert seiner Bestandsimmobilie versichern, bieten sich – als Zusatzdeckung zur Bauleistungsversicherung – drei Optionen an:

1. Mitversicherung von Altbauten gegen Einsturz

Versichert sind Altbauten, also vorhandene Bauwerke, die im Zuge versicherter Bauleistungen am Neubau unmittelbar bearbeitet werden. Dies können Eingriffe in die tragende Konstruktion sein, aber auch eine Unterfangung des Altbaus.

Das heißt auch, dass eine Altbaudeckung nicht ohne den Neu- und Umbau abgeschlossen werden kann. Versichert ist in dieser Klausel der Einsturz infolge von Arbeiten an der Altbauleistung. Ziel des Einschlusses ist Deckung für den „Katastrophenschaden“, wenn beispielsweise plötzlich keine Standsicherheit des Gebäudes mehr vorhanden ist.

Wurde die Bauleistung auf Grundlage der früheren „Allgemeinen Bedingungen für die Bauleistungsversicherung durch Auftraggeber (ABN)“ abgeschlossen, lautet die Klausel „TK 5155“, bei Basis „Allgemeine Bedingungen für die Bauleistungsversicherung“ (ABBL) ist es die Klausel „TK A 5120“.

2. Mitversicherung von Altbauten gegen Sachschäden

Mit dieser Klausel sollen nicht nur die oben beschriebenen Katastrophengefahren versichert sein. Über diese hinaus gelten sämtliche Schäden am Altbau als versichert, die infolge des Neubaus entstehen. Zudem gilt Versicherungsschutz für Schäden durch Leitungswasser, Sturm und Hagel. Dieser Schutz wird benötigt, da die Gebäudeversicherung während der Umbauphase (und fehlenden/verlorenen Bezugsfertigkeit) keine Deckung mehr für diese Gefahren bietet. Die Klausel begrenzt ihre Leistung jedoch dadurch, dass Schäden durch Brand und Diebstahl unversichert bleiben, ebenfalls Einsturzschäden und Risse, die infolge von Eingriffen in die tragende Konstruktion der Altbauten bzw. deren Unterfangung oder bei Rammarbeiten eintreten. Gleiches gilt, wenn Risse oder Einstürze darauf zurückzuführen sind, dass Veränderungen der Grundwasserverhältnisse stattfanden oder diese durch Setzungen entstehen. Auch Schönheitsreparaturen und Reinigungskosten bleiben bei dieser Klausel außerhalb der Deckung.

Sofern die Baumaßnahme dies erfordert, kann die Klausel dahingehend erweitert werden, dass medizinisch-technische Einrichtungen und Laboreinrichtungen, Stromerzeugungsanlagen, Datenverarbeitungs- und sonstige selbstständige elektronische Anlagen, maschinelle Einrichtungen für Produktionszwecke sowie aufwendige Ausstattung und kunsthandwerklich bearbeitete Bauteile sowie Bestandteile von unverhältnismäßig hohem Kunstwert mit einer Erstrisikoposition Deckung erhalten.

Wurde die Bauleistung auf Grundlage der ABN abgeschlossen, lautet die Klausel „TK 5180“, bei Basis ABBL „TK A 5121“. Eine Erweiterung der versicherten Sachen auf Bestandteile von unverhältnismäßig hohem Kunstwert entfällt und kann über die neue TK A 5112 gesondert vereinbart werden. Medizinisch- und labortechnische Anlagen finden ihre Deckung in TK A 5110, die Energieversorgung in TK A 5111. Wünscht man Deckung für maschinelle Einrichtungen für Produktionszwecke, muss man Versicherungsschutz über eine Montageversicherung (AMoB) erlangen.

3. Umfassende Versicherung von Altbauten

Die umfangreichste der drei Altbauklauseln lehnt sich vom Aufbau her stark an die vorhergehende Klausel (ABN TK 5180) an. Der Versicherungsschutz entspricht im Wesentlichen einer Allgefahrendeckung.

Unvorhersehbare Beschädigungen und Zerstörungen am Altbau (und den sonstigen vereinbarten Sachen, siehe Klausel zuvor) gelten versichert. Das umfasst auch Einsturzschäden gemäß Klausel ABN TK 5155. Der Versicherungsschutz der sehr weitgehenden Altbauklausel wird über Ausschlüsse limitiert; diese beinhalten die Ausschlüsse der TK 5180 (wie Brand, Diebstahl, spezielle Auslöser von Einstürzen und Rissen) wie auch Schäden durch bekannte Mängel, Abnutzungen und bekannte Reparaturbedürftigkeit eingesetzter Sachen. Wurde die Bauleistung auf Grundlage der ABN abgeschlossen, lautet die Klausel „TK 5181“, bei Basis ABBL „TK A 5122“.

Fallstricke der Vertragsgestaltung

So sinnvoll und umfangreich die Klauseln sind, werden jedoch oft „Fallstricke“ in den Altbauklauseln übersehen:

Viele beachten nicht, dass das Wesen der Versicherungssummen in den drei Klauseln unterschiedlich geregelt ist. Während die Versicherungssumme bei der Klausel TK 5155 (Altbauten gegen Einsturz) auf Erstes Risiko gebildet wird, ist in den anderen beiden Klauseln bedingungsgemäß der ortsübliche Neubauwert anzusetzen – in voller Höhe (Vollwertprinzip: Versicherungssumme muss Versicherungswert entsprechen, ansonsten Anrechnung einer Unterversicherung).

Die Bestimmung des Versicherungswertes ist allerdings nicht immer einfach und bedarf in der Regel einer gutachterlichen Bewertung. Abweichend von den Bestimmungen kann auch bei den beiden umfangreicheren Klauseln vom Vollwertprinzip abgewichen werden und auf eine Versicherung auf erstes Risiko abgestellt werden. Dies bedarf einer ausdrücklichen Vereinbarung. Der Versicherer muss in dem Fall auch seine Prämiensätze dahingehend anpassen, dass er nun nur auf einen Bruchteil des Risikos seine Prämien erhebt. Die Besonderheit der Versicherungssumme auf Erstes Risiko ist, dass ein Schaden unabhängig vom Versicherungswert bis zur Höhe der vereinbarten Versicherungssumme entschädigt wird; folglich kann hierfür auch keine Unterversicherung angerechnet werden. Dabei soll die Höhe der Versicherungssumme der Altbauten dem größten denkbaren Schaden am Altbau entsprechen.

Gefahr der Unterversicherung

Hier lauert die Gefahr: Zu beobachten ist, dass Versicherer Standard-GDV-Klauseln (mit Vollwertprinzip O verwenden, ohne die Regelungen zur Versicherungssumme abweichend zu regeln. Die Folgen können fatal sein, da eine Erst-Risiko-Summe in aller Regel bei Weitem nicht dem Gesamtwert des ortsüblichen Neubauwertes entsprechen wird. Bei Wahl einer „Ausschnitts-Versicherungssumme“ wird im Schadenfall eine erhebliche Unterversicherung angerechnet mit der Folge, dass der Versicherer die Ersatzleistung im entsprechenden Verhältnis kürzt.

Wie kann es bei Versicherern zu diesem ungewollten handwerklichen Fehler kommen?

Besonders zu versichernde Sachen

Gegenständlich ist neben der Deckung für den Bestandsbau das Verbauen besonders sensibler Elemente wie Medizintechnik, Strom­erzeugungs-, Datenverarbeitungs- oder sonstiger selbstständiger elektronischer Anlagen. Auch im Zusammenhang mit dem Neubau stehende maschinelle Einrichtungen für Produktionszwecke oder aufwendige Ausstattung und kunsthandwerklich bearbeitete Bauteile sowie Bestandteile mit besonders hohem Kunstwert können über diese Klausel Versicherungsschutz erhalten.

Exklusiv – also nur – für diese Sachen bzw. auch die Schadensuchkosten sieht die Klausel eine Nutzung der Erst-Risiko-Summe und nicht das Vollwertprinzip vor. Für die Absicherung der Bestandsbauten gilt jedoch: Entspricht die gewählte Versicherungssumme nicht dem Versicherungswert, besteht eine Unterversicherung. Am Markt liest man jedoch in Policen bzw. Deklarationen eine pauschale Regelung wie: „Altbauten auf Erstes Risiko: Versicherungssumme XX Euro“. Hier verursacht der Versicherer eine unsichere Deckungslage.

Die gute Nachricht: In den neuen, überarbeiteten Bedingungen ABBL wurde diesem Umstand Rechnung getragen. Bei allen drei Klauseln wird nun die Versicherungssumme auf Erstes Risiko gebildet. Die offenbar die Verwirrung um den Versicherungswert auslösenden Sonderbaubestände (Medizintechnik, Energieversorgung und Bestandteile von besonderem Kunstwert) sind aus den Klauseln herausgelöst und separiert worden. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass die Anwendung der ABBL noch nicht sonderlich ausgeprägt ist.

Bei Erst-Risiko-Position die Folgen bedenken

Versicherer sind gut beraten, sich beim Abstellen auf eine Erst-Risiko-Position der Konsequenzen bewusst zu sein. Faktisch übernimmt die Bauleistungsversicherung für den in Baumaßnahmen verwickelten Bestandsbau die Rolle des Gebäudeversicherers. Statt jedoch wie bei Gebäudeversicherungen üblich den gesamten Wert des in Risiko stehenden Objektes mit Prämie zu belegen, wird auf einen Betrag abgestellt, den der Versicherungsnehmer als Höchstschadenpotenzial ermittelt hat. Unabhängig davon, was dem Bestandsbau widerfährt und auch an welcher Stelle, steht der Versicherer bis zum vereinbarten Betrag in der Pflicht: Der Versicherer leistet Entschädigung für unvorhergesehen eintretende Beschädigungen oder Zerstörungen an den versicherten Altbauten und an sonstigen versicherten Sachen. Ein Ursachenzusammenhang mit den Neubauarbeiten ist nicht erforderlich.

Beweislast im Schaden

Ignoriert der Versicherungsnehmer die Obliegenheit, vor Beginn der Bauarbeiten den Zustand des Altbaus zu dokumentieren, stehen ihm schwere Zeiten bevor. Ohne entsprechende Dokumentation ist es für den Versicherungsnehmer ungleich schwerer, den Beweis zu erbringen, dass ein Schaden während der Bauzeit eingetreten und nicht schon vorher existent war. In der Praxis werden hierzu meist Sachverständige beauftragt und ein „Beweissicherungsverfahren“ durchgeführt. Die Obliegenheiten verpflichten den Versicherungsnehmer darüber hinaus, den Zustand während der Bauzeit zu überwachen, um rechtzeitig Maßnahmen treffen zu können, wenn ein möglicher Schaden droht. Vorhandene Risse im Mauerwerk sind zu markieren und zu überwachen. In der Praxis werden diese durch sogenannte Gipsmarken kenntlich gemacht. Verletzt der Versicherungsnehmer diese Obliegenheiten (vorsätzlich oder grob fahrlässig), so kann der Versicherer möglicherweise zur Kündigung berechtigt oder gar in Gänze leistungsfrei sein.

Fazit

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass gerade bei der Vereinbarung von Altbauklauseln ein besonderer Beratungsbedarf besteht. Hintergründe der Versicherungssummenbildung und der besonderen Obliegenheiten sollten dem Versicherungsnehmer transparent geschildert werden. Eine fundierte Beratung durch den Makler oder Versicherungsvermittler ist hierbei unerlässlich.

Absicherung Bestandsbau und die Altbauklauseln

Praxisleitfaden

In ihrem Ratgeber „Technische Versicherungen – Leitfaden für die Praxis“ stellen Stephan Schmitz und Andreas Knittel unter anderem wichtige Klauseln im Bereich der technischen Versicherung vor. Die 2. Auflage enthält aktuelle Markt- und Bedingungsentwicklungen sowie ein neues Kapitel zur Betriebsunterbrechungsversicherung. Beispiele und grafische Darstellungen machen komplexe Themen leicht verständlich.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 04/2025 und in unserem ePaper.

 
Ein Artikel von
Andreas Knittel
Stephan Schmitz