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18. Oktober 2023
„Wir sind im Haus auf Maklerzufriedenheit programmiert“
„Wir sind im Haus auf Maklerzufriedenheit programmiert“

„Wir sind im Haus auf Maklerzufriedenheit programmiert“

Die VHV reagiert inhouse mit Anpassungen auf die Veränderungen am Maklermarkt. Der führende Bauspezialversicherer stellt erste Auswirkungen der veränderten Bedingungen in der Bauwirtschaft fest. Beim drittgrößten deutschen Kfz-Versicherer steht das Jahreswechselgeschäft im Fokus.

Interview mit Dr. Angelo O. Rohlfs, Vorstand Vertrieb und Marketing der VHV Allgemeine Versicherung AG
Herr Dr. Rohlfs, hat es heute ein Maklerversicherer schwerer als noch vor ein paar Jahren?

Wir sind ein führender Maklerversicherer in den Sparten Kfz, Sach, Haftpflicht und Unfall – sowohl privat als auch gewerblich. Insofern arbeiten wir schon immer mit allen Vermittlern zusammen, die die Formalvoraussetzungen erfüllen. Ansonsten haben wir keine Anforderungen an Geschäftsmix oder an Produktion. Das gilt von jungen Einzelmaklern bis hin zu den großen Konstrukten.

Wenn Sie nun auf die Schlagworte Digitalisierung, Konsolidierung, Demografie und Arbeitskräftemangel anspielen, können wir sagen: Die Zeiten sind nicht schwerer, sie sind einfach nur anders: Die Veränderungen vollziehen sich schneller, die Situation ist komplexer und die Eigeninteressen der Akteure haben an Bedeutung gewonnen.

Eigeninteresse in dem Sinne, dass der Wettbewerb stärker ist?

Nein, auch das nicht, den Satz kenne ich seit 1995. Vor lauter Wettbewerbsintensivierung wären viele Versicherer schon nicht mehr am Markt. Die Eigeninteressen der Versicherer sowie die Eigeninteressen der Vermittler und Kunden sind – nicht zuletzt aufgrund der veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen – stärker geworden. Es geht deutlich spürbar mehr um die eigenen Interessen als um eine gemeinsame Lösung. Früher wurde eher versucht, die Interessen zum Ausgleich zu bringen.

Hat dies etwas mit der Konsoli­dierung am Markt zu tun?

Die durch Investoren getriebene Konsolidierung am Maklermarkt hat im Verhältnis zu dem, was wir in der Vergangenheit gesehen haben, deutlich an Tempo und Frequenz gewonnen. Diese Konsolidierung sehen wir. Sie betrifft zahlenmäßig nur wenige Maklerbetriebe von der großen Gesamtheit der Vermittler. Den Trend, die Eigeninteressen stärker in den Vordergrund zu stellen, stellen wir über den Kreis der Konsolidierer hinaus fest. Wir führen sie eher auf die veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zurück.

Das klingt auch so, dass es schwerer ist, Maklerzufriedenheit zu erreichen?

Es ist komplexer. Die Anforderungen der Vermittler verändern sich schneller, also müssen wir schneller reagieren. Wir haben heute entsprechende andere technologische Möglichkeiten, darauf zu reagieren oder Angebote zu machen.

Wie lösen Sie also die Situation?

Wir hören zu. Wir haben unsere Arbeitsweisen umgestellt. Maklerzufriedenheit ist bei uns Programm. Wir wollen die komplexen Anforderungen erfüllen. Und das führt auf unserer Seite zu einem ständigen Justieren und Weiterentwickeln. Wir haben unterschiedliche Roundtables – auch mit Ihrem Haus, wo wir bei Maklern nachfragen. Das läuft unabhängig vom Arbeitsalltag, wo wir schon seit Langem eine NPS-Befragung machen. Bei jedem Makler-Betreuer-Kontakt gibt es eine NPS-Rückmeldung. Wir führen auch eigene Workshops mit Vermittlern durch. Also, wir sind im ständigen Dialog mit den Vermittlern. Nur wenn es uns gelingt, die Anforderungen der Vermittler und Kunden zu erfüllen, und sie zufrieden sind, sind auch wir zufrieden.

Geht es Ihnen als Vertriebsvorstand schnell genug voran?

Natürlich nicht. Aber in meiner Funktion als Vertriebsverantwortlicher ging es nie schnell genug und wird es auch vermutlich nie schnell genug gehen. Ich will es mal so ausdrücken: Wir sind im Haus auf Maklerzufriedenheit programmiert, und das betrifft alle Bereiche: Vertrieb, Betrieb, Schaden, Produkt, Querschnitts- und Service-Funktionen. Wir richten uns an den Wünschen und Anforderungen der Vermittler und Endkunden aus.

Von der VHV Allgemeine Versicherung ist ein vorsichtiger Optimismus zu hören, was das Wachstum angeht. Kommt die Vorsicht aus der angesprochenen Komplexität oder der allgemeinen Wirtschaftslage?

Beides. Aber betrachten wir die Wirtschaftszweige, in denen wir uns bewegen. Da haben wir zwei große Branchen: Kfz und Bau. Die Bauwirtschaft ist in der aktuellen Situation stark abhängig von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Da können wir nicht sagen: „Die Zinssituation gibt’s bei uns nicht“ oder „Die Baupreiskostensteigerungen gibt’s bei uns nicht“. Oder auch im Kfz-Bereich können wir nicht sagen: „Die Zulassungszahlen sind uns egal“ oder „Die Schadenkostensteigerungen sind uns egal“. Wir haben also immer externe Rahmenbedingungen, mit denen wir umgehen müssen.

Aber wir versuchen natürlich, innerhalb der Rahmenbedingungen das Beste möglich zu machen. Wenn es weniger Kfz-Zulassungen gibt, dann müssen wir uns um die wenigen Kfz, die da sind, erst recht bemühen. Wenn der private Wohnungsbau einbricht, dann müssen wir uns besonders bemühen, dass wir im Infrastrukturbereich oder beim energetischen Sanieren im Bestand unsere Prioritäten setzen.

Was erwarten Sie denn in der Kfz-Versicherung?

Die VHV Allgemeine Versicherung ist einer der großen Kfz-Versicherer. Wir gehören zu den Top Drei nach Beitragseinnahmen. Wir haben einen Gesamtumsatz von 2,5 Mrd. Euro, davon sind 1,5 Mrd. Euro Kfz-Geschäft. Insofern müssen wir ganz genau auf den Markt sehen. In den vergangenen drei Jahren haben die Zulassungen stagniert, 2023 können wir feststellen, dass die Zulassungszahlen zunehmen. Nicht dramatisch, aber auf das Gesamtjahr gesehen reden wir von etwa 11% Zulassungssteigerung. Der Markt wird größer, aber wir sind weit entfernt von früheren Zeiten.

Im Gesamtmarkt gibt es einen sehr sensiblen Umgang mit dem Thema Profitabilität in der Kfz-Versicherung. Dennoch wird es immer Akteure geben, die weniger auf Profitabilität und mehr auf Umsatz achten. Aufgrund der gestiegenen Schadenkosten müssen die Versicherungen selbst bewerten, wie sie damit umgehen.

Die VHV Allgemeine Versicherung spricht sich zumindest laut Geschäftsbericht für ein vernünftiges Risikomanagement und Zeichnungsverhalten aus. Kann man das so sagen?

Das ist so. Wir achten in der Kfz-Versicherung traditionell sehr auf die Profitabilität. Wir waren nie ein Kfz-Versicherer, der die großen Preiswettkämpfe mitgemacht hat. Für uns als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit steht immer im Vordergrund, dass wir im Kundeninteresse finanziell solide wirtschaften.

Wir versuchen nach wie vor, den Ausgleich der Interessen hinzubekommen. Wir wollen den Vermittler nicht in die Lage bringen, dass er seinen gesamten Bestand neu rechnen oder umdecken muss. Gleichzeitig wollen wir den Kunden trotz höherer Schadenkosten aufgrund der Inflation ein bezahlbares Angebot machen. Aber es ist völlig klar: Die Preise für Kfz-Versicherungen steigen.

Hatten Sie sich denn von der E-Mobilität mehr erwartet?

Wir diskutieren das Thema immer auf zwei Ebenen: E-Mobilität als Antriebsart und als Infrastruktur, zum Beispiel Ladesäulen. Bei dem Infrastrukturthema hätten wir eine deutlich höhere Geschwindigkeit beim Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur erwartet.

In Bezug auf die Antriebsart haben wir bewusst entschieden, nicht First Mover zu sein. Wir haben uns die Entwicklung genau angesehen und unser Angebot erweitert. Als großer Kfz-Versicherer entwickeln wir uns in diesem Segment entsprechend unserem Marktanteil.

Telematik scheint dagegen wieder eine größere Rolle zu spielen?

Auch hier waren wir bewusst nicht First Mover. Wir haben analysiert, welche unterschiedlichen Lösungen es gibt, und entsprechende Angebote in den Markt gebracht. Wir arbeiten hier mit Augenmaß: Die Kunden, die bereit sind, ihre Daten aufzeichnen und auswerten zu lassen, sollen einen Preisvorteil erhalten, wenn ihre Fahrweise dies hergibt. Wir werden das Telematik-Thema weiterbetreiben und die Perspektive beobachten. Auf unseren Kfz-Bestand bezogen sind wir mit der Entwicklung zufrieden.

Lassen Sie uns auf ein anderes aktuelles Thema sehen: die Wärmepumpe. Wie sieht es da aus?

Es ist ein Thema. Es gibt Diebstahl von Baumaterial und Gerätschaften. Und so ist das auch bei Wärmepumpen. Wir bauen unsere Produkte nicht nach dem Motto „Produkt sucht Anwendung“, sondern wir sehen, dass unsere Kundschaft ein Problem hat und der Vermittler eine Lösung sucht. In der Tat wurden Wärmepumpen und Balkonkraftwerke gestohlen. Es ist kein Massenphänomen, aber wir versetzen die Vermittler in die Lage, mit unserem Produkt die Probleme der Kunden zu lösen.

Die Baubranche als eines Ihrer Spezialgebiete hatten wir schon angesprochen. Die Lage in der Baubranche ist schwierig, dennoch wollen Sie dort wachsen. Wie soll das gehen?

In der Bauwirtschaft ist es so: Wir haben einzelne Felder mit einer deutlich spürbaren Rezession. Wohngebäude- oder Fertighausbauer, die bei uns versichert waren und jetzt keine Aufträge bekommen oder gar insolvent werden, fallen weg. Das gilt auch für nachgelagerte Gewerke, also O den Innenausbau, Maler, Fliesenleger und so weiter.

Aber es gibt auch die Bereiche Logistik, Infrastruktur, Autobahnen, Brücken oder Schienen. Beispielsweise setzt die Bahn große Investitionsprogramme auf. Auch wenn die Bauwirtschaft insgesamt vor einer Herausforderung seht, gibt es immer noch Bereiche, in denen Wachstum möglich ist. Außerdem laufen solche Infrastrukturprojekte einige Jahre, eine Brückensanierung oder ein U-Bahn-Bau bricht nicht einfach weg.

Wie kann man sich im Bauversicherungsgeschäft die Zusammenarbeit mit den Versicherungsmaklern vorstellen?

Wir arbeiten mit etwa 15.000 Vermittlern zusammen. Für rund 80 davon, die überwiegend Baugeschäft machen, also zum Beispiel Betriebshaftpflicht, Projektversicherungen und Berufshaftpflichtversicherungen für Architekten, haben wir eine eigene Betreuungsstruktur. Darüber hinaus betreuen wir Kunden aus der Bauwirtschaft auch mit einer eigenen Außendienstorganisation.

Sehen Sie sich in der Maklerbetreuung insgesamt gut aufgestellt oder planen Sie Änderungen?

Die Aufstellung ändert sich mit den Anforderungen der Vermittler und Kunden. Und da kommen wir auch zu dem Thema Konsolidierung. Da gibt es Konsolidierer, die gerne ein Betreuungsteam für die ganze Gruppe hätten. Andere wünschen sich, dass die Betreuung bei jedem gekauften Maklerunternehmen so bleibt, wie sie vorher war. Also, wenn Sie fragen: „Haben Sie endlich den Stein der Weisen gefunden?“, kann ich nur sagen: Ja, jeden Tag aufs Neue. Aber wie gesagt, Maklerzufriedenheit ist bei uns Programm.

Deshalb engagiert sich die VHV Allgemeine Versicherung auch bei unterschiedlichen Brancheninitiativen. Was ist Ihnen dabei wichtig?

Wir nehmen aktiv an den Entwicklungen im Maklermarkt teil und gestalten sie mit. So ist zum Beispiel der Jungmakler Award eine notwendige Initiative. Ohne Nachwuchs wird es im Maklermarkt nicht besser werden. Private und gewerbliche Kunden benötigen auch künftig Beratung und Betreuung. Oder die Deutsche Makler Akademie – auch da waren wir von Anfang an dabei, weil das Thema Weiterbildung für die Maklerschaft wichtig ist.

Zudem wurden Sie auch bei der Digitalisierung des Maklerunternehmens aktiv.

Ja, Administration und Prozesse sind ein wichtiges Thema für die Vermittler. Mit der Initiative meinMVP, die wir gemeinsam mit anderen Versicherern gestartet haben, unterstützen wir die Vermittler bei der Digitalisierung ihrer Unternehmen. Wir versetzen Vermittler in die Lage, mit zeitgemäßen Tools zu arbeiten, um mehr Zeit für ihre Kernaufgabe – die B­e­ratung und Betreuung der Kunden – zu haben.

Gibt es weitere Ansätze darüber hinaus?

Wir arbeiten an der Ausweitung der Services von meinMVP. Bisher hatten wir einen Fokus auf Prozesse rund um die Beziehung von Kunde und Vermittler. Nun geht es um die Digitalisierung von Backoffice-Funktionalitäten.

Dann lassen Sie uns auf das letzte Quartal des Jahres sehen. Was steht an?

Natürlich das Kfz-Jahreswechselgeschäft! Die Hauptfälligkeit zum 1. Januar hat nach wie vor eine große Bedeutung, wenngleich wir auch eine steigende unterjährige Hauptfälligkeit feststellen können.

Das andere große Thema ist: Was können wir tun, um Kunden aus der Bauwirtschaft Unterstützung anzubieten? Das ist jetzt aber kein Thema nur für die nächsten Monate, sondern das wird uns länger beschäftigen. Dabei gilt es, den Kunden aus der Bauwirtschaft als verlässlicher Partner zur Seite zu stehen.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 10/2023 und in unserem ePaper.

Bild: © Dr. Angelo O. Rohlfs, VHV Allgemeine Versicherung AG

 
Ein Interview mit
Dr. Angelo O. Rohlfs