Interview mit Andreas Wollermann, Unternehmer, Berater und Trainer für Versicherer und Finanzdienstleister unter der Wortmarke GENfluenZer®
Herr Wollermann, bei Besetzung neuer Stellen verschiebt sich der Anteil der Bewerber mehr in Richtung der Generation Z. Welche Menschen zählen dazu?
Bei der Generation Z sprechen wir über die kleinste Alterskohorte, die es gegenwärtig in Deutschland gibt. Vereinfacht zählen dazu alle Menschen, die zwischen 1995 und 2010 geboren wurden. Das charakteristische Merkmal dieser Generation ist für mich, dass es sich bei dieser Gruppe um die sogenannten Digital Natives handelt, also Menschen, die, wenn man so will, in das Internet hineingeboren wurden.
Die Einteilung der Gesellschaft in soziologische Gruppierungen ist übliche Praxis. Warum wird das gemacht?
Soziologisch gibt es durchaus Sinn, eine Gesellschaft in Gruppen von Personen – die sogenannten Kohorten – einzuteilen. Im Mittelpunkt der Einteilung stehen diejenigen Lebensjahre, die einen Menschen für sein Leben in besonderer Art und Weise prägen. Und das ist in der Regel zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr der Fall. Man schaut sich an, wie sich diejenigen Einflüsse verändern, die in diesem Zeitraum von außen auf Menschen wirken, und wie sie dabei Werte und Überzeugungen beim Menschen verändern.
Struktureller Wandel wie die Digitalisierung, aber auch kurzfristige Schocks wie die Corona-Pandemie prägen Menschen. Was unterscheidet die Generation Z von vorangegangenen Generationen?
Der Unterschied zwischen den Generationen ist das Internet. Klar, jeder Mensch – ob jung, ob alt – nutzt das Internet. Aber die Generation Z ist die erste Generation, die mit dem Internet, seinen Technologien und seiner Benutzung aufwächst. Während in den vorangegangenen Generationen – die Babyboomer sowie die Generationen X und Y – Wissen lediglich dosiert und begrenzt zur Verfügung stand, erlebt die Generation Z eine Explosion des Wissens.
Was meine ich damit? Junge Menschen sind heutzutage live bei TikTok und Instagram aktiv. Zwei Klicks und sie können sich über die Arbeitsbedingungen in einem Entwicklungsland informieren usw. Die Generation Z bekommt alle Informationen und alles Wissen sofort.
Meine Gespräche mit jungen Menschen zeigen, dass es in der Generation Z keine Trennung zwischen der analogen und der digitalen Welt gibt – das Smartphone ist wie eine dritte Hand. Sprache und Perspektiven verändern sich.
Werte prägen Personen und damit auch Karrieren. Welche Werte sind der Generation Z generell wichtig?
Für die Generation Z ist Authentizität zentral. Junge Menschen sind täglich etwa zwischen vier und zehn Stunden online, wodurch sie ein feines Gespür dafür entwickelt haben, ob der Influencer sein Versprechen ehrlich und ernst meint oder ob das Versprechen nicht passt. Dazu kommen Ehrlichkeit und Transparenz. Und ganz wichtig: Nachhaltigkeit. Die jungen Menschen kommen täglich mit diesem Thema in Berührung. Daher hat die Generation Z einen völlig anderen Bezug zu den Themen Umwelt und Klima entwickelt als ihre Vorgängergenerationen, die Nachhaltigkeit – wenn überhaupt – nur aus der Ferne bzw. von vereinzelten Erzählungen kennen.
Die Arbeits- und Berufswelt verändert sich schnell. Worauf achtet die Generation Z mit Blick auf die eigene berufliche Tätigkeit besonders?
Der bewusste Umgang mit Zeit ist für die Generation Z ein wichtiger Faktor. Denn sie haben bei ihrer Elterngeneration gesehen, wie sie sich im Erwerbsleben für ihre Arbeitgeber auf Kosten von Freizeit verschlissen haben. Junge Menschen können mit ihrem Smartphone sehr viele Angelegenheiten just in time erledigen und haben dadurch viel mehr Zeit für sich. Sie fragen sich daher: Warum soll das in der Arbeit nicht auch klappen?
Die Generation Z gilt unter Arbeitgebern eher als bequem, bisweilen unmotiviert. Was ist dran an diesem Ruf bei den Unternehmen?
Die Generation Z wird häufig als sehr anspruchsvoll eingeordnet, etwa bei der Work-Life-Balance, der Vier-Tage-Woche oder bei Workation. Dazu gesellt sich der Vorwurf mangelnder Durchhaltefähigkeit und Zuverlässigkeit.
Generell aber bringt die Generation Z eine neue Mentalität beim Thema Arbeit mit. Früher herrschte hierzulande die Überzeugung vor, dass wir alle leben, um zu arbeiten. Diesen Grundsatz teilen die jungen Menschen nicht mehr. Junge Menschen arbeiten nicht mehr für einen Arbeitgeber und einen ganz bestimmten Unternehmenszweck, sondern für ihre eigenen Ziele bei einem Arbeitgeber, dessen Werte sie teilen und der sie im Idealfall individuell begleitet und fördert. Kurz: Sie arbeiten, um zu leben.
Das klingt nun recht allgemein. Welche konkreten Qualitäten bringt die Generation Z für Arbeitgeber mit?
Die Generation Z bereitet die Unternehmen auf das vor, was auf uns alle zukommen wird: die digitalisierte Welt. Der Point of Sale – gerade auch im Versicherungsbereich – wird in Zukunft im Smartphone liegen. Die jungen Menschen sind gegenwärtig bereits digitaler Kunde oder digitaler Mitarbeiter. Und genau diese Denkweise brauchen Unternehmen, um künftig innovativ sein zu können.
Umgekehrt war es für Unternehmen noch nie so leicht, für Menschen sichtbar zu sein. Junge Menschen sind viel in Social Media aktiv. Ob auf Instagram oder TikTok: Versicherer und Maklerhäuser müssen dort präsent sein und ihre Werte, ihren Purpose authentisch erzählen. Dann sind die Unternehmen für die Generation Z sichtbar, und das färbt positiv ab.
Die Führungskultur eines Betriebes trägt maßgeblich zur Mitarbeiterzufriedenheit bei. Welchen Führungsstil verlangen die jungen Menschen?
Junge Menschen sind es gewohnt, häufiger Feedback zu bekommen. Beispiel Social Media: Jeder Post erhält dort in der Regel innerhalb weniger Minuten das erste Feedback. Diese Erwartungshaltung herrscht auch gegenüber Vorgesetzten bzw. Arbeitgebern. Und schnell sollte das Feedback auch sein. Einfach mal anmerken: „Cooler Job heute, du hast einen guten Tag gehabt.“ Das braucht die Generation Z – Anerkennung in gleicher Art und Weise, wie Social Media dies bei jedem Post und jeder Story in sozialen Medien als das neue Normal entwickelt hat.
Ein wichtiger Punkt ist noch ihre Selbstständigkeit. Junge Menschen sind es gewohnt, ihre Probleme durch das Smartphone selbstständig lösen zu können. Daher sollten die Unternehmen der Generation Z ruhig zutrauen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, ihnen Freiräume zugestehen und sie bei Entscheidungsfindungsprozessen einbeziehen.
Über Andreas Wollermann
Andreas Wollermann ist Unternehmer, Berater und Trainer für Versicherungen und Finanzdienstleister, der sich intensiv mit den Themen der Generation Z beschäftigt und Eltern, Lehrern, Unternehmen zur Seite steht, um ein Verständnis für diese Lebensrealitäten zu entwickeln. Als gelernter Versicherungskaufmann mit Stationen vom Vertriebler bis hin zur Führungskraft in verschiedenen Unternehmen führt er unter der Wortmarke GENfluenZer® auch eigene Studien durch, um die Lebenswirklichkeit der Generation Z einzufangen.
Im Weiteren engagiert er sich als Geschäftsführer des Instituts zur Nachwuchsförderung in der Versicherungswirtschaft (INVW) für eine positive Veränderung in der Versicherungsbranche.
Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 08/2023 und in unserem ePaper.
Bild: © shintartanya – stock.adobe.com bzw. Andreas Wollermann
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