Firmenkunden müssen bei ihrem Versicherungsschutz mit höheren Prämien, reduzierten Kapazitäten und immer mehr Ausschlüssen rechnen. Bereits seit einigen Wochen mahnen Makler- und Wirtschaftsverbände Augenmaß bei den jetzigen Vertragsverlängerungen für das kommende Jahr an.
Der Druck auf die Versicherer wächst bereits seit Jahren. Vor allem in den Sparten Sach-, Haftpflicht- und Transportversicherung sind die Ergebnisse defizitär. Seit 2018 steigen deshalb die Preise – zuerst in der Feuerversicherung, dann folgte die D&O-Versicherung („Betriebsschließung in der D&O-Versicherung“). Mittlerweile sind fast alle Sparten betroffen, stellt der aktuelle Marktreport von Aon Deutschland fest.
Versicherer reduzieren Zeichnungskapazitäten, Beispiel Betriebsschließungsversicherung
Der Report macht noch weitere Trends aus. So stellen Versicherer weniger Kapazitäten zur Verfügung oder versuchen Cyber- und Pandemie-Ausschlüsse durchzusetzen. „Immer mehr Versicherer lösen Cyberrisiken vollständig aus den konventionellen Sach- und Haftpflichtversicherungssparten heraus, um sogenannte Silent-Cyberrisiken zu reduzieren“, sagt Hartmuth Kremer-Jensen, Geschäftsführer und Chief Broking Officer des Erstversicherungsmaklers bei Aon Deutschland. Silent-Cyberrisiken sind Risiken, deren Deckung nicht explizit ein-, aber auch nicht ausgeschlossen ist, weil sie zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses schlicht nicht verbreitet oder bekannt waren. „Diese Ausschlüsse führen zu gefährlichen Versicherungslücken“, so Kremer-Jensen weiter. „Löst beispielsweise eine Schadsoftware einen Brand aus, ist der Schaden weder in der Sachversicherung noch einer Spezialdeckung wie der Cyberversicherung abgesichert.“
Aktuellstes Beispiel sind hier jedoch die Betriebsschließungen infolge der Corona-Pandemie. Die Deckungszusagen werden sich verschlechtern, davon ist auszugehen. Kündigungen und Neuverhandlungen sind bereits im Gange. Es besteht die Gefahr, dass Branchen, die durch eine Pandemie besonders gefährdet sind, überhaupt keinen Versicherungsschutz mehr erhalten.
Vom weichen zum harten Versicherungsmarkt
Das gilt unabhängig vom Pandemierisiko mittlerweile für mehrere Branchen. So verabschieden sich Versicherer zum Beispiel von der Absicherung von Kohlekraftwerken, Fleischbetrieben, Recycling- oder Holzunternehmen. BDVM-Präsident Thomas Haukje nennt das eine Diskriminierung von Risiken. Zudem hält er es für keine gute Idee von Versicherern, Prämienerhöhungen in den jetzigen Vertragsprolongationen auf Biegen und Brechen durchsetzen zu wollen. („Betriebsschließungsversicherung: „Da ist richtig Druck auf dem Kessel!““)
Einen spürbaren Verlust an Reputation für die Industrie- und Gewerbeversicherung in Deutschland macht in diesem Zusammenhang Dr. Alexander Mahnke, Vorstandsvorsitzender des Gesamtverband der versicherungsnehmenden Wirtschaft e.V. (GVNW), aus. Als Grund führt Mahnke, der die Business Unit Insurance bei Siemens leitet, ebenfalls das Verhalten der Versicherer in der Betriebsschließungsversicherung an. Er appelliert an die Versicherer, hier für bestehende Verträge kreative Lösungen im Sinne der Kunden zu finden. Zudem hat der GVNW schon vor Längerem zusammen mit dem Maklerverband BDVM angeregt, Pandemierisiken künftig in einer privatwirtschaftlich-staatlichen Struktur abzusichern („Pandemie-Absicherung statt Betriebsschließungsversicherung“).
Auf der aktiven Suche nach Alternativen zu Versicherern
Darüber hinaus prangert auch er im Allgemeinen steigende Prämien, geringere Kapazitätsangebote und restriktivere Bedingungen an. Eine Firmen-Umfrage zum letztjährigen Renewal habe ergeben, dass bereits damals 90% der Befragten Prämienanstiege und fast 80% Kapazitätsreduzierungen hinnehmen mussten. In geringerem, aber immer noch spürbarem Umfang mussten zusätzliche Ausschlüsse akzeptiert werden (bei knapp 50%) oder wurden Deckungen überhaupt nicht mehr zur Verfügung gestellt (bei über 30%). Zudem bemängeln die Firmenkunden die Kommunikation der Versicherer. Die versicherungsnehmende Wirtschaft habe durchaus ein Interesse daran, dass Versicherer auskömmliche Prämien erhalten, so Mahnke, aber Änderungen müssten doch bitte weiterhin im Sinne langfristiger Kundenbeziehungen und mit ausreichender Planungssicherheit erfolgen.
Fast die Hälfte der GVNW- Mitglieder geben mittlerweile an, dass sie konkret Alternativen zum Marktangebot in Form von Captives, Eigentragungs- und Kapitalmarktlösungen prüfen. Nach einer aktuellen internationalen FERMA-Umfrage zeigen 43% der befragten Unternehmen Interesse an Captives, 2018 waren es nur 15%. „Mit der Anzahl der Risiken, die aus Sicht der Assekuranz nicht mehr versichert werden können, denken immer mehr Unternehmen über alternative Möglichkeiten des Risikotransfers nach“, bestätigt ebenfalls Aon-Geschäftsführer Kremer-Jensen. „Einige unserer Kunden beschäftigen sich ernsthaft mit der Gründung von firmeneigenen Versicherern, sogenannten Captives, und prüfen die Voraussetzungen hierzu.”
Dieser Trend sei für die Versicherer keine gute Nachricht, habe er doch das Zeug dazu, ihr Geschäftsmodell nachhaltig zu hinterfragen und entscheidend Prämie aus dem Markt zu nehmen, schließt sich Mahnke an, der weitere Wünsche in Richtung Versicherer hat.
Appell an Versicherer und Makler
Es sei wichtig, erläutert Mahnke, auf Versichererseite Profis als Ansprechpartner zu haben, die die interne und externe Kommunikation zu den Entwicklungen und zu den Anforderungen der versicherungsnehmenden Seite und der Versicherer sowie das Vermitteln und Einkleiden der Risiken in die richtigen Versicherungslösungen ebenso beherrschen, wie das ergebnisorientierte und manchmal notwendigerweise auch harte Verhandeln hierüber mit den Marktpartnern. Das sei für alle herausfordernd, steigere aber auch die Bedeutung des Versicherungsrisikomanagements in den Firmen. Hierbei können professionelle Berater, wie sie in vielen Maklergesellschaften zu finden seien, sicherlich unterstützen. Aber auch dort sei ein breites Know-how dazu nötig, wie in einem harten Markt die Kunden beraten werden und wie mit Versicherern verhandelt werden müsse. Das sei aber beileibe nicht immer und überall auch vorhanden, kritisiert Mahnke. (bh)
Bild: © Viacheslav Iakobchuk – stock.adobe.com
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