Interview mit Nelli Schieke, Leiterin Personal bei Swiss Life Deutschland
Frau Schieke, Swiss Life schreibt seit Juni 2024 alle Führungspositionen auch in Teilzeit und Shared Leadership aus. Wie kam es dazu? Und welche Idee steckt dahinter?
Mit dem Shared-Leadership-Modell sowie mit Führung in Teilzeit haben wir bereits über mehrere Jahre gute Erfahrungen gemacht und sehen darin die Chance, Führungspositionen für verschiedene Menschen zu ermöglichen und der Vielfalt individueller Lebenssituationen besser gerecht zu werden. Wir wollen einem ausgewogenen Geschlechterverhältnis auf allen Führungsebenen des Unternehmens näher kommen und dafür sorgen, dass Talente, die sonst nicht im Führungskontext gefördert werden, ihre Expertise einbringen können. Gleichzeitig setzen wir auf ein Angebot, das zeigt, dass wir als Arbeitgeberin nicht zwingend an traditionellen Erwartungen festhalten, sondern offen sind für neue Wege und uns weiterentwickeln wollen.
Wie waren denn die ersten Reaktionen auf diese Nachricht? Und wie wird es nun nach einigen Monaten angenommen?
Wir haben vor allem innerhalb der Versicherungs- und Finanzdienstleistungsbranche großes Interesse an dem Thema erfahren. Natürlich gibt es auch Nachfragen, ob Shared Leadership oder Teilzeit-Führung überhaupt funktionieren können. Um Skepsis abzubauen und Bedenken zu klären, ist es uns wichtig, authentische Einblicke zu geben: Unsere Führungskräfte, die in Tandems arbeiten, teilen offen ihre Erfahrungen – auch die Herausforderungen. Dieser Austausch inspiriert und schafft Vorbilder, die zeigen, dass Führung in verschiedenen Modellen möglich ist.
Von welchen Personen oder Gruppen werden diese Möglichkeiten dann aktuell bei Ihnen genutzt? Und was für unterschiedliche Gründe haben Mitarbeitende, eines der Modelle zu wählen?
Die Gründe, warum jemand Teilzeit-Führung oder ein anderes Führungsmodell wählt, sind oft privat. Für uns ist nicht entscheidend, ob es um die Pflege von Angehörigen, ein Ehrenamt oder mehr Freizeit geht. Eltern, die Care-Arbeit und Führung vereinen möchten, nutzen diese flexiblen Optionen oft. Da Care-Arbeit überwiegend von Frauen geleistet wird, sehen wir hier eine wichtige Chance, weiblichen Potenzialträgerinnen den Zugang zu Führungspositionen zu ermöglichen, ohne sie wegen ihrer Lebensplanung auszuschließen. Geteilte Führung und Teilzeit-Führung sind bei uns kein reines Frauen- oder Mütterthema. Es gibt genauso Führungskräfte, auch auf den höheren Führungsebenen, Frauen wie Männer, die zuvor Vollzeit gearbeitet und starke Teams aufgebaut haben und sich für eine Arbeitszeitreduzierung entscheiden.
Provokativ gefragt: Ist eine Führungsposition denn nicht eher eine 150%-Stelle als eine 50%-Stelle? Was sagen Sie Kritikern?
Führung in Teilzeit ist absolut möglich und geht mit Leistungsorientierung Hand in Hand. Oft lassen sich Vorurteile und negative Vorstellungen abbauen, wenn die Menschen, die erfolgreich in diesen Modellen arbeiten, echte Einblicke in ihren Arbeitsalltag geben. Führungskräfte, die in Teilzeit tätig sind, beweisen schließlich seit Jahren, dass erfolgreiche Führung nicht zwingend eine 100%-Stelle erfordert. Es erfordert allerdings starke Priorisierung, Delegation sowie gute Planung und klare Kommunikation. Ich selbst arbeite z. B. an einem festen Wochentag nicht, und das ist für alle im Unternehmen klar und akzeptiert. Natürlich gibt es Phasen mit erhöhtem Arbeitsaufwand, in denen die Arbeitsstunden auch mal variieren. Mit steigender Führungsebene wächst naturgemäß die Verantwortung, was mehr Einsatz erfordert. Diese Flexibilität ist jedoch Teil der Führungsaufgabe und betrifft alle Führungskräfte – unabhängig vom gewählten Arbeitszeitmodell.
Seite 1 „Führung in Teilzeit ist absolut möglich“
Seite 2 Wie ändert sich Ihrer Einschätzung nach mit solch einem Modell die Unternehmenskultur, vor allem auch in Bezug auf alle, die z. B. Care-Arbeit übernehmen?
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