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11. Juli 2024
„Sehe immer wieder Frauen, die keine Vorsorge getroffen haben“

„Sehe immer wieder Frauen, die keine Vorsorge getroffen haben“

Frauen stehen häufig im Alter finanziell weniger gut da als Männer. Nicht selten ist ein Faktor für diese Lücke die Care-Arbeit. Auch im Trennungsfall stehen sie oft schlechter da als ihre Partner. Justine Ivakovic weiß aus eigener Erfahrung, welche Auswirkungen dies auf das Leben von Frauen haben kann.

Interview mit Justine Ivakovic, Geschäftsführerin DI Frau GmbH
Frau Ivakovic, Ihr Unternehmen „DI Frau“ fokussiert sich auf Finanzberatung speziell für Frauen. Wie kam es zu dieser Spezialisierung?

Meine Geschäftspartnerin und ich sind beide Scheidungskinder und haben aus erster Hand erfahren, welche finanziellen Herausforderungen eine Scheidung mit sich bringen kann. Frauen sind besonders häufig von finanziellen Schwierigkeiten betroffen, vor allem wenn aus einer Lebenspartnerschaft Kinder hervorgehen. Im Berufsalltag sehe ich immer wieder Frauen Ende 40 bis Mitte 50, die keine eigene finanzielle Vorsorge getroffen haben. Dabei ist es gerade in jungen Jahren, am besten mit dem ersten Einkommen, wichtig, mit dem Aufbau von Rücklagen und Investitionen zu beginnen. Der Faktor Zeit wird oft unterschätzt.

Dass Frauen im Alter häufig weniger Geld zur Verfügung haben als Männer, das ist nichts Neues. Laut Destatis liegt die Rentenlücke aktuell bei 27,1%, ohne Hinterbliebenenrente sogar bei 39,4%. Wie erschreckend sind für Sie diese Zahlen?

Diese Zahlen sind sehr erschreckend! Man muss dabei auch berücksichtigen, dass die Rente selbst bei Männern oft nicht ausreicht, um den Lebensstandard zu halten. Die Rentenlücke zeigt deutlich, dass viele Frauen im Alter finanziell schlechter gestellt sind und dringender Handlungsbedarf besteht. Entsprechend setze ich mich an unterschiedlichen Stellen für finanzielle Bildung ein.

Überlassen Ihrer Ansicht nach immer noch viele Frauen die finanzielle Vorsorge ihren männlichen Partnern?

Leider ja. Finanzielle Unabhängigkeit bedeutet für mich, ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Dies war mir immer wichtig und ist auch mein Ziel für meine Mandantinnen. Schließlich wissen wir alle nicht, was das Leben für uns bereithält. Jede Frau sollte ihre finanzielle Zukunft selbst in die Hand nehmen – denn die Frau bestimmt selbst!

Vor allem Frauen mit Familie erzielen niedrigere Erwerbseinkünfte als Männer. Was sind die besten Strategien, auch mit einem niedrigeren Einkommen vorzusorgen?

Es ist entscheidend, so früh wie möglich mit dem Sparen und Investieren zu beginnen, idealerweise bereits vor der Familiengründung. In dieser Phase sind die finanziellen Mittel in der Regel noch höher, was den Aufbau entsprechender Rücklagen erleichtert und die Elternzeit sorgenfreier gestalten kann. Beim Vermögensaufbau ist es sinnvoll, die verschiedenen Förderungen und Zuschüsse der drei Schichten der Altersvorsorge zu prüfen, um das begrenzte Budget optimal einzusetzen. Frühzeitige Immobilieninvestitionen können ebenfalls ratsam sein. Durch eine Finanzierung wird die Sparrate gehebelt und im besten Fall entsteht ein positiver Cashflow, sodass sich die Immobilie in Elternzeit selbst trägt.

Was sollten Frauen vor und während Ausfallzeiten wie Mutterschutz und Elternzeit beachten?

Im Rahmen der Familiengründung sollten Einkünfte und Ausgaben des gesamten Haushalts sorgfältig geplant und Rücklagen für unvorhergesehene Ausgaben geschaffen werden. Es ist sinnvoll, alle laufenden Fixkosten zu überprüfen und unnötige Ausgaben wie Abonnements zu kündigen. Zudem sollte man sich im Voraus mit den Themen Elterngeld, Kindergeld und anderen Fördermöglichkeiten auseinandersetzen. Sofern die Möglichkeit besteht, kann eine berufliche Weiterbildung oder zusätzliche Qualifikation während der Elternzeit den beruflichen Wiedereinstieg erleichtern.

Im Trennungsfall haben Frauen oft ein finanzielles Problem. Auch wenn es vielleicht unromantisch klingt: Wie können Frauen vorsorgen, um im Fall der Fälle nicht ohne finanzielles Polster dazustehen?

Geld sollte in der Beziehung kein Tabu-Thema sein. Eine transparente und offene Kommunikation in der Partnerschaft ist unerlässlich, insbesondere wenn die Familiengründung dazu führt, dass eine Person überwiegend der Erziehungsarbeit nachgeht und dadurch ein geringeres oder gar kein Einkommen hat. Es ist wichtig, dass Frauen von Anfang an finanzielle Eigenverantwortung übernehmen, unabhängig von ihrem Partner vorsorgen und dies auch während der Elternzeit aufrechterhalten. Frauen sollten zudem eigene Sparkonten und Investitionen haben, um ihre finanzielle Unabhängigkeit zu sichern. Ein gemeinsames Budget und eine klare Aufteilung der finanziellen Verantwortung können dazu beitragen, dass beide Partner gleichermaßen abgesichert sind. Schließlich kann der Abschluss eines Ehevertrags helfen, klare Regelungen für den Fall einer Trennung zu treffen und damit finanzielle Unsicherheiten zu minimieren.

Auch beim Thema Investieren hängen Frauen häufig noch hinterher. Woher stammt diese Zurückhaltung und wie können Frauen sie Ihrer Meinung nach überwinden?

Die Zurückhaltung beim Investieren hat oft historische und kulturelle Gründe. Doch laut dem Aktieninstitut haben 2022 sogar mehr Frauen den Kapitalmarkt neu für sich entdeckt als Männer. Wir sind also auf einem guten Weg. Soziale Medien tragen dazu bei, auf Gender Gaps aufmerksam zu machen, und es gibt spezielle Angebote für Frauen wie unsere Finanz-Bildungs-App „finance, baby!“. Neben digitalen Bildungsangeboten sind auch Netzwerke und Communities wichtig, in denen Frauen sich gegenseitig unterstützen und Erfahrungen austauschen können. Durch gezielte Workshops und Seminare können Frauen ihr Finanzwissen vertiefen und selbstbewusst in ihre finanzielle Zukunft investieren.

Worauf sollten Frauen achten, wenn sie finanzielle Beratung in Anspruch nehmen? Wie findet man hier den richtigen Makler bzw. die richtige Maklerin?

Ich empfehle immer eine ganzheitliche Beratung, da alles irgendwie zusammenhängt. Es macht Sinn, den Status quo sowie die geplanten Lebensphasen, Ziele und Wünsche zu definieren, um darauf aufbauend eine Finanzplanung zu erstellen. Ein guter Berater wird sich Zeit nehmen, um die individuellen Ziele und Bedürfnisse zu verstehen und maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln. Bestenfalls geschieht dies zusammen mit einem CERTIFIED FINANCIAL PLANNER® (CFP®). Hier hat man die Sicherheit, sich in kompetente Hände zu geben. So oder so sollte man sich über die Qualifikationen und Zertifizierungen des Beraters informieren, um sicherzustellen, dass man fundierte und unabhängige Unterstützung erhält.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 07/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © Justine Ivakovic, DI Frau GmbH

 
Ein Interview mit
Justine Ivakovic