AssCompact suche
Home
Assekuranz
2. März 2025
„Wir schließen Fusionen und Bestandsverkäufe aus“
„Wir schließen Fusionen und Bestandsverkäufe aus“

„Wir schließen Fusionen und Bestandsverkäufe aus“

Wie wird sich der Continentale Versicherungsverbund künftig aufstellen? Welche Rolle werden die verschiedenen Vertriebswege spielen? Und vor welchen Herausforderungen steht die Branche? Darüber sprach AssCompact mit dem neuen Vorstandsvorsitzenden Dr. Gerhard Schmitz.

Interview mit Dr. Gerhard Schmitz, Vorstandsvorsitzender im Continentale Versicherungsverbund
Herr Dr. Schmitz, Sie sind seit August 2024 neuer Vorstandsvorsitzender im Continentale Versicherungsverbund. Was waren die entscheidenden Einflüsse, die Sie zu dieser Aufgabe geführt haben?

Ich denke, dass der Aufsichtsrat mir ganz im Sinne der für die Continentale typischen Verlässlichkeit und Kontinuität diese Aufgabe übertragen hat. Seit 1995 bin ich im Verbund tätig und konnte als Mitarbeiter, Führungskraft und seit 2004 als Vorstandsmitglied umfassende Erfahrungen sammeln sowie an den wesentlichen Weichenstellungen für den Verbund mitwirken. Vor allem die vergangenen neun Jahre als Stellvertreter von Dr. Christoph Helmich, meinem Vorgänger, haben mich sehr gut auf diese Funktion vorbereitet. Wir haben uns all die Jahre hervorragend ergänzt und gemeinsam mit unseren Kollegen die Kontinuität der Vorstandsarbeit sicherstellen können. Auch meine Verbundenheit mit den Werten und Menschen des Verbundes spielte eine wichtige Rolle.

Wie haben Ihr Werdegang im Ruhrgebiet und Ihr Studium der Wirtschaftswissenschaften Ihre Perspektive auf die Branche geprägt?

Ich habe an einem Lehrstuhl für Finanzen und Kreditwirtschaft an der Ruhr-Universität Bochum promoviert, an dem wir auch verschiedene Fragestellungen aus der Versicherungswirtschaft behandelt haben. So bin ich über die Schnittstelle der Kapitalanlage in die Versicherungsbranche gekommen – und habe dies auch nie bereut. Versicherungen sind zwar nicht so schillernd wie Unternehmen in anderen Branchen, aber wir erfüllen eine extrem wichtige gesellschaftliche Funktion, ohne die alles andere gar nicht ginge, indem wir die existenziellen Risiken absichern – sei es im Bereich Gesundheit, Altersvorsorge oder Sachwerte wie Haus und Hof.

Und diese Bodenständigkeit passt gut zu unserer Verbundkultur – und zu mir. Das hat auch mit meiner Kindheit und Jugend im Ruhrgebiet zu tun. Wer hier aufwächst, lernt früh, wie wichtig Sicherheit, Vertrauen und ehrliche Kommunikation sind.

Als neuer Vorstandsvorsitzender ist die Entwicklung einer Vision eine erste Hauptaufgabe. Wie sehen Ihre strategischen Pläne für den Versicherungsverbund aus?

Wir setzen auf Evolution statt Revolution. Wir haben in den vergangenen Jahren viele große strategische Projekte angestoßen, die wir erfolgreich weiterführen oder abschließen wollen. So haben wir uns durch organisches Wachstum und den Erwerb der Mannheimer Versicherung weniger abhängig von der Sparte Kranken und damit insbesondere von politischen Entscheidungen gemacht. Der Verbund steht heute auf drei starken Säulen – Kranken-, Lebens- und Sachversicherung – und wir wachsen mit Ertrag. Diesen Weg wollen wir mit einer breiten Produktpalette weitergehen – von der privaten Absicherung bis zur betrieblichen Vorsorge und speziellen gewerblichen Angeboten.

Aktuell und in den kommenden Jahren fokussieren wir uns zudem auf die Digitalisierung und Modernisierung der Systeme sowie die Verschlankung von Prozessen. Dabei kommt es uns nicht darauf an, überall „First Mover“ zu sein, sondern für uns die bestmöglichen Lösungen zu finden. Unser Ziel ist also, den Verbund digital modern aufzustellen, weiterhin mit Ertrag zu wachsen und unabhängig am Markt zu agieren.

Und wie erleben Sie den Spagat zwischen strategischer Weichenstellung und operativer Verantwortung?

Einen Spagat empfinde ich nicht, da ich diese Balance in meinen früheren Vorstandsressorts bereits gut trainieren konnte. Sie ist auch typisch für unsere Vorstandsarbeit insgesamt und hat vielleicht auch mit unserer Verwurzelung im Ruhrgebiet zu tun. Zwar gehören die besonderen strategischen Weichenstellungen zu unseren vorrangigen Aufgaben. Wir sind aber auch auf der operativen Ebene sehr gut informiert und eng verdrahtet mit unseren Führungskräften und Mitarbeitenden. Wir pflegen tatsächlich noch eine sehr nahbare Hands-­on-­Führungskultur.

Der Continentale Versicherungsverbund setzt auf ein breites Angebot von der privaten Absicherung bis zur betrieblichen Vorsorge. Welche Rolle spielt dabei der Vertriebsweg Makler?

Unsere Vertriebspartner sind und bleiben unsere wichtigsten Kunden, die wiederum unsere Endkunden bedienen. Das gilt gleichermaßen für Makler, Mehrfachagenten, Vertriebsgesellschaften und unsere Ausschließlichkeitsvertreter. Wir richten unser Handeln an ihren Bedürfnissen und ihren unterschiedlichen Geschäftsmodellen aus. Dazu gehört neben schlanken Prozessen auch eine breite und sehr gute Produktpalette. Zudem ist der persönliche Kontakt ein entscheidender Teil unserer Philosophie. Deshalb vertreiben wir unsere Produkte über qualifizierte Versicherungsvermittler oder direkt über die EUROPA – und nicht parallel über Banken oder Krankenkassen.

Mit der Continentale und der Mannheimer befinden sich zwei namhafte Serviceversicherer im Verbund. Auf welche Geschäftsfelder setzt mittelfristig die Continentale?

Die Continentale konzentriert sich auf private Kunden und kleine bis mittelgroße Unternehmen. Unser Fokus liegt auf umfassendem Rundum-Schutz – von Kranken- und Altersvorsorge bis zu Betrieb, Haus und Kfz. Weiterhin besonders dynamisch wachsen möchten wir insbesondere in den attraktiven Geschäftsfeldern der betrieblichen Krankenversicherung und betrieblichen Altersversorgung.

Und worauf fokussiert sich die Mannheimer, die im Maklermarkt vor allem als Versicherer für Sammelleidenschaften punktet?

Die Mannheimer fokussiert ihre Stärken auf besondere Sparten und Marken: Sie ist ein Top-Transportversicherer und setzt auf spezialisierte Marken wie SINFONIMA für klassische Musikinstrumente und VALORIMA für Juweliere. Diese Ausrichtung wollen wir weiter ausbauen und den aktuellen Marktbedürfnissen anpassen, wie wir es etwa mit I’M SOUND für elektronische Musikinstrumente bereits getan haben.

Sie fokussieren sich auf Digitalisierung, möchten aber kein „First Mover“ sein. Welche digitalen Lösungen sind für Sie besonders vielversprechend? Und was steht aktuell unter Beobachtung bzw. wird im Versicherungsverbund realisiert?

Unsere Strategie ist, gezielt dort anzusetzen, wo wir echten Mehrwert für unsere Kunden und Partner schaffen. Ein Beispiel ist die erfolgreiche Modernisierung des Bestandssystems unserer Lebensversicherungssparte: Sie ermöglichte sehr früh den Anschluss an die Digitale Rentenübersicht. Aktuell arbeiten wir an der Erneuerung der weiteren Systeme, etwa des Krankenbestandssystems. Selbstverständlich haben wir dabei immer die Schnittstellen zu unseren Vertriebspartnern mit im Blick. Zudem bauen wir unsere Continentale RechnungsApp zur umfassenden GesundheitsApp mit Funktionen wie E-Rezept und elektronischer Patientenakte aus.

Unter Maklern punktet die Continentale in der Sparte Kranken. Kompetenz und Engagement der Makler- betreuung setzen Branchenstandards. Gleichzeitig hapert es laut Maklereinschätzungen bei der digitalen Unterstützung. Wie wollen Sie hier Verbesser­ungen erzielen?

Wir nehmen die Rückmeldungen unserer Vertriebspartner sehr ernst und arbeiten intensiv daran, die digitalen Services zu verbessern. Als traditionsreicher Krankenversicherer mit einer langen Historie und vielen Tarifen im Bestand ist der Übergang in neue digitale Angebote und Services aber zum Teil eine sehr komplexe Aufgabe, die auch Zeit benötigt. Um praktikable Lösungen zu finden, stehen wir in engem Austausch mit unseren Partnern.

Der Markenclaim Ihres Versicherers lautet „Vertrauen, das bleibt.“ Wie übersetzen Sie das in die Unternehmens­kultur?

Vertrauen und Verlässlichkeit, Verantwortung und Qualität sowie der partnerschaftliche und respektvolle Umgang miteinander sind Grundwerte, die bei uns tatsächlich gelebt werden und die unseren Erfolg ausmachen. Und diese Werte haben wir nicht irgendwann künstlich zu implementieren versucht. Sie prägen unsere Kultur schon seit Jahrzehnten. Unser Anspruch ist, auch in Zukunft ein stabiler und zuverlässiger Partner für alle Beteiligten zu sein.

Die Demografie übt auf die Versicherer Anpassungsdruck aus. Wie begegnen Sie der demografischen Herausforderung, wenn erfahrene „Boomer“ in den Ruhestand gehen und jüngere Generationen nachrücken?

Das ist keine überraschende Entwicklung. Wir haben frühzeitig Maßnahmen ergriffen, um im Recruiting diesen Herausforderungen zu begegnen. Doch ehrlich gesagt sind Angebote wie flexible Arbeitszeiten, Homeoffice oder Nachwuchsförderung mittlerweile eigentlich Standard. Unsere Unternehmenskultur ist allerdings ein großes Plus. Das spiegeln uns Bewerberinnen und Bewerber sowie neue Mitarbeitende regelmäßig positiv wider. Auch im Vertrieb unterstützen wir den Generationenwechsel und sorgen so im Sinne unserer Kunden für Kontinuität.

Und wie äußert sich die Umstellung hin zu einer verstärkt nachhaltigen Ausrichtung beim Continentale Versicherungsverbund?

Das Thema Nachhaltigkeit ist in unserer Geschäftsstrategie verankert. Das betrifft unsere Produktgestaltung, unsere Kapitalanlagepolitik und auch den Geschäftsbetrieb. Ein Beispiel: So stand schon bei der Planung unseres neuen Continentale Campus in Dortmund, den wir jetzt mit rund 2.000 Mitarbeitenden bezogen haben, ein nachhaltiger Gebäudebetrieb im Fokus – mit dem wir die Gold-Zertifizierung der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen anstreben. Auch in unserer Produktentwicklung achten wir verstärkt auf Nachhaltigkeitsaspekte. So hat die Continentale im vergangenen Herbst den ESG-Award von Franke und Bornberg für hervorragende Leistungen in der Lebensversicherung erhalten.

Daneben haben Sie als Vorstandsvorsitzender technologische und regulatorische Veränderungen im Blick. Worin liegen Chancen und Risiken für Versicherer, zum Beispiel bei einem möglichen Provisionsverbot?

Die zunehmende Bürokratisierung und Regulierung führen zu erheblichen Mehrbelastungen in der Branche. Gleichzeitig kann hier aber auch die zunehmende Digitalisierung entlastend wirken. Die sich wandelnden Kundenbedürfnisse werden aber auch neue Vertriebschancen eröffnen. Als Branche sollten wir dabei fair gegenüber allen Beteiligten, Vermittlern und Kunden, bleiben. Und deutlich machen, dass eine qualifizierte Beratung gerade bei abstrakten Versicherungsprodukten notwendig ist und entsprechend belohnt werden sollte.

Konsolidierungen prägen den Markt, sowohl bei Versicherern als auch bei Vermittlern. Welchen Einfluss haben diese Entwicklungen für den Continentale Versicherungsverbund?

Wir beobachten das sehr genau und reagieren darauf – etwa durch die Neuausrichtung unseres Vertriebswegs Makler, mit dem wir flexibel auf die unterschiedlichen Bedürfnisse, etwa großer Maklerpools oder kleinerer Einzelmakler, eingehen können.

Wir haben früh die Weichen gestellt, um langfristig unabhängig zu bleiben. Wir stehen solide auf drei starken Säulen und haben mit inzwischen über 4,7 Mrd. Euro Beitragseinnahmen eine Größe erreicht, die uns ein weiterhin unabhängiges Agieren erlaubt. Daher schließen wir Fusionen mit neuen Partnern oder zum Beispiel Bestandsverkäufe in der Lebensversicherung aus. Denn wir sind überzeugt, dass die Verlässlichkeit des Produktpartners bei der Kaufentscheidung eine wichtige Rolle spielt.

Abschließend mit Blick auf das Jahr 2025: Welche zentralen Ziele haben Sie sich als Vorstandsvorsitzender des Versicherungsverbundes gestellt und wie verlief der Start ins Jahr?

Wir sind sehr gut gestartet und blicken zuversichtlich in die Zukunft. Wir werden weiterhin unsere Prozesse modernisieren, die Digitalisierung vorantreiben und unseren Vertriebspartnern die besten Rahmenbedingungen bieten – ganz im Sinne einer evolutionären Weiterentwicklung statt revolutionärer Neuausrichtungen und Umbrüche.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 03/2025 und in unserem ePaper.

Bild: © Continentale

 
Ein Interview mit
Dr. Gerhard Schmitz