Herr Höse, das Thema Gewerbeversicherung rückt seit etlichen Jahren zunehmend in den Fokus von Maklern. Wie nehmen Sie die Entwicklung in dieser Sparte aktuell wahr?
Das Gewerbegeschäft konnten wir im vfm-Verbund aufgrund zahlreicher Maßnahmen, die wir in den vergangenen Jahren bei unseren Kooperationspartnern platziert haben, hervorragend ausbauen. Wir sind daher zuversichtlich, diesen Trend auch in den nächsten Jahren fortsetzen zu können.
Nun gilt das Gewerbekundengeschäft als vielseitig und lukrativ, aber auch als komplex. Lohnt sich ein Ein- bzw. Umstieg für Makler?
Newcomer können leicht in Haftungsfälle geraten. Mithilfe einer einzelfallbezogenen kompetenten Unterstützung ist nach unserer Erfahrung eine erfolgreiche Tätigkeit sehr gut umsetzbar. Die vfm setzt darauf, dass Makler selbstständig agieren können und im Bedarfsfall die Expertise vom Verbund erhalten.
Was müssen Makler denn mitbringen, um im Gewerbegeschäft Fuß zu fassen und erfolgreich zu sein? Und wie sollten sie als Unternehmen aufgestellt sein?
Am Markt kristallisiert sich ein Erfolgsmodell besonders heraus: Der Inhaber des Maklerunternehmens akquiriert und betreut die Kunden vor Ort. Er ist Ansprechpartner für den Gewerbetreibenden und gleicht in regelmäßigen Abständen die Veränderungen im Betrieb mit dem bestehenden Versicherungsschutz ab. In Abhängigkeit von seiner Vertriebsstärke benötigt er ein oder mehrere Innendienstkräfte, die eine korrekte und zeitnahe Abwicklung der mit dem Kunden getroffenen Vereinbarungen sicherstellen. Die Vorgehensweise passt ebenso auf größere Schadenfälle. Das Modell lässt sich durch Hinzunahme von weiteren Vertriebs- und Innendienstmitarbeitern beliebig erweitern.
Die fachliche Kompetenz für Vertrieb und Schadenabwicklung kann bei Bedarf von Dienstleistern wie vfm hinzugebucht werden. Die vfm bietet ihren Verbundpartnern neben starken Gewerbe-Deckungskonzepten und ausgeklügelten Checklisten für die jeweilige Branche auch eine persönliche Unterstützung, die bis zum gemeinsamen Kundenbesuch reicht.
Wie wichtig sind denn neben dem fachlichen Know-how gerade für Vermittler in diesem Bereich die Digitalisierung und die Optimierung ihrer Prozesse?
Der Gewerbekunde erwartet neben einer optimalen Absicherung einen perfekten Service. Dabei spielt der Zeitfaktor eine immer wichtiger werdende Rolle. Schon bei der Bedarfsermittlung ist eine digitale Unterstützung für den Kunden spürbar angenehm. Das Ausfüllen von ausführlichen Fragebögen frustriert die Befragten sehr schnell und führt auch oft dazu, dass die Sinnhaftigkeit der Fragen insgesamt angezweifelt wird. Elektronische Tools konzentrieren die Fragen auf das Relevante und führen dadurch schneller zum Ziel.
Ebenso ist die schnelle Reaktion auf Anliegen des Kunden und die Sicherstellung von Termineinhaltungen bei der Vielzahl von Aktivitäten nur durch ein leistungsstarkes Kundenverwaltungsprogramm zu erreichen.
Und wie unterstützt vfm die Makler dabei?
vfm bietet seinen Kooperationspartnern mit dem hauseigenen Maklerverwaltungsprogramm Keasy eine ideale Organisation sämtlicher Vorgänge in Bezug auf die Vertragsverwaltung der Kunden und entlastet den Makler zusätzlich beispielsweise bei der Steuerung von Kampagnen oder Provisionsabrechnungen. Diverse Schnittstellen zu Vergleichstools und einem Dienstleister für den Dokumententransfer sorgen für reibungslose Abläufe und fehlerfreie Ergebnisse. Als Marktbesonderheit setzt vfm zudem eine Vielzahl von Mitarbeitern ein, um den Verbundpartnern eine exklusive und hochwertige Unterstützung für jede benötigte Dienstleistung zukommen zu lassen.
Nun unterscheiden sich Unternehmen der jeweiligen Branchen in ihrem Bedarf an Versicherungen. Geht der Trend denn verstärkt zur Spezialisierung auf bestimmte Branchen? Und was bringt Maklern die Spezialisierung?
Der spezialisierte Makler ist aufgrund der sich wiederholenden gleichen Arbeitsschritte stark im Vorteil gegenüber dem Makler, der eine Vielzahl von unterschiedlichen Betriebsarten in seiner Kundschaft hat. Mit jedem weiteren Betrieb der gleichen Branche erhält der Makler tiefere Einblicke in die Bedürfnisse dieser Kunden. Dadurch steigt der Akquisitionserfolg ebenso wie die Effizienz der Bestandsbearbeitung und Schadenabwicklung. Die enormen Kosten zur Erschließung eines eindimensionalen Kundenstammes darf man aber nicht außer Acht lassen. Ein Blick auf Statistiken zu Maklerbetrieben in Deutschland zeigt, dass es nur wenigen gelingt, mit einer Gewerbebranche allein ein Maklerhaus zu betreiben.
Was halten Sie denn von den Zielgruppenkonzepten der Versicherungsgesellschaften?
Auch Versicherer erzielen durch Spezialisierungen Kostenvorteile und bieten daher auch außerhalb von Exklusivprodukten gute Zielgruppenkonzepte an. So gibt es beispielsweise gute Versicherungslösungen für Ärzte, Landwirte, Hoteliers oder Bauhandwerker. Neben Bedingungswerken mit branchenspezifischen Einschlüssen werden auch einfache Tarifierungen, ordentliche Verkaufshelfer und digitale Prozesse geboten. Leider konzentrieren sich fast alle Versicherer dabei auf eine Versicherungssparte und vernachlässigen die anderen Bereiche. So finden sich beispielsweise Haftpflichtversicherer, die Bauhandwerkern hochwertige Deckungen bieten, aber aus dem gleichen Haus nur schwache Leistungen für die Sach- und Technischen Versicherungen vorhalten. Der Anspruch des Bauhandwerkers ist in der Praxis analog zu den Gewerken am Bau eine durchgehend hohe Qualität in allen Versicherungssparten.
Das „Silodenken“ in den Versicherungsgesellschaften verhindert es oft, eine Komplettlösung mit einem Versicherer zu realisieren. Das wäre wünschenswert, denn Sanierungsbemühungen bei schadenbelasteten Verträgen fallen oft milder aus, wenn sämtliche Sparten bei einem Anbieter platziert werden können.
Wie steht es denn im Allgemeinen um die Lösungen der Versicherer für Gewerbekunden auf dem Markt? Können Makler damit den Versicherungsbedarf von Unternehmen unterschiedlicher Größe und Branchen tatsächlich erfüllen?
Der Wettbewerb der Versicherer hat hier im klassischen Sinn funktioniert. Es findet sich für nahezu jeden Gewerbekunden die passende Deckung. In Standardprodukten sind zwischenzeitlich oft Deckungsbausteine pauschal eingeschlossen, die noch vor zehn Jahren gesondert angefragt werden mussten und auch erhebliche Zuschläge verursachten. So sind beispielsweise heutzutage die Ziffern 4.1 bis 4.6 der Erweiterten Produkthaftpflicht standardisiert in den meisten Wordings integriert. In Ausnahmefällen geht jedoch der Bedarf von Gewerbekunden über die Möglichkeiten der Gewerbebereiche der Versicherer hinaus.
Ein Beispiel: Ein Metallbau-Handwerker erhält eine Anfrage, auf dem Gelände eines Flughafens eine Absperrung zu errichten. Der Flughafenbetreiber fordert die Bestätigung über eine Betriebshaftpflichtversicherung mit einer Versicherungssumme von 50 Mio. Euro für diesen Auftrag. Der Gewerbebereich aller Versicherer hat hierfür keine Lösung. Im besten Fall bietet der Industrie- bzw. Corporate-Bereich des Versicherers die passende Deckung. Der Mindestbeitrag ist jedoch meist so hoch, dass sich dadurch der Auftrag für den Handwerker nicht rechnet und damit das gesamte Geschäft scheitert.
Wie sieht es in diesem Zusammenhang mit dem Thema Cyber aus? Nach den Betriebsunterbrechungen gelten Cybervorfälle ja als größtes Risiko für Firmen. Wie verhält sich die Nachfrage?
Die Cyberdeckungen am Markt sind auf einem guten Niveau. Ebenso halten viele Versicherer Kapazitäten bei hervorragenden Dienstleistern für den Schadenfall vor. Damit kauft sich der Kunde im übertragenen Sinn eine Spezialeinheit der Feuerwehr für den Ernstfall in seinem Betrieb ein. Der Bedarf besteht, aber die Nachfrage ist immer noch sehr gedämpft. Wir halten den Ansatz präventiver Maßnahmen durch einen Schadendienstleister bei oder sogar vor Vertragsabschluss für vielversprechend, um Kunden vom Nutzen der neuen Sparte zu überzeugen. Die Branche ist jedenfalls davon überzeugt, dass die Beitragseinnahmen aus Cyberversicherungen in wenigen Jahren einen Spitzenplatz unter den Sparten einnehmen.
Und wo sehen Sie weitere künftige Trends?
Die weiter fortschreitende Digitalisierung der Wirtschaft wird neue Produkte hervorbringen, die entweder als Themenversicherung „Cyber“ mit angehängten Sach- und Haftpflichtmodulen konstruiert sind, oder die Cyberrisikoabsicherung wird in die bekannten Sparten eingebaut. Der Klimawandel hat Auswirkungen auf jede Wirtschaftsbranche. Niedrigwasser und Ernteausfälle aufgrund von Trockenheit haben massive Auswirkungen auf die Lieferketten. Die Verarbeitung von nachwachsenden anstatt synthetischen Rohstoffen oder die Nutzung von erneuerbaren Energien führen zu neuen Risikobereichen.
Die Versicherungswirtschaft hat hier wunderbare Chancen, mit innovativen Produkten den Gewerbetreibenden Sicherheit zu geben, und kann damit die dringend notwendigen Veränderungen zur Erreichung der Klimaziele ermöglichen. Für Vermittler gehört deshalb die Frage nach Neuerungen, Prototypen oder Probandenstudien zum Jahresgespräch.
Das Interview lesen Sie auch in der AssCompact Sonderedition Gewerbeversicherung auf S. 6ff. und in unserem ePaper.
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Bild oben: © Sondem – stock.adobe.com
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