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19. September 2022
Wiederaufbau im Ahrtal – Ein Praxisbeispiel
Wiederaufbau im Ahrtal – Ein Praxisbeispiel

Wiederaufbau im Ahrtal – Ein Praxisbeispiel

Liliana und Wolfgang Rechmeier betreiben eine Arztpraxis in Bad Neuenahr, die im Juli 2021 vollständig zerstört wurde. Ihr Vermittler, Anton Wörner, hat das Risiko eines Elementarschadens bei der Alte Leipziger versichert. Für Vorstand Kai Waldmann ein gutes Beispiel für die wichtige Rolle der Versicherer in Krisen.

Ein Interview mit den Beteiligten darüber, was ist, wenn der schlimmste Fall eintritt und ein theoretisches Risiko Realität wird.
Herr und Frau Rechmeier, durch die Flutwelle wurden die Räume ihrer radiologischen und nuklearmedizinischen Arztpraxis im historischen Kurhaus in Bad Neuenahr-Ahrweiler vollständig zerstört, auch die sehr teuren Magnetresonanz- und Computertomographen (MRT und CT). Konnte mittlerweile alles wiederhergestellt und die Praxis wiedereröffnet werden?

Wolfgang Rechmeier: Wir hoffen, dass wir unsere Praxis im November wiedereröffnen können. Wer nicht vor Ort war, kann sich nicht vorstellen, was das Hochwasser bedeutet. Der Boden war kriegsartig drei bis vier Meter zerstört und die ganze Infrastruktur von Kanalisation und Strom vernichtet.

Der Wiederaufbau unserer Praxis ist das Eine, der Wiederaufbau des Kurhauses das Andere. Es hat gedauert, das alte Kurgebäude nach der Flut für dieses Gewicht wieder zu ertüchtigen. Denn ein MRT-Gerät wiegt etwa 25 t und ist auch nicht einfach so auf- und abgebaut. Man benötigt Experten, die die zerstörten Geräte fachmännisch entsorgen und die neuen Geräte installieren können, damit es nicht zu Verletzungen kommt.

Liliana Rechmeier: Bei dem Hochwasser 2021 muss man in ganz anderen zeitlichen Dimensionen denken. Noch hinzugekommen sind Lieferprobleme in allen Bereichen. Solche Szenarien waren bisher nur reine Theorie, bei uns wurden sie Realität.

Der Wasserstand in den Räumen betrug zwischenzeitlich bis zu vier Meter. Allein die Elektronikversicherung ist mit einem Schaden von 1,3 Mio. Euro dotiert, weitere Erstattungen erfolgten aus der Gewerbeinhalts-, der Betriebsunterbrechungs- und der Hausratversicherung. Die Alte Leipziger hat ein Volumen von 2,8 Mio. Euro entschädigt. Wie verlief die Zusammenarbeit mit dem Versicherer?

Wolfgang Rechmeier: Wir hatten bis im vergangenen Jahr kaum einen Versicherungsschaden, höchstens einmal eine Beule im Auto. Freunde sagten uns: Ihr braucht auf jeden Fall einen Anwalt. Den haben wir uns direkt genommen, aber es ging nicht richtig voran. Irgendwann haben wir den direkten Kontakt zum Versicherer gesucht. Und gemerkt: Alle sind sehr engagiert, sehr freundlich. Es gab zwei Gespräche, eines im Oktober und eines im Februar. Danach hatten wir eine feste Vereinbarung und wussten: Wir erhalten eine Entschädigung in Höhe von 2,8 Mio. Euro. Das war für uns von großem Wert. Wir hatten die Arbeit vom Tisch, wir hatten das finanzielle Thema aus dem Kopf. Wir hatten feste Zahlen für den Wiederaufbau.

Liliana Rechmeier: Danach hat sich auch psychologisch unheimlich viel getan. Mir war danach der Blick nach vorn wieder möglich. Das Signal für den Wiederaufbau brachte uns Zuversicht.

Herr Wörner, wie haben Sie als Vermittler die Zeit in Erinnerung?

Anton Wörner: Da unsere Agentur in Heilbronn ist, habe ich die Flut zunächst nur in den Medien wahrgenommen. Mich hat der Anruf von Herrn Dr. Rechmeier aufgeweckt. Er sagte: „Herr Wörner, es ist alles kaputt.“ Ich wusste erst gar nicht, wie er das meint. Es war ein kurzes Gespräch. Telefon und E-Mail funktionierten zunächst nicht, sodass es nicht einfach war, den Kontakt zu halten. Ich habe den Versicherern die Schadenmeldungen geschickt. Ich wusste, dass ich es telefonisch nicht zu versuchen brauche, weil die Leitungen heiß laufen. Nachts habe ich wach gelegen und mich gefragt: Wie wird das alles, wie positioniert sich der Versicherer, werden meine Kunden zufrieden sein? Ein Großschaden-Regulierer der Alte Leipziger hat dann übergeordnet verschiedene Spezialgutachter koordiniert. Alle haben versucht, so gut es geht zu helfen und haben offene oder nicht zu klärende Fragen im Sinn der Betroffenen gelöst. Die Abwicklung war sehr professionell. Mir ist klar, dass ein Unternehmen für ein derartiges Schadenereignis keine Manpower vorhalten kann.

Herr Waldmann, die Alte Leipziger hat in den betroffenen Gebieten eine Gesamtschadensumme von ca. 70 Mio. Euro zu verzeichnen. 60% der Schadensumme haben Sie mittlerweile ausbezahlt, also bei Weitem noch nicht alles. Woran liegt es, dass nicht alle Fälle abgeschlossen sind?

Kai Waldmann: Wir wären alle froh, wenn es schneller gehen würde. Die Inflation und die Lieferkettenengpässe machen den ohnehin langwierigen Wiederaufbau allerdings noch schwerer. Wir haben derzeit beispielsweise einen Schadenfall, der vor einem Jahr noch 290.000 Euro gekostet hat und nun deutlich höher liegt. Eine Heizung, die nicht geliefert wird, können sie nicht einbauen. In manchen Fällen bremst auch die Bank bei der Auszahlung, da der Wiederaufbaufortschritt wegen der Liefer- und Handwerkerengpässe stockt. Die Herausforderungen sind also sehr vielschichtig.

Wir haben im Rahmen der umfangreichen Maßnahmen zur Bewältigung dieser außergewöhnlichen Situation alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sensibilisiert, möglichst lösungsorientiert vorzugehen und für unsere Kunden ein Höchstmaß an Empathie aufzubringen, denn die Menschen stehen enorm unter Stress und haben Existenzängste. Mitarbeiter haben im Sommer 2021 ihren Urlaub verschoben, viele Überstunden und Samstagsarbeit geleistet, um möglichst schnell die Schäden zu bearbeiten und mit Abschlagszahlungen helfen zu können. Uns Versicherern kommt in solchen Katastrophenfällen ja eine ganz zentrale Bedeutung zu.

Bei einer Gesamtschadensumme von 70 Mio. Euro haben wir nur eine Handvoll Beschwerden. Ich würde sagen, insgesamt machen wir als Branche einen guten Job. Die Alte Leipziger ist jetzt 203 Jahre alt und die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal hat alles bisher Dagewesene im negativen Sinn übertroffen. Natürlich haben wir auch viel gelernt, zum Beispiel, dass es möglich sein sollte, woanders wiederaufzubauen und trotzdem den vollen Wert zu erhalten. Das ist in unserer Wohngebäudeversicherung mittlerweile berücksichtigt. Schlimm ist es aber ganz besonders, wenn Sie einen Kunden haben, der bei Ihnen alles versichert hat, nur keine Deckung für Elementarschäden. In diesen Fällen können Sie leider keine Leistung erbringen.

Die Rückversicherer gehen von deutlich anderen Naturereignisverläufen aus. Die Inflation und die veränderte Schadenerwartung führen zu steigenden Prämien. Welchen Stellenwert nimmt die Absicherung von Naturgefahren in diesem Kontext künftig in der Beratung ein, Herr Wörner?

Anton Wörner: Vielen Menschen denken, für sie bestehe das Risiko von Überschwemmungen nicht, weil sie nicht in der Nähe eines Flusses wohnen. Das ist ein Irrtum. Starkregen und Oberflächenwasser können überall auftreten. Ich bin kein Freund von zu viel Regulierung und stehe einer Pflichtversicherung skeptisch gegenüber. Aber es ist wichtig, die Kunden vollumfänglich zu versichern. Ein Haus gegen Feuer, Leitungswasserschäden oder Diebstahl zu versichern ist mittlerweile Standard. Dabei ist der monetäre Schaden bei Leitungswasser begrenzt. Ein Hochwasser hingegen ist ein wirklich großer Schaden. Gegen diesen sollten sich die Menschen ganz selbstverständlich absichern und nicht wegen eines möglichst geringen Monatsbeitrags darauf verzichten. Es ist noch viel Aufklärung zu leisten. Ich merke aber auch, dass die Menschen beispielsweise die Rückstau-Thematik heute besser einschätzen können als früher, weil es häufiger derartige Schadenfälle gibt.

Ihre radiologische und nuklearmedizinische Praxis war ein Jahr lang geschlossen. Was hat das für Sie und Ihre Patienten bedeutet, Herr und Frau Rechmeier?

Liliana Rechmeier: Die Patienten haben teilweise gewartet oder sie mussten ausweichen, wenn es akut war. Das Krankenhaus hat sich glücklicherweise schnell wieder berappelt. Und wir dürfen nicht vergessen: Viele kehren erst jetzt so langsam wieder ins Ahrtal zurück. Insbesondere ältere Menschen hatten ohne Aufzüge und mit der weggefallenen Lebensmittelversorgung so viele Probleme, dass sie aus dem Gebiet herausgeholt und ein Jahr lang woanders untergebracht werden mussten. Wir rechnen damit, dass unser Praxisbetrieb wieder gut anlaufen wird, weil es nicht viele ähnliche Praxen gibt. Aber klar ist auch: Man fängt nicht dort an, wo man aufgehört hat.

Wolfgang Rechmeier: Bei all den Schäden können wir auch sagen, dass wir Glück hatten. Die Flutwelle kam in der Nacht, als wir nicht in der Praxis waren und es gab keine Todesfälle in unserer Familie und bei unseren Angestellten. Das hat das, was uns passiert ist, dann sehr schnell relativiert.

Über die interviewten Personen

Für das Interview und das Zusammenbringen der beteiligten Personen und ihrer Statements gab es Unterstützung von der Alte Leipziger.

Wiederaufbau im Ahrtal – Ein Praxisbeispiel

Liliana und Wolfgang Rechmeier betreiben in Bad Neuenahr eine radiologische und nuklearmedizinische Praxis. Diese wurde beim Jahrhunderthochwasser im Juli vollständig überschwemmt. Auch privat war das Ehepaar betroffen. Die Alte Leipziger erstattete 2,8 Mio. Euro. Die Praxis befindet sich im Wiederaufbau.

Wiederaufbau im Ahrtal – Ein Praxisbeispiel

Anton Wörner war seit 2004 Ausschließlichkeitsvermittler der ALH Gruppe, seit 01.07.2022 ist er Mehrfachvermittler mit großer Verbundenheit zu Alte Leipziger und Hallesche. Er führt die Agentur Wörner, gegründet 1979, in zweiter Generation.

Wiederaufbau im Ahrtal – Ein Praxisbeispiel

Kai Waldmann ist Mitglied des Vorstandes der Alte Leipziger Versicherung AG. Die gebuchten Bruttobeiträge betrugen 2021 insgesamt 393 Mio. Euro. Die Unwetterkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen führte zu einem Schadenaufkommen von 70 Mio. Euro.

Aufmacherbild: © Heinz – stock.adobe.com; © Ehepaar Rechmeier: praxis-rechmeier.de; © Anton Wörner: privat; © Kai Waldmann: ALH Gruppe