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5. September 2018
Neue bAV-Welt: „Der Kunde des Maklers ist eindeutig der Arbeitgeber“
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Neue bAV-Welt: „Der Kunde des Maklers ist eindeutig der Arbeitgeber“

BRSG, neue Produkte und Digitalisierung verändern die Welt der betrieblichen Altersversorgung. Digitale Plattformen können hier für Entlastung bei den Beteiligten sorgen. Für den Makler bedeutet dies eine strategische Ausrichtung auf den Arbeitgeber und die digitale Beratung der Arbeitnehmer, meint Hans Eder, Head of Digital Life & Pensions bei der Horváth & Partners GmbH.

Herr Eder, die bAV befindet sich im Wandel mit starken Auswirkungen für Versicherer und Makler. Wo sehen Sie denn die stärksten Treiber?

Wir sehen aktuell drei Treiber: Den stärksten Impuls setzt das BRSG sowohl mit seinen inhaltlichen und strukturellen Komponenten als auch mit dem zusätzlichen Fokus auf kleinere und mittlere Unternehmen sowie bisher in bAV unterrepräsentierten Einkommensgruppen.

Der zweite Treiber ist der sich verändernde Markt. Kernfaktoren sind hier Kostendruck, Niedrigzinsphase, hohe Garantieversprechen, neue Produkte ohne Garantien, aber auch neue Produktarten wie zum Beispiel ein sich in der aktuellen Diskussion befindlicher PanEuropean Pension-Fund.

Und nicht zu vergessen die Digitalisierung als dritter treibender Faktor, denn viele der anspruchsvollen Zielsetzungen in Kosteneffizienz und Servicequalität sind nur mit optimaler kunden- und vermittlerorientierter technologischer Unterstützung zu erreichen.

In welche Richtung treibt das BRSG denn die Makler genau?

Bei einigen Maklern herrscht aktuell eine gewisse Verunsicherung, denn sie wissen nicht genau, wie sie mit den Themen des BRSG umgehen sollen bzw. was das BRSG zukünftig für Auswirkungen auf ihr Geschäft haben wird. Bei bAV I ist es durch die reine Fachlichkeit der Komponenten einfacher, bei bAV II stellt sich die Frage nach der Rolle von Maklern im Sozialpartnermodell. Und die ist derzeit im Markt nur schemenhaft geklärt.

Die Versicherer wissen genauer, was auf sie zukommt: Sie müssen – stark vereinfacht – ihre Leistungen so kosteneffizient wie möglich anbieten. Das hat Auswirkungen auf die gesamte Wertschöpfungskette und somit auf ihr bAV-Geschäftsmodell. Aber auch bei Versicherungsunternehmen herrscht eine gewisse Verunsicherung im Sozialpartnermodell, ob und in welcher Form sie zum Zuge kommen werden.

Ihrer Meinung nach sitzt der Makler in der Zwickmühle: Einerseits mehr Aufwand, andererseits ein befürchtetes Absinken der Provisionserlöse. Welchen Spielraum hat er da noch?

Der Makler muss sich klar auf seine Stärken konzentrieren. Die Stärke des Maklers ist die Schnittstelle zum Kunden und der Fokus auf qualitativ hohes Geschäft. In einer Welt mit höherer Standardisierung und mehr Digitalisierung ist der Kunde des Maklers eindeutig der Arbeitgeber.

Technologie-Plattformen sollen das Dilemma auflösen. Einige Plattformen gibt es bereits am Markt. Wie weit ist die Entwicklung?

Wir sind hier noch am Beginn einer umfänglichen Entwicklung. Wir sehen sehr gute nachhaltige Tendenzen im Markt. Das heißt, dass es gerade in der Branche viele Projekte gibt, die in die richtige Richtung gehen. Aber die derzeitigen Lösungen sind oft noch Lösungen oder Tools für die optimale Information, Verwaltung und Servicierung. Der nächste Schritt sind umfassende Plattformlösungen für das Management der Kundenschnittstellen bzw. des digitalen Vertriebs B2B, B2C und B2B2C entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Wie ist denn die Bereitschaft von Maklern – oder auch Versicherern –, mit digitalen Plattformen zu arbeiten?

Das muss man sehr differenziert sehen. Bei den Maklern ist es so, dass die bestehenden Verwaltungsplattformen schon heute viel Arbeit abnehmen. Da die Makler ihr Geschäft mit dieser Unterstützung effizienter gestalten können, stehen sie diesen digitalen Funktionalitäten positiv gegenüber. Einen digitalen Vertrieb sehen sie eher skeptisch, da er ihr Kerngeschäft tangiert. Aber das ist ja – wie bereits skizziert – noch nicht vollumfänglich eingeführt.

Für Versicherer können voll digitale Plattformen ein zukünftig wesentlicher Bestandteil ihrer Geschäftsstrategie in der bAV werden und Grundvoraussetzung für ein standardisiertes und effizienteres Arbeiten sein. Die Versicherer sondieren derzeit den Markt und erarbeiten Vorgehensweisen und Strategien, wie sie die notwendigen hohen Investitionen bzw. die Ergebnisse der Digitalisierungsprojekte bAV II auch für bAV I und für die private Altersvorsorge nutzen können. Dies bedeutet im engeren Sinne, dass es quasi Greenfield-Geschäftsmodelle für bAV II mit Auswirkungen auf die normale (bAV I) Welt geben wird. bAV II setzt somit Standards für bAV I.

Für Versicherer also auch ein komplexes Thema. Es ändern sich aber auch die Abläufe im Maklerbüro. Wie tiefgreifend sind hier die Veränderungen in der Beratungsstrategie?

Absolut. Das hat große Auswirkungen auf den Geschäftsalltag des Maklers, da er Schwerpunkte im Alltag anders setzen muss und sich zukünftig noch stärker auf seine Kerntätigkeit, qualitativ hohe Arbeitgeberberatung, konzentrieren muss. Dies bedeutet konkret: Arbeitgeberansprache, Akquisition und Arbeitnehmerberatung inklusive Vorstellung der digitalen Informations- und Selfservice-Beratungsplattform als Kerntätigkeit. Darüber hinaus wird er sequenziell eine hybride bzw. digitale Arbeitnehmer-Entgeltberatung im Breitengeschäft anbieten.

Was bedeutet dies andererseits für Arbeitgeber und Arbeitnehmer?

Für Arbeitgeber bedeutet eine digitale Plattform vor allem Vereinfachung der Administration und der Servicierung der Verträge, da es direkte Schnittstellen zu den Verwaltungs- und HR-Programmen gibt bzw. geben wird. Rückfragen zur bAV sowie individuelle Dokumente werden zukünftig vom Arbeitnehmer über die Plattform abgewickelt. Der Arbeitgeber kann dadurch noch stärker als heute die Ressourcenallokation in der Verwaltung/HR optimieren und kommt darüber hinaus seiner Fürsorgepflicht noch besser nach, da er sachgerecht alle Mitarbeiter informiert.

Für Arbeitnehmer ist es ebenfalls vorteilhaft, da jegliche Informationen oder Neuerungen gebündelt über alle Endgeräte jederzeit abrufbar und hinterlegt sowie endkundenorientiert aufbereitet sind.

Wenn sich alles ändert, gerät auch meist die Vergütung des Maklers schnell ins Blickfeld. Welche Auswirkung könnte dies alles folglich auf die Maklervergütung haben?

Dieser Bereich ist aktuell noch nicht ausdetailliert, was eine abschließende Antwort nicht möglich macht. Grundsätzlich kann man folgenden Basishypothesen folgen: Arbeitgeberberatung wird wichtiger, das heißt, die klassische Entgeltberatung, wie wir sie heute in der Breite kennen, wird es wahrscheinlich zukünftig nur noch ganz selten geben. Heute stellt diese allerdings für den Großteil der Makler die Haupteinnahmequelle dar. Die Arbeitgeberberatung wird zudem mehr in Richtung Honorarberatung gehen, die folglich vom Arbeitgeber bezahlt wird und steuerlich bei den Gesellschaften berücksichtigungsfähig ist. Weiter ist eine Servicegebühr für die Plattform denkbar.

Der Einsatz von bAV-Plattformen könnte das Ziel der Regierung unterstützen, die Durchdringung der bAV zu verbessern. In Berlin wird man die Entwicklung also genau beobachten. Falls das Ziel nun nicht erreicht werden sollte, welche Szenarien sind dann möglich?

Falls das BRSG nicht den erhofften Erfolg bringt, kann die Regierung ab 2022 entweder eine verpflichtende staatliche Lösung einführen oder eine Liberalisierung bzw. Vereinfachung der bestehenden bAV vorantreiben, die positive Auswirkungen auf den Vertrieb haben werden. Dann kann es zu einem rapiden Anstieg des Beitragsaufkommens kommen.

Sie denken ja aber auch schon über die bAV hinaus und wollen auch andere Mitarbeiter-Benefits über eine Plattform abbilden. Wie sieht Ihre Vision hier aus?

Der Arbeitgeber wird als Zugang zu Produkten und Dienstleistungen immer wichtiger. Über ganzheitliche Benefitplattformen können Mitarbeiter vergünstigte Konditionen erhalten und zum Großteil Dienstleistungen aus ihrem Bruttogehalt über eine Entgeltabrechnung nachfragen. Der Arbeitgeber ist sozusagen zukünftig ein „One-stop-Shop“ für seine Mitarbeiter. Das gilt dann nicht nur für klassische Altersvorsorgeprodukte wie bAV, sondern auch für die Gesundheitsvorsorge mittels bKV, aber auch für Gesundheitsdienstleistungen wie Ärztechecks oder Produkte zur Förderung der Mitarbeitergesundheit wie E-Bikes, aus dem Brutto-Gehalt finanziert.

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 09/2018, Seite 36 f.

 
Ein Artikel von
Hans Eder