Der Pflegeaspekt gewinnt zunehmend an Bedeutung. Das hat inzwischen auch die Politik erkannt und daher zu Beginn des Jahres den so genannten „Pflege-Bahr“ eingeführt. Was als grundsätzlich gute Maßnahme von Daniel Bahr gedacht war – Pflegeabsicherung ohne Gesundheitsprüfung und mit staatlicher Förderung – entpuppt sich als äußerst fragwürdiges Konstrukt. Zumindest in der gegenwärtigen Beschaffenheit des Pflege-Bahrs.
Das Institut für Vorsorge und Finanzplanung hat sich den Pflege-Bahr genauer angesehen und eine Reihe an massiven Schwachstellen entdeckt. „Im schlimmsten Fall könnten diese sogar zu Beraterhaftung führen. Das Dilemma: Pflege-Bahr rechnet sich gegenwärtig nahezu ausschließlich für ältere Menschen und Personen, die in absehbarer Zeit pflegebedürftig werden“ sagt der Geschäftsführer des Instituts Prof. Michael Hauer. Für jüngere Menschen unter 50 kann Pflege-Bahr gar zu einem Draufzahlgeschäft werden. Schließt beispielsweise ein heute 30-Jähriger bei einem Versicherer die Pflegegeldversicherung ab, so liegt sein monatlicher Eigenbeitrag bei 5% jährlicher Beitragssteigerung in 30 Jahren bei 60 Euro, in 40 Jahren liegt dieser bereits bei über 100 Euro. Im schlimmsten Fall kann die Leistung aus Pflegestufe 0 oder 1 – je nach Versicherer – unter dem monatlichen Beitrag liegen, da dieser bei allen Versicherern auch im Pflegefall weitergezahlt werden muss. Für Pflegestufe 0 gilt für fast alle untersuchten Tarife: Um das 70. Lebensjahr übersteigt der Beitrag die Leistung – unabhängig vom Eintrittsalter! Dazu Hauer: „Geht man davon aus, dass die Beiträge jährlich im Schnitt um 5% steigen, dann zahlt der Pflegebedürftige im Leistungsfall einen höheren Beitrag als er an Rentenleistung erhält. Und es kommt noch schlimmer: Auch die Gesunden werden dann den Pflege-Bahr kündigen, da sie sehen, dass der Beitrag höher ist als die zu erwartende Leistung im Pflegefall – man hat also jahrelang umsonst gezahlt.“ Denn eines ist klar: Man muss davon auszugehen, dass die Beiträge im Laufe der Jahre deutlich steigen werden, da beim Pflege-Bahr keine Gesundheitsprüfung nötig ist.
Das IVFP fordert daher deutliche Nachbesserungen durch den Gesetzgeber. Eine Möglichkeit wäre, die Pflegestufen 0 und 1 aus dem Konstrukt zu entfernen. Die Leistung ist hier in der Regel ohnehin so gering (bei Pflegestufe 0 zum Beispiel 60 Euro im Monat), dass es sich kaum lohnt, diese Stufen abzusichern. Eine weitere Alternative wäre, die Gesundheitsprüfung einzuführen – mögliche Kostenexplosionen in der Zukunft könnten damit leichter eingedämmt werden. Grundsätzlich gilt es, zu überlegen, ob nicht alle privaten Pflegeabsicherungen staatlich gefördert werden sollten – Berechnungen des IVFP haben ergeben, dass es für viele Personen derzeit besser ist, eher auf eine ungeförderte Pflegegeldversicherung zurückzugreifen. Gegenwärtig bezuschusst der Staat den Pflege-Bahr mit 5 Euro im Monat bei einem Mindesteigenbeitrag von 10 Euro.
Nach Meinung des IVFP führt kein Weg an einer kapitalgedeckten Pflegeversicherung vorbei. Der Ansatz, den die Politik mit Einführung von Pflege-Bahr verfolgte, ist per se eine notwendige und sinnvolle Maßnahme. Umso wichtiger ist es, dass verhindert wird, dass Verbraucher eines Tages eine böse Überraschung erleben und aus Frustration oder Verunsicherung keinerlei private Vorsorge mehr treffen! Die große Koalition hat also ein weiteres Thema, mit dem sie sich intensiv beschäftigen sollte.
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können