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17. November 2023
Zahl der Überschuldeten in Deutschland sinkt – vermeintlich
Zahl der Überschuldeten in Deutschland sinkt – vermeintlich

Zahl der Überschuldeten in Deutschland sinkt – vermeintlich

Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform hat die aktuelle Version des SchuldnerAtlas für Deutschland veröffentlicht. Fazit: Die Überschuldungsquote in Deutschland ist zurückgegangen. Doch es gibt einen Faktor, der die vermeintlich guten Werte trügen lässt.

Widerspruch im SchuldnerAtlas 2023: Die von der Wirtschaftsauskunftei Creditreform veröffentlichte Untersuchung zeigt auf den ersten Blick eine Verbesserung der Überschuldungsquote in der Bundesrepublik. Doch bei genauerem Hinschauen erkennt man, dass die Sachlage auch anders interpretiert werden kann, wie es in einer Mitteilung von Creditreform zum SchuldnerAtlas heißt.

Oberflächlich betrachtet habe sich die Überschuldungslage der Verbraucher 2023 gegenüber dem Vorjahr leicht verbessert. Nur noch 5,65 Millionen Menschen gelten 2023 in Deutschland als überschuldet, was einem Minus von 233.000 zu 2022 entspricht. Offiziell ist das ein erneuter Tiefststand. Relativ betrachtet ist der Anteil überschuldeter Personen im Verhältnis zu allen Erwachsenen in Deutschland um 0,33 Punkte auf 8,15% gesunken.

„Verdeckte Trendumkehr“

Patrik-Ludwig Hantschz, Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform, gibt jedoch zu bedenken: „Die vermeintlich guten Werte trügen leider. Ohne statistische Sondereffekte messen wir erstmals seit 2019 einen Überschuldungszuwachs.“ Wie kommt es dazu? Hintergrund ist eine Verkürzung der Speicherfrist für Restschuldbefreiungen, mit der Schuldner nach einigen Jahren von Schulden befreit werden können. Bislang lag die Speicherdauer dieser Restschuldbefreiungen bei der SCHUFA bei drei Jahren, seit Ende März ist sie allerdings auf sechs Monate verkürzt.

Wenn man die alte Lesart anwendet, so Creditreform, gibt es allerdings dieses Jahr rund 17.000 Überschuldungsfälle mehr als 2022. Damit läge die Quote eigentlich bei 8,51% und wäre leicht angestiegen. Seit 2020, mit Beginn der Corona-Krise, hatten sich die Überschuldungsfälle in drastischem Tempo verringert, bedingt durch staatliche Hilfen und eine ausgeprägte Sparneigung. Doch die Entwicklung werde sich laut Hantschz wohl umdrehen: „Die multiplen Krisen, die anhaltende Inflation und die hohen Zinsen verteuern das Leben der Verbraucher stetig. Die Konsumlust der Bürger wächst aber wieder, obwohl fast alles deutlich teurer ist. Das wird viele finanziell überfordern.“ Da die Folgen einer Überschuldung erst zeitverzögert auftreten, rechnen die Analysten mit steigenden Fallzahlen in den kommenden Monaten.

Mehr weiche Überschuldung

Erstmals seit 2020 steigt auch die sogenannte „weiche Überschuldung“, also nachhaltige Zahlungsstörungen, wie Michael Goy-Yun, Geschäftsführer von Creditreform Boniversum und microm, erläutert. „Drastisch gestiegene Lebenshaltungskosten und Energiekosten haben im letzten Jahr die finanziellen Spielräume der Verbraucher deutlich eingeschränkt.“ Vor allem die sogenannten „Dauerüberschuldeten“ aus unteren sozialen Schichten hätten unter der Preisentwicklung zu leiden.

Vor allem bei Jüngeren und Frauen steige die weiche Überschuldung an. Bei der jüngsten Alterskohorte (29 Jahre) gebe es laut Creditreform erstmals seit 2013 sogar eine Zunahme von Überschuldungsfällen und Gesamtquote. Den geringsten Rückgang der Überschuldungsquote hätten die Über-70-Jährigen zu verzeichnen. In der Langzeitbetrachtung sei die Entwicklung der Altersgruppen jedoch gegenteilig gelagert. Während sich vor allem junge Menschen (unter 30 Jahre) in den vergangenen zehn Jahren immer weniger überschuldeten, stieg die Überschuldungsquote der Über-60-Jährigen im gleichen Zeitraum signifikant an.

Am meisten betroffen von Überschuldung seien laut Goy-Yun einkommensschwache Haushalte, auch wenn diese Gruppe beim Blick auf die Krisenjahre sehr von den Stützungsmaßnahmen des Staates profitiert habe. Denn deren Anteil am Überschuldungsgeschehen habe um 5 Prozentpunkte abgenommen, während mehr Normal- und Gutverdiener (summarisch +5 Prozentpunkte) in eine Überschuldungsspirale geraten seien und teils eine Schuldnerberatung in Anspruch genommen hätten.

Ländertrends bleiben positiv

Die Zahl der Überschuldungsfälle sei auch 2023 in beiden Teilen Deutschlands auf ähnlichem Niveau zurückgegangen – wenn auch nicht so stark wie in den Vorjahren. Beide Teile liegen im hellgrünen Bereich der Überschuldungsampel, heißt es im SchuldnerAtlas. Im aktuellen Jahr weisen 394 Kreise und kreisfreie Städte in Deutschland (98,5%) einen Rückgang der Überschuldungsquote auf. Die Analyse zeige aber auch hier, dass die weiche Überschuldung auf dem Vormarsch sei: In mehr als der Hälfte aller Kreise und kreisfreien Städte in Deutschland (57%) sei die weiche Überschuldungsquote angestiegen. (mki)

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