Wirecard ist der Finanzskandal des Jahres. 1,9 Mrd. Euro soll der Zahlungsdienstleister erfunden haben. Nun wurde unter anderem deshalb das Insolvenzverfahren über die Wirecard AG und sechs weitere deutsche Gesellschaften eröffnet. Als Insolvenzverwalter hat das Amtsgericht München am 24.08.2020 Dr. Michael Jaffé bestellt, der gleich zu Beginn harte Einschnitte angekündigt hat. Zwar werde der Geschäftsbetrieb fortgeführt, es seien aber massive Umstrukturierungen nötig.
Massive Geldverbrennung stoppen
Die Cash-Burn-Rate von Wirecard war dem Insolvenzverwalter zufolge bei Insolvenzantragstellung enorm. Um das zu ändern, wurde rund 730 Mitarbeitern von Wirecard gekündigt. „Die wirtschaftliche Lage der Wirecard AG war und ist angesichts der fehlenden Liquidität und der bekannten skandalösen Begleitumstände äußerst schwierig. Mit den üblichen Restrukturierungs- und Kostenanpassungsmaßnahmen ist es daher nicht getan, denn eine so massive Verlustsituation ist im eröffneten Insolvenzverfahren unter Vollkosten nicht darstellbar“, so Dr. Michael Jaffé.
Verkaufsprozess im Gang
Im Verkaufsprozess für das Kerngeschäft, in dessen Rahmen auch die nicht insolvente Wirecard Bank AG am Markt angeboten wird, stehe der Insolvenzverwalter aktuell mit mehreren namhaften Interessenten in Verhandlungen. Die Erlöse aus der Verwertung sollen den Gläubigern zugutekommen. Größere Fortschritte mache unterdessen der Verkauf internationaler Töchter wie etwa Wirecard Brazil oder Wirecard North America.
Erste Gläubigerversammlung vor der Tür
Der Termin für die erste Gläubigerversammlung steht derweil. Am 18.11.2020 soll sie nach derzeitigem Stand als Präsenztermin im Löwenbräukeller in München stattfinden – allerdings mit begrenzter Teilenehmerzahl aufgrund der Covid-19 Hygienevorschriften. Der Berichtstermin ist nicht öffentlich und steht daher nur den Insolvenzgläubigern offen. Diese können jedoch auch einen Vertreter zur Teilnahme schriftlich bevollmächtigen.
Ansprüche bis 20.10.2020 anmeldbar
Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens können die Gläubiger nun auch in den jeweiligen Verfahren ihre Forderungen beim Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle anmelden. Das zuständige Amtsgericht München bestimmte dafür eine Frist bis zum 20.10.2020. Ein Formular zur Forderungsanmeldung steht unter www.jaffe-rae.de zum Download zur Verfügung.
Aktionäre „unbedingt mit an den Tisch“
Die Schadensersatzansprüche und Gläubigerversammlung im November hat auch die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) bereits im Visier. Die Aktionäre des Zahlungsdienstleisters gehören dort „unbedingt mit an den Tisch“, fordert DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler. Sie müssten sogar „als größte Gläubigergruppe im Gläubigerausschuss vertreten“ sein.
Konkreter Schaden muss benannt werden
Zwar sind Aktionäre im Normalfall nicht Teil der Gläubiger. Aufgrund der Verletzung von Adhoc- und anderer Publizitätspflichten liege im Falle von Wirecard aber ein Schadensersatzanspruch seitens der Aktionäre vor. Er könne allerdings nur angemeldet werden „wenn der konkrete Schaden in Euro definiert wird“, so Tüngler. Ein einfacher Hinweis auf Schadensersatzanspruch reiche nicht.
DSW baut europäische Plattform auf
Da die Anleger selbst aktiv werden müssen, baut die DSW derzeit eine europäische Plattform auf. So sollen möglichst viele Anleger zusammengefasst und auf Augenhöhe mit den verschiedenen Anspruchsgegnern verhandeln können. Zu diesem Zwecke würden bereits Gespräche mit internationalen Prozessfinanzierern laufen. (mh)
Bild: © laplateresca – stock.adobe.com
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