Ein Artikel von Dr. Timo Gansel, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Vorstand der Gansel Rechtsanwälte Rechtsanwalts-Aktiengesellschaft, und Dr. Tim Horacek, Rechtsanwalt und Geschäftsführer bei Keen Law Rechtsanwalts GmbH
Jährlich sterben rund eine Million Menschen in Deutschland. Zugleich belief sich der Bestand an Lebensversicherungsverträgen mit Todesfallschutz im Jahr 2022 deutschlandweit auf ca. 81,8 Millionen Verträge. In der Risikolebensversicherung versichert der Versicherungsnehmer in der Regel sein eigenes Todesfallrisiko. Er ist damit gleichzeitig auch versicherte Person und bestimmt den oder die im Versicherungsfall begünstigte Person. Tritt der Versicherungsfall – Tod der versicherten Person – ein, prüft jeder Versicherer seine Leistungspflicht akribisch. Nicht selten beginnt eine Odyssee, die mitunter in der Anfechtung des gesamten Vertrages durch den Versicherer mündet. Gründe hierfür können etwa sein:
- Falschangaben zum Gesundheitszustand des Versicherten
- Suizid des Versicherten
- nicht aufgeklärtes Tötungsdelikt, bzw. die nicht erwiesene Unschuld des Begünstigten
- ungeklärte Todesursache des Versicherten
- kurze Vertragsdauer
Um die eigene Leistungsfreiheit zu begründen, durchforschen die Versicherer das Leben und die Gesundheitsakten des Verstorbenen nach Vorerkrankungen, Behandlungen und Krankenhausaufenthalten.
Wenn der Begünstigte beim Makler klingelt
Eine Regulierungsablehnung führt den Begünstigten zu Anwälten. Versicherungsrechtler klären zuerst, ob ein Makler oder ein Ausschließlichkeitsvertreter den Vertrag vermittelt hat. Sie durchforsten dann den Versicherungsschein, die AGB des Versicherers und die Beratungsdokumentation auf Angriffspunkte. Sie nehmen den Begünstigten der Versicherungsleistung – meist den Lebenspartner – über das Zustandekommen der Police ins Kreuzverhör:
- Wie liefen die Beratungsgespräche genau ab?
- Von wem ging die Initiative zum Abschluss des Vertrages aus?
- Welche Lebensumstände hat der Versicherungsmakler erfragt, welche alternativen Versicherungsmöglichkeiten wurden aufgezeigt?
- Welche Dokumente belegen die Beratung vor Abschluss der Police?
Unter Fachanwälten für Versicherungsrecht hat sich der „Baumarktspruch: Nichts haftet so gut wie ein Makler!“ etabliert. Denn für Anwalt und Begünstigten findet sich dann, wenn ein Makler den Vertrag vermittelt hat, ein weiterer möglicher Anspruchsgegner: der Makler selbst. Diesem drohen schwere Folgen: Beweist der Begünstigte, dass der Versicherungsmakler Aufklärungs- und/oder Beratungspflichten verletzt und damit kausal zur Leistungsfreiheit des Versicherers beigetragen hat, wird der Makler zum Versicherer und muss die Versicherungsleistung erbringen. Er hat zehn Jahre nach der Vermittlung keine Gelegenheit, dieser Haftung zu entkommen. Das nennt die Rechtsprechung „Quasideckung“.
Der Makler als treuhänderischer Sachwalter
Diese Haftungssystematik entspringt dem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs vom 22.05.1985 (Az. IVa ZR 190/83) und ist seitdem etablierte Rechtsprechung aller Gerichte. Als Vertrauter und Berater des Versicherungsnehmers hat er dessen individuellen, für das betreffende Risiko passenden Versicherungsschutz zu besorgen. Er hat seinem Kunden einen nachvollziehbaren Überblick über alle wesentlichen leistungs- und beitragsrelevanten Unterschiede zu verschaffen und ihn auf Risiken in der Antragstellung, etwa bei Angaben zum Gesundheitszustand, hinzuweisen (Oberlandesgericht Karlsruhe, 12 U 56/11). Der Inhalt des Beratungsgesprächs ist nach §§ 61, 62 Versicherungsvertragsgesetz zu dokumentieren. Schon kleinste Nachlässigkeiten führen hier im Ernstfall dazu, dass der Makler selbst Hunderttausende von Euro an den Begünstigten auszuzahlen hat.
Seite 1 Abschluss Risikoleben: Nichts haftet so gut wie ein Makler
Seite 2 In der Zeugenvernehmung spielt oft die Musik
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