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12. März 2023
„Babyboomer-Unternehmer“: Beeinflusst Personalmangel Unternehmenswerte?
„Babyboomer-Unternehmer“: Beeinflusst Personalmangel Unternehmenswerte?

„Babyboomer-Unternehmer“: Beeinflusst Personalmangel Unternehmenswerte?

Beim Fachkräftemangel wird wenig darüber gesprochen, wie er sich auf die Veräußerung eines Maklerbetriebs auswirkt. Dr. Adams & Associates geht davon aus, dass Unternehmenswerte aufgrund des Personalmangels sinken werden. Besserung? Nicht in Sicht.

Ein Artikel von Dr. Stefan G. Adams, Geschäftsführer der Dr. Adams & Associates GmbH & Co KG

Unternehmenswerte von Maklerbetrieben korrelieren mit den verschiedensten betriebswirtschaftlichen Kennzahlen. Lange unterschätzt wurde dabei ein eher weicher Parameter, der bei einem geplanten Verkauf die Preise beeinflusst: Immer mehr in den Fokus rücken die Personalquantität und die Personalqualität auf Verkäufer-, aber auch auf Erwerberseite. Konnten vor fünf Jahren noch problemlos gut strukturierte Ver­sicherungsbestände und Maklerunternehmen veräußert werden, deren Personalkörper eher überaltert war, wird heute meist schon vor Beginn ernsthafter Verhandlungsgespräche vonseiten des potenziellen Erwerbers die Frage nach dem Personalportfolio des Zielunternehmens gestellt. Dies ist eine Folge des allgemeinen Fachkräftemangels, der übrigens auch die Erwerber betrifft: Im Gegensatz zu früheren Jahren halten diese kaum mehr eine Personalreserve für eventuelle Unternehmenskäufe vor.

So lässt sich direkt eine naheliegende Frage beantworten: Maklerunternehmen oder Kundenbestände ohne adäquaten Personalkörper – in qualitativer wie auch in quantitativer Hinsicht – sind zunehmend schwerer verkäuflich.

Viele der in den kommenden Jahren aus dem Erwerbsleben ausscheidenden Maklerunternehmer der Generation „Babyboomer“ – primär die Jahrgänge 1958 bis 1965 – stehen also vor der Herausforderung, diese Situation zu managen. Denn in den meisten Betrieben ist der Personalstamm über Jahrzehnte mitgewachsen und befindet sich in einer dem Inhaber vergleichbaren Altersklasse.

Umfragen von Dr. Adams & Associates haben gezeigt, dass die Babyboomer-Unternehmergeneration zunehmend frustriert ist aufgrund der Tatsache, dass es fast unmöglich ist, motivierte und qualifizierte jüngere Mitarbeiter oder Führungskräfte einzustellen.

Veränderte Arbeitseinstellung, niedrigeres Bildungsniveau

Der Grund für den Fachkräftemangel findet sich im demografischen Faktor. Es sind aber auch andere Aspekte, die so manchem Unternehmer höheren Alters zu schaffen machen:

  • Die Grundeinstellung zu Arbeit hat sich verändert. Arbeit, Verantwortung und Karriere werden für jüngere Generationen unwichtiger. Sich in einem stabilen Beschäftigungsverhältnis bei einem etablierten Unternehmen zu befinden, war früher ein Statussymbol. Das hat sich geändert. Schon im Bewerbungsgespräch wird heute nach einer verkürzten Wochenarbeitszeit, möglichst im Home-Office, gefragt. Die Work-Life-Balance entwickelt sich tendenziell zu einer Life-Life-Balance. Das Anspruchsverhalten der jüngeren Bewerber steigt, da aufgrund des Fachkräftemangels der nächste gut dotierte „Job“ nicht weit ist.
  • Die Erbengesellschaft beeinflusst die Arbeitsmotivation und Lebenseinstellung. Die älteren Generationen haben oft in mühevoller Arbeit ein gewisses Vermögen aufgebaut, das es in den nächsten Jahren zu (ver)erben gilt. In dem Bewusstsein zu erben treffen viele jüngere Menschen bzw. Mitarbeiter die Entscheidung, beruflich eher kürzerzutreten. Eine Einstellung, die den meisten älteren Unternehmern und Führungskräften fremd ist. Das Erreichen von „Statussymbolen“ älterer Generationen wie Auto, Haus oder Urlaube steht häufig nicht mehr im Fokus der (potenziellen) Nachwuchskräfte. Viele wissen eben auch, dass solche Vermögenswerte via Erbschaft erworben werden.
  • Die Ausbildungsqualität hat nachgelassen. Mit Beginn der Pisa-Studien wurde in Deutschland schon vor 20 Jahren erstmals transparent, dass sich das Bildungsniveau nicht mehr in der Spitzengruppe befindet. Ein Beispiel unterstreicht dies: Die Studie „IQB-Bildungstrends 2022“ stellt dar, dass Kinder der 4. Klasse heute in Mathematik und Lesen drei Monate hinter dem Niveau von 2016 liegen. Gegenüber 2011 sogar sechs Monate. Kein Wunder, dass Unternehmer dann später bei Bewerbern in diesem Zusammenhang von negativen Erfahrungen zu berichten wissen. Die Gründe sind vielfältig und basieren auf gesellschaftlichen Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte. Aber eines ist gewiss: Diese Defizite bei Kernkompetenzen „begleiten“ die betroffenen jungen Menschen und somit unsere Gesellschaft ihr gesamtes (Arbeits-)Leben.
Was sind die Folgen dieser gesellschaftlichen Entwicklungslinien?

Wie kann man dieser Entwicklung begegnen? Kapitalstarke mittelständische und größere Maklerunternehmen versuchen dem Fachkräftemangel mit Digitalisierungsstrategien zu begegnen. Ein Weg, der aus vielen Gründen alternativlos ist. Allerdings treten positive Effekte aus der Digitalisierung meist erst mittelfristig ein.

Für Unternehmer, die bereits an die Veräußerung ihres Lebenswerks denken, sind diese nicht unerheblichen Investitionen meist kein Wunschszenario. Ohne derartige Investitionen steigt aber, bei sich sukzessive erhöhendem Anforderungsprofil an die Mitarbeiter, das Arbeitsvolumen der gesamten Belegschaft inklusive dem des Geschäftsführers und Inhabers weiter an. Zudem: Steigende Energiekosten, höhere Inflationsraten und die Zinsentwicklung führen zu steigenden Personal- und Sachkosten.

Der negative Effekt der genannten Personalprobleme auf die Unternehmenswerte wird im Zeitverlauf immer größer. Überfordertes Personal – oder zu wenig Personal – führt zu reduzierter Dienstleistung, die am Markt eine geringere Kundenzufriedenheit hervorruft und in der Folge einen Bestands- und Gewinnabrieb nach sich zieht. Die Unternehmenswerte der betroffenen Maklerbetriebe unterliegen dann gleichfalls einem Abrieb, womit die Eingangsfrage nach der Korrelation zwischen Personal- und Fachkräftemangel und Unternehmenswerten beantwortet wäre.

Für einen großen Anteil der Maklerbetriebe ist mittelfristig keine Verbesserung der Lage in Sicht. Insofern führt diese Gemengelage dazu, dass Makler ihre Bestrebungen, ihr Unternehmen – gelegentlich auch vorgezogen – zu veräußern, verstärken. Äußerungen wie „Bevor ich nichts mehr dafür bekomme“ hört man oft genug am Markt.

Fazit: Verkaufswille wird bestärkt

Die Bereitschaft älterer Marktteilnehmer, das eigene Lebenswerk zu veräußern, nimmt aufgrund der kritischen Personal- und Mitarbeitersituation, die sich negativ auf Ertragschancen und Unternehmenswerte auswirkt, zu.

Die Substitution fehlender qualifizierter Mitarbeiter durch hohe Investitionen in die Digitalisierung gelingt nur wenigen und meist eher größeren Marktteilnehmern. In dem Spannungsfeld „Investitionen in die Digitalisierung oder Abrieb des Unternehmenswertes“ befinden sich insbesondere Inhaber kleinerer und mittlerer Maklerbetriebe.

Eines ist gewiss: Die gelegentlich sinnvolle „Wait and see“-Strategie wird hier keine Verbesserung mit sich bringen oder gar einen positiven Effekt auf Unternehmenswerte der Babyboomer-Maklergeneration haben.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 03/2023, S. 88 f., und in unserem ePaper.

Bild: © blende11.photo – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Dr. Stefan G. Adams