Herr Kunkel, AssCompact feiert die 25. 1998 galten PDFs schon als fortschrittlich. Könnten Sie sich vorstellen, in so einer Situation zu arbeiten?
Nein, auf gar keinen Fall. Da hat sich in den vergangenen Jahren so viel getan. Die Digitalisierung schreitet exponentiell voran und nicht linear. Zurück gehen ins „PDF-Zeitalter“, die damals wahrscheinlich noch nicht einmal beschreibbar waren, wäre undenkbar. Ich weiß nicht, ob ich damals überhaupt Versicherungsmakler geworden wäre.
Die Branche ist für Sie dank Digitalisierung interessanter geworden?
Absolut, 100%-ig ja!
Sie sind 2015 in die Branche gekommen. Wie eigentlich?
2015 wurde ich Versicherungsmakler. Ich bin aber schon 2007 in die Branche gekommen. Da habe ich meine Ausbildung zum Kaufmann für Versicherungen und Finanzen bei der Debeka gemacht. Dann kam ein Break und ich habe noch mal etwas Branchenfremdes studiert. Danach bin ich als Versicherungsmakler zurückgekehrt. Ich fand es sympathisch, auf Kundenseite zu stehen – ohne Vorgaben, ohne interne Vertriebsziele. Das fand ich gut, weil ich schon immer der Überzeugung war, Versicherung ist ein wichtiges Thema, nur wollte ich es eben „in meinem Stil“ machen. Und plötzlich gab es dann neue Möglichkeiten der Kundengewinnung. So habe ich Jahr für Jahr alles weiter ausgebaut und natürlich auch viel Neues ausprobiert.
2007 haben Sie Ihr Abitur gemacht und das iPhone kam auf den Markt. Welche Bedeutung hat das Smartphone für Sie?
Ich war schon immer ein Handy-Junkie und musste auch als einer der Ersten das iPhone haben. Heute verbringen die Menschen – und damit auch unsere Kunden – viel Zeit damit. Für mich ist es schlüssig, als Versicherungsvermittler dort zu sein, wo die Kunden sind, also am Smartphone und in den Social-Media-Apps. Deswegen sind wir auch auf allen relevanten Plattformen unterwegs.
Und: Wenn wir heute zum Vertragsabschluss kommen und eine SMS verschickt wird, der Kunde auf sein Smartphone tippt und mit seinem Finger unterschreibt, ist das natürlich ein Super-Prozess, den unsere Kunden und auch wir wertschätzen.
Ziehen andere Makler nach?
Wenn ich mich mit Gleichgesinnten austausche, auf alle Fälle. Es ist nicht so, als hätten wir das Rad alleine neu erfunden, sondern die digitalen Möglichkeiten werden auch von anderen Maklern, die teilweise jünger sind als ich, intensiv genutzt. Die können damit mittlerweile wahrscheinlich noch fixer umgehen als ich. Das wird sich also durchsetzen und in den nächsten Jahren werden sich die Arbeitsweisen auch noch einmal stark verändern und irgendwann werden sie zum neuen Standard.
Was ist mit dem Thema KI?
Ich bin kein KI-Experte. Ich probiere ChatGPT und ein paar andere aus, klar. Und da habe ich auch schon ein paar sinnvolle Use Cases für uns gefunden. Aber ich habe auch feststellen müssen, dass egal, wie ich mit ChatGPT umgehe und es Versicherungsfragen beantworten lasse, noch nie eine Antwort dabei war, die zufriedenstellend war. Teilweise waren die Antworten katastrophal.
Möglicherweise ist das Thema Versicherung so schwer von der KI zu greifen, weil es so komplex und individuell ist. Aber ich behaupte auch nicht, dass das nie was werden wird. Das wäre vermessen. Wir werden in drei Jahren auf einem anderen Level sein als heute. Eine KI könnte uns als Vermittler viele Aufgaben abnehmen und weniger fehleranfällig sein. Und trotzdem glaube ich am Ende, beispielsweise bei einer BU-Versicherung oder einer PKV, dass ein Mensch immer noch mal mit einem anderen Menschen zumindest final vor dem Abschluss sprechen möchte.
Am Ende vertrauen Menschen Menschen. Mein Gefühl sagt mir sogar, dass die Generationen nach mir, also die Generation Z und dann die Generation Alpha, dies noch mehr wollen. Die legen noch mal mehr Wert auf Werte und das Menschliche. Deswegen glaube ich nicht, dass sie etwa eine Versicherungs-App, die rein KI-gesteuert ist, komplett feiern werden.
Die Welt der sozialen Medien ist schnell und zweigeteilt. Wie sieht die Zukunft von Social Media aus?
Social Media wird nicht verschwinden, das ist ganz klar. Social Media wird sich verändern, das ist auch logisch. Die Menschen verbringen, wenn sie im Internet sind, die meiste Zeit auf Apps wie Instagram, TikTok, YouTube, Snapchat. Wir als Makler achten immer darauf, wie sich die Plattformen verändern und wie wir dort präsent sein können – als Marke, als Versicherungsmakler, als Unternehmen. Wir müssen immer dort sein, wo die Kunden sind. Wo diese in fünf Jahren sein werden? Keine Ahnung, aber wir werden auf alle Fälle auch dort sein.
Planen Sie denn überhaupt über längere Zeiträume?
Nein, das machen wir bewusst nicht. Ich habe schon an der Uni, als ich ein paar Gründungsideen hatte, gedacht, dass Businesspläne der größte Blödsinn sind. Du kannst den besten Businessplan haben, und dann kommt das Leben, und alles sieht ganz anders aus. Das Einzige, was für mich bzw. uns wichtig ist, ist: Funktioniert heute das, was wir tun? Macht es mir Spaß? Ja? Dann ist alles gut. Und wenn das nicht mehr so ist, dann werden wir wieder genau die Dinge tun, die nötig sind, damit das wieder der Fall ist.
Welche Themen beschäftigen Sie und Ihre Kollegen dann aktuell?
In den letzten Wochen war natürlich wieder das Thema Provisionsverbot aktuell. Mal schauen, wo da die Reise in den nächsten Jahren hingeht. Aber auch da lassen wir uns nicht verrückt machen. Wir sind sehr agil unterwegs und würden es schaffen, unser Geschäftsmodell innerhalb weniger Wochen komplett umzustellen. Wir können es und haben auch immer den Willen zur Veränderung.
Was für die Branche noch wichtiger werden wird, ist der Generationenübergang der Vermittlerschaft. Die Älteren machen aktuell immer noch die Masse des Geschäftes, und da liegt bei den Versicherern noch der Fokus drauf. Verpasst man aber die Veränderung, dann verpasst man wahrscheinlich auch die Chance, junge Menschen für die Branche zu gewinnen. Also: Thema Nachwuchs. Die Branche muss was bieten, wo 20-Jährige richtig Bock darauf haben.
Vier-Tage-Woche?
Nein. Na ja gut, vielleicht ein bisschen differenzierter: Nachdem ich schon sieben Jahre selbstständig bin und geackert habe ohne Ende, damit ich dann einen Tag mehr zu Hause bei meinem Sohn und meiner Frau sein kann: ja. Aber einfach als Angestellter, der als Jobeinstieg die Vier-Tage-Woche will – da fehlt mir die Fantasie und auch der Wille, das nachzuvollziehen. Leistung muss erbracht werden und Arbeit muss erledigt werden – und dann kann sie auch entsprechend vergütet werden.
Aber noch ergänzend: Wenn der Ansatz ist, dass die Arbeit, die man zuvor an fünf Tagen gemacht hat, effizienter in nur vier Tagen erledigt werden kann, dann ja, warum nicht? Aber nicht einfach ein Tag weniger und dann wird halt auch weniger gearbeitet. Das wird unser Land vor allem in der aktuellen Situation nicht voranbringen.
Wenn wir Sie zum Abschluss noch zu AssCompact befragen würden, was wäre denn Ihre Antwort dazu?
Als ich 2017 den Jungmakler Award gewinnen durfte und auf dem Cover der AssCompact war, hat meine amerikanische Frau und ihre Familie einen Lachanfall bekommen. Wer den Namen auf Englisch liest und mit der Versicherungsbranche nichts zu tun hat, dem sendet er eine andere Botschaft. Ich hoffe, AssCompact hat nie vor, international zu expandieren, vor allem nicht in englischsprachige Länder.
Aber natürlich in erster Linie: Glückwünsche und danke für eine inzwischen jahrelange tolle Zusammenarbeit. Super! Vielleicht wäre ich früher in die Branche gekommen, wenn mir damals vor 25 Jahren statt des Mickey-Mouse-Hefts eine AssCompact in die Hände gefallen wäre.
Zur Person
Bastian Kunkel ist Geschäftsführer der VMK Versicherungsmakler GmbH. Als Gründer und Influencer gibt er heute sein Wissen weiter und sorgt auch als Buchautor für Furore. AssCompact begleitet Bastian Kunkel seit seinem 1. Platz beim Jungmakler Award 2017 – und umgekehrt.
Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 07/2023, S. 96 f., und in unserem ePaper.
Bild: © Bastian Kunkel, VMK Versicherungsmakler
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