Herr Bartz, die Dürre trifft die Landwirtschaft in diesem Jahr außerordentlich hart, es drohen hohe Einkommensverluste. Die Versicherer schätzen die Schäden derzeit auf über 2 Mrd. Euro. Wie erleben Sie die Lage bei Ihren Kunden?
Da wir im ganzen Bundesgebiet und bei Mandanten mit den verschiedensten Unternehmensstrukturen tätig sind, trifft es unsere Mandanten sehr unterschiedlich. Das Positive vorweg: Winzer und Winzergenossenschaften freuen sich auf einen wohl herausragenden Jahrgang. Die Freude sollte bei der Wetterprognose für die zweite Septemberhälfte ungetrübt bleiben.
Im klassischen Ackerbau und in der Viehhaltung erleben wir 2018 das wohl schwerste Jahr, seit ich im Agrarversicherungswesen tätig bin, also seit 1988. Aufgrund der Trockenheit gibt es eine über das ganze Bundesgebiet verbreitete Missernte, die jedoch in den nördlichen Bundesländern und in Regionen mit leichten Böden besonders eskaliert. Dies führt nicht nur zu einem Minderertrag an Getreide von geschätzten mehr als 30%, sondern auch zu erheblichen Engpässen bei Tierfutter und Einstreu. Auch wenn der Minderertrag aktuell mit einem Anstieg der Erzeugerpreise verbunden ist, so kann dieser das Einnahmedefizit bei vielen Betrieben nicht ausgleichen, so dass diese tiefrote Zahlen schreiben werden. Die Viehbetriebe stehen vor der Entscheidung, ihre Bestände zu Tiefpreisen zu reduzieren oder teures Futter und Stroh zuzukaufen. Viele Betriebe, die in den letzten Jahren investiert haben, stehen aktuell vor großen, teilweise existenziellen Problemen.
Unsere Mandanten im Sonderkultur-, Obst- und Gemüsebau sind 2018 teilweise mehrfach von Hagelschlägen betroffen, die jedoch oft versichert oder zumindest versicherbar sind. Im Gemüsebau werden in diesem Jahr die Beregnungskosten erheblich ansteigen, aber auch die Kosten für Zukauf zur Erfüllung der Liefervereinbarungen mit den Lebensmittelketten.
Viele Landwirte sind gegen Hagel versichert, nicht aber gegen Dürreschäden. Woran liegt das?
Aktuell gibt es in Deutschland keine wirklich “massentaugliche“ Lösung für Dürreschäden. Aufgrund der zunehmenden Varianz der Wetterausschläge von Hagel über Starkregen bis Trockenheit wäre, wenn überhaupt, eine klimabezogene Allgefahrendeckung das Mittel der Wahl – auch hinsichtlich der zukünftigen Klimaprognosen.
Diese Lösung müsste sich jedoch wie bei einer reinen Dürreversicherung sowohl auf die konkreten mikroklimatischen Bedingungen des Betriebes, auf die klimabezogenen Mehr- oder Minderaufwendungen als auch auf das betriebswirtschaftliche Minderergebnis zum Beispiel auf der Basis eines betrieblichen Mehrjahresdurchschnitts beziehen. Dies erfordert eine erhebliche Verdichtung der derzeitigen Wetterstationen bzw. von den Versicherern akzeptierte individuelle betriebseigene Wetterstationen und die Kopplung mit den Durchschnittsergebnissen des Betriebes. Mit diesen Faktoren könnte dann eine Tarifierung auf Basis klimatischer oder auch nur dürrebezogener Faktoren auch unter fakultativer Einbeziehung von Selbstbehalten erfolgen.
Sind denn landwirtschaftliche Großbetriebe eher abgesichert?
Aus unserer Sicht befassen sich Großbetriebe intensiver und tiefgehender mit diesen Themen, wir erkennen jedoch keine unterschiedliche Behandlung der Risiken nach Betriebsgröße. Es entscheidet vielmehr die betriebswirtschaftliche Beurteilung der individuellen Unternehmensleitung oder des Landwirts unabhängig von der Größe. Abgesehen von Sonderkultur- und Weinbaubetrieben sind bei den derzeit angebotenen Versicherungsformen die Großbetriebe jedoch eher besser abgesichert.
Gibt es keinen entsprechenden Versicherungsschutz, der auch bezahlbar wäre? Oder mangelt es auch an passenden Lösungen auf dem Markt?
Zumindest ein Versicherer hat in 2017 einen regionalen Testlauf für eine Trockenheitsversicherung gestartet. Es ist in den letzten Monaten jedoch extrem ruhig um dieses Produkt geworden. Wir werden im Rahmen unserer jährlichen Versicherergespräche nachfassen. Derzeit ist ein Produkt zu einer Allwetterversicherung in Entwicklung, das jedoch nur in Großbetrieben anwendbar sein wird, da es mit individuellen betrieblichen Wetterstationen auf Basis der individuellen Betriebsergebnisse individuell kalkuliert wird. Zur Umsetzung sind auch betriebliche Investitionen und regelmäßige Auswertungen erforderlich, die dazu führen, dass die Lösung nicht für mittlere und kleinere Betriebe anwendbar sein wird.
An einer langfristigen Lösung zur Absicherung der Landwirte bei Wetterextremen scheiden sich die Geister. Die Vorschläge reichen von staatlicher Subventionierung von Versicherungsprämien bis hin zu einer Ausgleichsrücklage wie in der Forstwirtschaft. In welche Richtung könnte es Ihrer Einschätzung nach gehen?
Dieses Thema ist hochkomplex und diesbezüglich schlagen als Versicherungsmakler zwei Herzen in meiner Brust: Einerseits könnte eine gut konzipierte Versicherungslösung das Produktportfolio der Versicherungswirtschaft sinnvoll erweitern. Andererseits sehe ich ein erhebliches regionales Kumulrisiko, das nur mit einer branchenweiten Pflichtversicherung in den Griff zu bringen wäre, die natürlich nicht umsetzbar ist. Darüber hinaus sehe ich die Gefahr, dass eine staatliche Subvention der Versicherungsprämien die Subventionen schrittweise „eingepreist“ werden.
Unter Würdigung aller Umstände sehe ich entweder die Einrichtung eines Ausgleichsfonds, der paritätisch vom Staat und allen Landwirten je Hektar Anbaufläche befüllt wird und nach klaren Regeln bei Katastrophen aufgrund Dürre oder Unwettern (jedoch nicht bei derzeit bereits versicherbaren Risiken wie Hagel, Starkregen etc.) sehr zeitnah reguliert. Diese Lösung wird auch in der Landwirtschaft selbst als eine mögliche Lösung diskutiert.
Anderseits könnte auch der Katastrophenfall selbst wie bisher der Auslöser für Leistungen aus der Staatskasse (für nicht versicherbare Risiken) sein. Dabei muss jedoch wesentlich praxis- und zeitnaher als heute entschädigt werden, was auch möglich ist, wenn die Leistungsbedingungen bereits im Vorfeld geklärt sind. Die Eintrittsschwelle / Entschädigungshöhe muss sich dann vom Modell Ausgleichsfonds unterscheiden, da die Landwirte bei der reinen „Katastrophenlösung“ keinen Eigenanteil leisten.
Die Trockenheit ist derzeit sicher vorherrschendes Thema bei Ihren Kunden. Beeinflusst oder ändert ein solches extremes Wetterereignis denn langfristig etwas in der Beratung?
Die Betriebe werden natürlich noch kostenbewusster als bisher. Bedenkt man jedoch, dass die Versicherungskosten in einem gut betreuten Agrarunternehmen je nach Struktur und Tätigkeitsfeld nur zwischen 0,5% und max. 2,5% des Umsatzes betragen und damit auch nur einen der kleinsten Faktoren der betrieblichen Gesamtkosten darstellen, so ist auch das Einsparpotenzial in Euro sehr begrenzt. Hier ist auch die Verantwortung des Versicherungsberaters sehr groß, nicht aus kurzfristiger Sicht den Schutz von existenziellen Risiken aufzukündigen oder einem entsprechenden Wunsch nachzugeben. Eine geänderte Zahlungsvereinbarung oder Zahlweise kann hier schon helfen – und vielleicht unterstützt der Versicherer die Situation durch Verzicht auf Ratenzahlungszuschläge. Auch sind aufgrund der Mindermengen zum Beispiel im Inhaltsbereich Reduktionen bei der Versicherungssumme und der Lagerung der Ernte möglich, die jedoch für das kommende Jahr unbedingt wieder rechtzeitig überprüft werden sollten.
Langfristig sollte im regelmäßigen Gespräch mit den Mandanten deren Deckungsbedarf anhand deren Finanz- und Risikolage ermittelt und in „Muss-“, „Soll-“ und „Kann-Deckungen“ gegliedert werden, die sich je nach Unternehmenssituation natürlich ändern können.
Peter J. O. Bartz ist Geschäftsführer der bvm Bartz Versicherungsmakler GmbH und der bvm Finanz GmbH &Co KG und zweiter Stellvertretender Vorsitzender der IGVM e.V., Berlin.
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