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6. September 2023
„Hohes Maß an Loyalität vonseiten unserer Geschäftspartner“
„Hohes Maß an Loyalität vonseiten unserer Geschäftspartner“

„Hohes Maß an Loyalität vonseiten unserer Geschäftspartner“

Die Haftpflichtkasse konnte letztes Jahr einen Rekordgewinn verzeichnen und liegt bei den wichtigsten Kennzahlen im laufenden Jahr über Plan. Nach überstandener Cyberattacke und fast abgeschlossener Abwicklung in der Betriebsschließungsversicherung blickt der Maklerversicherer optimistisch nach vorne.

Interview mit Roland Roider, Vorstandsvorsitzender der Haftpflichtkasse
Herr Roider, AssCompact gratuliert zum Jubiläum der Haftpflichtkasse. Sind 125 Jahre ein Pfund, mit dem man wuchern kann, oder wirkt das heute fast zu traditionell?

Ich glaube, die Schere zwischen Erfahrung und Modernität zeigt eine gewisse Ambivalenz auf. Wie innovativ und modern kann ein Unternehmen sein, wenn es 125 Jahre alt ist? Aber ich sage immer: Keine Zukunft ohne Herkunft. Und deswegen ist es wichtig, sich auf die eigenen Stärken zu besinnen und daraus abzuleiten, was die eigene Identität für den Markt bedeutet. Und auf der anderen Seite müssen wir trotz langjähriger Expertise wachsam sein, um uns anzupassen und um innovativ zu bleiben. Nur so können wir das Unternehmen in eine erfolgreiche Zukunft zu führen.

Womit wir auch schon beim Thema Transformation sind. Alles scheint sich immer mehr zu beschleunigen.

Wir haben in der Tat eine Vielzahl an aktiven Themen und müssen uns der dynamischen Marktgeschwindigkeit stellen. Diese gilt aber nicht nur für den Ver­sicherungsbereich. Unser Forecast kann also heute gar nicht mehr so langfristig orientiert sein, es ist entscheidend, dass wir uns in kurzen Abständen an Veränderungen anpassen können.

Die Haftpflichtkasse war zuletzt von zwei solcher im Grunde übergreifender Ereignisse betroffen. Könnte man sagen, dass 2022 das Jahr war, in dem das Unternehmen wieder auf Kurs kam?

Sie sprechen die Auswirkung der Corona-Pandemie mit den strittigen Punkten beim Versicherungsschutz in der Betriebsschließungsversicherung und den Hackerangriff an. Ich bin der Meinung, dass das Geschäftsmodell der Haftpflichtkasse auch in der Zeit dieser beiden Ereignisse sehr stabil war. Das zeigt im Übrigen auch, dass wir 2020, als wir das Thema Betriebsschließungsversicherung im Kontext der Pandemie erlebten, aus dem laufenden Geschäft heraus einen Rekordgewinn verzeichnet hätten. Und selbst im Jahr des Hackerangriffs haben wir ein aus meiner Sicht hervorragendes Ergebnis mit 17 Mio. Euro nach Steuern abgeliefert. Also, das heißt, das Geschäfts­modell der Haftpflichtkasse war auch während dieser Ereignisse sehr robust.

Vielmehr war es unser Ziel, nach außen einen posi­tiven Umgang mit den Herausforderungen zu zeigen und nach innen aus dem Selbstverständnis der Mitarbeiter und des Unternehmens heraus die notwendige Resilienz zu entwickeln. Wirtschaftlich steht die Haftpflichtkasse sehr stabil und gut eigenkapitalisiert da.

Trotzdem macht rund um die Betriebsschließungs­versicherung eine Combined Ratio von über 150% etwas mit einem Versicherer, oder?

Ja, natürlich. Wir haben uns intensiv mit recht­lichen Unsicherheiten auseinandergesetzt, die uns vor große Herausforderungen stellten. Rückblickend ist es uns jedoch gelungen, diese Schwierigkeiten zu überwinden. Und aus meiner Sicht ist es auch eine besondere Stärke der Haftpflichtkasse, einen sehr ruhigen und seriösen Umgang mit diesen Herausforderungen gepflegt zu haben.

Ist die Betriebsschließungsversicherung für Sie abgeschlossen?

Die Betriebsschließung haben wir in den Run-off geschickt. Aber das Thema ist noch in Abwicklung, auch wenn der Großteil der Schadenfälle abgearbeitet ist. Wir gehen davon aus, die noch offenen Fälle bis Ende 2024 abschließend bearbeiten zu können.

Zur Cyberattacke: Sind Sie hier nun Spezialist und Ratgeber in diesem Bereich?

Mir geht es vor allem darum, unsere Erfahrungen im Notfall- und Business Continuity Management weiterzugeben, um einen Beitrag zur Sicherheit zu leisten. In diesem Zusammenhang habe ich bisher drei Vorträge bei verschiedenen Fachveranstaltungen gehalten.

Hat der Vorfall hohe Investitionen in den Cyberschutz nach sich gezogen?

Wir haben bereits erhebliche Investitionen getätigt, und diese Anstrengungen haben sich auch nach dem Cyberangriff fortgesetzt. Unsere Organisa­tion ist tief sensibilisiert, und IT-Sicherheit wird bei uns nicht nur gelebt, sondern ist fest in unseren täglichen Abläufen verankert. Eine kontinuierliche Anpassung des Cyberschutzes ist für uns selbstverständlich, und daher hat sich an unserer Herangehensweise kaum etwas verändert.

Hat die Haftpflichtkasse viel Vertrauen verloren?

Wir können – nach zwei Jahren, glaube ich, kann man das seriös sagen – feststellen, dass es keine spürbaren Veränderungen gegeben hat. Das liegt wesentlich an zwei Faktoren: Wir haben immer klar und transparent, offen und ehrlich kommuniziert. Der zweite Faktor ist, dass wir offensichtlich ein hohes Maß an Loyalität vonseiten unserer Geschäftspartner genießen. Das ist für mich in meinem Berufsleben mit das einprägsamste Erlebnis gewesen, mit welcher starken Loyalität unsere Partner uns begegnet sind. Das fand ich herausragend.

Wie läuft dann aktuell das Geschäft?

Wir haben 2022 mit Rekordgewinn abgeschlossen, 21 Mio. Euro nach Steuern bei einer Beitragseinnahme von 240 Mio. Euro. Ich denke, das ist ein ganz ordent­liches Verhältnis. Und die ersten Monate, das erste Halbjahr 2023, ist hervorragend gelaufen. Wir liegen ein Stück über Plan. Das betrifft sowohl das Bestandswachstum als auch den bilanziellen Wert, also den Ertragswert.

Taxiert ist ein Beitragsplus von 2,7% …

Wir haben uns bis Ende des Jahres eine Beitragseinnahme von 250 Mio. Euro vorgenommen. 125 Jahre, 250 Mio. Euro im Beitrag, das war unser Ziel. Die 250 Mio. haben wir jetzt im Juni überschritten und sind damit ein gutes Stück der Planung voraus.

Nun wissen wir aus der Vergangenheit, dass das erste Halbjahr als Indikator dient, jedoch können sich noch viele Entwicklungen ergeben. Wir fokussieren uns also weiter und hoffen ein Stück weit, dass außergewöhnliche Schadenereignisse, die das Ergebnis belasten könnten, ausbleiben.

Den Blick nach vorne richtet eine Strategie bis 2025 – mit welchen Schwerpunkten?

Die Strategie nennt sich „Gemeinsam exzellent. 2025“. Sie basiert auf fünf Säulen: Es ist eine Strategie für Vertrieb und Marketing, für Service und Schaden, für Produktmanagement, für IT und Digitalisierung und last, but not least für Mitarbeitende und Organisation.

Am Ende des Tages geht es darum, dass wir die Unabhängigkeit des Unternehmens über die Stabilität der wirtschaftlichen Ergebnisse sichern. Das ist die Grundlage für die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Dann ist uns wichtig, die Position der Haftpflichtkasse im Maklermarkt zu behaupten, wenn möglich, auch auszubauen.

Nun hat sich die Combined Ratio der Haftpflichtkasse deutlich verbessert. Könnte die Ertragskraft aufgrund der Inflation und höherer Kosten beeinträchtigt werden?

Im Jahr 2022 haben wir mit einer Combined Ratio von 80,5 % deutlich besser abgeschnitten als vor Corona. 2023 müssen wir abwarten. Uns kommt aber sicherlich entgegen, dass wir kein Kfz-Geschäft und kein Wohn­gebäude-Geschäft betreiben. Dort finden nach meiner Kenntnis die größten Steigerungen auf der Schadenseite statt – aufgrund steigender Reparatur-, Handwerker- und Materialkosten.

Wir sehen aber trotzdem, dass es zu Teuerungen kommt. Im Moment ist das kein Anlass zur Sorge, aber wie vorhin gesagt, wir wissen nicht, was das Jahr an Schadenereignissen noch bringt. In Verbindung mit Inflation würde ich im Moment wiedergeben wollen, dass das mit den notwendigen Rückstellungen, die wir vorher schon gebildet haben, durchaus gut gespeist ist.

Könnte man die Konzentration auf bestimmte Segmente auch als Cherry Picking bezeichnen?

Unser Geschäftsansatz beruht auf der Zeichnung nur jener Risiken, die wir umfassend verstehen, um  O unseren Partnern eine zuverlässige Grundlage zu bieten. Diese Spezialisierung verleiht uns die notwendige Stabilität und macht uns zu einem verlässlichen Partner für die Zusammenarbeit mit Maklern.

Zu Ihrer Strategie gehört auch eine Veränderung der Betreuungsstruktur. Wie sieht diese aus?

Wir sind dabei, den Maklervertrieb neu aufzusetzen. Wir sortieren mehr nach Vertriebswegen und belegen das mit entsprechenden Key Accounts. Die Anforderungen der einzelnen Vertriebswege sind unterschiedlich, und das bilden wir mit der neuen Struktur ab. An der Strategie, dass wir uns als Maklerversicherer sehen, ändert sich nichts.

Geht es auch Richtung Digitalversicherer?

Das ist kein präferierter Weg. Wir zeichnen schon seit langer Zeit Direktgeschäft im Online-Bereich. Wir sind dort allerdings kaum aktiv tätig. Wir unter­scheiden aber in der Betreuung heute zum Beispiel zwischen dem klassischen mittelständischen Makler, dem Poolmakler, dem mittelständischen kleineren Makler, der Plattform, dem Verbund und natürlich auch dem Vergleicher.

Am Maklermarkt passiert gerade sehr viel. Makler­einheiten werden größer. Mit welcher Wirkung?

Wenn nun weniger Marktteilnehmer das Geschäft bestimmen, ändert sich etwas im Verhältnis der Geschäftspartner zueinander. Über mehr Macht­gewinn lässt sich natürlich auch anders verhandeln. Wir stellen aber fest, dass es für die Partner nach wie vor sehr wichtig ist, nicht nur auf die Courtage zu schauen, sondern vor allem auch: Welches Leistungspaket bekomme ich? Wie gut ist der Service? Wie schnell und reibungslos erfolgt die Bearbeitung von Vermittleranliegen? Es wird um ein Gesamtpaket verhandelt und wir positionieren uns so, dass wir in diesem genannten Mix eine gute Rolle spielen.

Wie sehr bereitet es der Haftpflichtkasse Sorgen, dass es um die Konjunktur in Deutschland nicht zum Besten bestellt ist?

Die rezessive Tendenz wird Wirkung im Firmenkundengeschäft haben. Nun muss man sehen, auf welche Branche die Abschwächung abfärbt. Die Haftpflichtkasse versichert kein produzierendes Gewerbe. Wir sind im Baugewerbe kaum tätig, nur im Baunebengewerbe. Insofern betreffen uns Veränderungen in diesem Branchenmix weniger. Dann gibt es Branchen, die prosperieren, und natürlich schaut man, ob man neue Geschäftsfelder entdecken kann. Das ist das, was wir auch in unserer Produktstrategie entsprechend hinterlegt haben.

Was das Privatkundengeschäft betrifft, leben wir seit vielen Jahren in einem sehr preissensitiven Markt. Daran wird sich nichts ändern und die Haftpflichtkasse besitzt ein außergewöhnlich gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. In den Bereichen, in denen wir tätig sind, bewegen sich die Prämien auch nicht auf so hohem Niveau, dass ein Verzicht auf diesen Versicherungsschutz das Gesamtbudget eines Verbrauchers stark entlasten würde.

Wie sehr beschäftigt sich die Haftpflichtkasse mit Nachhaltigkeit?

Nachhaltigkeit ist nicht nur soziokulturell, sondern auch aus der Regulierung heraus ein Megathema. Wir streben aktiv eine Nachhaltigkeitsberichterstattung an und bereiten uns auch aus eigener Überzeugung darauf vor.

Zudem haben wir uns im vergangenen Jahr einem Nachhaltigkeitsaudit von Assekurata unterzogen. Wir wollten uns auch an der Stelle noch mal sensibilisieren: Wo sind unsere Stärken? Wo müssen wir nachbessern? Wir sprechen bei Nachhaltigkeit nicht ausschließlich über das Thema Environment, sondern auch über die Social- und Governance-Kompetente.

Insofern liegt der Ursprung einer erfolgreichen nachhaltigen Entwicklung in der Kultur des Unternehmens – aus meiner Sicht ist das ganz wesentlich. Und gerade als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit mit über 125-jähriger Erfahrung sind wir dem Thema Nachhaltigkeit verpflichtet.

Das nächste Schlagwort unserer Zeit ist KI. Wie weit ist Ihr Haus an der Stelle?

Zunächst einmal arbeiten wir mit KI seit 1996. OCR-Schriftgut-Erkennung ist bei uns seit Jahrzehnten eingesetzt. Was aktuell neu ist, dass ist die Entwicklungsgeschwindigkeit und die Anwendbarkeit in breiteren Themenstellungen. Aus meiner Sicht wird dies eine große Revolution geben. Wir sind Mitglied im Digital Impact Lab bei den Versicherungsforen seit inzwischen über fünf Jahren und beschäftigen uns mit den Themen der Transformation durch KI schon eine ganze Zeit lang. Dort, wo es möglich ist, setzen wir es entweder heute schon ein oder wir werden es einsetzen. Wir müssen aber auch die notwendige Sensibilität entwickeln: Wie geht man mit den Themen aus der eigenen Verantwortung heraus um? Aus der Verantwortung den Mitarbeitern und der Gesellschaft gegenüber?

Insgesamt sind die Perspektiven für die Versicherungswirtschaft – wie?

Es bleibt wichtig, dass wir uns als Versicherungswirtschaft in der Außendarstellung verbessern, um unsere Notwendigkeit, Sinnhaftigkeit und Bedeutung auch der Bevölkerung besser zu vermitteln. Und das betrifft eigentlich die ganzen Dimensionen, über die wir gesprochen haben, nicht nur die Imagefrage an sich, sondern von dem Thema Nachhaltigkeit begonnen bis hin eben zu der Frage, wie man mit Naturkatastrophen umgeht.

Und für die Haftpflichtkasse blicke ich voller Optimismus in die Zukunft, weil es eine gute Nische für die Haftpflichtkasse auch in Zukunft gibt. Als Spezialist können wir für uns in Anspruch nehmen, dass wir mit einem spitzen Ansatz sehr erfolgreich sind und bleiben wollen. Wir werden auf jeden Fall alles dafür tun, um das zu erreichen.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 09/2023 und in unserem ePaper.

Bild: © Roland Roider, Haftpflichtkasse

 
Ein Interview mit
Roland Roider