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4. Oktober 2023
Wie verändert KI den Versicherungsvertrieb?
Wie verändert KI den Versicherungsvertrieb?

Wie verändert KI den Versicherungsvertrieb?

KI hat das Potenzial, den Versicherungsvertrieb zu verändern. Die Frage ist: Kann die KI die Beratungsqualität verbessern? Ist sie frei von Interessenskonflikten und wie sieht es mit der Haftung aus? Versicherer arbeiten in vielen Anwendungen mit KI, im Vertrieb kommt dies noch wenig an.

Seit ChatGPT lanciert wurde, ist künstliche Intelligenz (KI) in der breiten Öffentlichkeit angekommen. Versicherer arbeiten aber schon länger mit dieser Technologie, insbesondere dort, wo es um Dokumentenverarbeitung geht. Bestes Beispiel hierfür sind Rechnungseingänge, die vollautomatisiert verarbeitet werden können. In der vergangenen Woche stellte Martin Klein, Chief Digital Officer der ERGO, auf dem 16. Versicherungstag in Ulm, der gemeinsam von BVK, VGA, IHK Ulm und BWV Südwest veranstaltet wurde, vor, wie die Bearbeitung vom Rechnungseingang bis zur Auszahlung vollautomatisiert mit der neuen Technologie erfolgt. Kommt die KI zu einem Anerkenntnis, sieht kein Mensch mehr auf den Vorgang. Kommt die KI zu einer Ablehnung, geht der Vorgang zur Entscheidung an einen Sachbearbeiter. Klein geht davon aus, dass KI im Zusammenspiel mit anderen Technologien eine wichtige Rolle bei der Ende-zu-Ende-Optimierung von Prozessen spielen wird.

In mancher Hinsicht sind bei den Versicherern die Effizienzgewinne durch Einsatz von KI in Prozentzahlen noch nicht so hoch – auch das zeigte der Vortrag von Klein. Allerdings ist die Dokumentenflut dort so enorm, dass jede Weiterentwicklung in absoluten Zahlen durchaus nennenswert ist. Insgesamt zeigte er aber auch, dass es sehr aufwendig ist, die KI zu trainieren und vor allem stetig nachzutrainieren.

Versicherer haben mittlerweile zahlreiche Anwendungsfälle für den Einsatz künstlicher Intelligenz identifiziert. (AssCompact berichtete: Wie und wo Versicherer künstliche Intelligenz einsetzen). Einen direkten Einsatz im Vertrieb sieht man noch nicht. Für Versicherungsvermittler gibt es noch kein KI-Beratungstool. Allerdings benutzen Vermittler teilweise auch heute schon KI-Technologie, zum Beispiel bei der Nutzung von Vergleichsrechnern oder White-Label-Tools. Auch wird ChatGPT zu Rate gezogen, etwa für einen guten Werbetext oder für einen Social-Media-Post. Ein gängiges Instrument scheint aber auch dies nicht zu sein, was auch eine lose Umfrage unter den Vermittlern beim Versicherungstag in Ulm ergab.

Wer haftet bei einer KI-Beratung?

Warum sollten Menschen eine algorithmische Beratung wollen? Diese Frage beantwortete Dr. Conrad Waldkirch von der Universität Mannheim auf dem Versicherungstag so: Das Abschlussverhalten der Kunden verändere sich, die KI stehe rund um die Uhr zur Verfügung und werde nicht müde, die KI biete Potenzial zur Kostenersparnis und zur Steigerung der Beratungsqualität. Und was Provisionen und Abhängigkeiten angeht: KI kenne keine derartigen Interessenskonflikte. Und lägen ausreichend gute Daten vor, ermögliche die KI eine bessere Individualisierung bei Produkten und Beratung.

Aber warum gibt es dann noch so wenig maschinelle Beratung? Waldkirch nennt auch hierfür Gründe, etwa eine ablehnende Haltung des menschlichen Vertriebs, Misstrauen auf Kundenseite und Angst vor technischem Versagen. Zudem ist nicht geklärt, wer für eine Fehlberatung haftet. Dass heute noch auftretende Fehler im Rahmen der Nutzung von KI bald verschwinden werden, davon ist Waldkirch überzeugt. Die technologische Weiterentwicklung werde dafür sorgen.

Bei der Haftung sieht es noch ein bisschen anders aus. Grundsätzlich ist eine vollautomatische Beratung laut VVG möglich. Dabei folge die Haftung dem Status des Vermittlers, wenn die Beratung über ein KI-gestütztes Beratungstool läuft. Eine gesetzeskonforme Beratung sei derzeit aber eher nur bei einfachen Produkten gewährleistet, so Waldkirch. Bei Fondspolicen sei dies schwierig, weil hier die Beratung auf Dialog und Nachfragen ausgelegt sei. Trotzdem ist Waldkirch überzeugt: Die algorithmische Beratung wird immer weiter zunehmen, das stetige Nachtraining der KI sei aber auch nicht zu unterschätzen.

KI im Einsatz für oder gegen den menschlichen Vertrieb?

Und wie sieht das der Vertrieb? Günter Ripberger, Bezirksdirektor der ERGO Beratung und Vertrieb AG, meint, dass der Vertrieb bei den Technologie-Investitionen oftmals keine Priorität aus Versicherersicht habe. So sprach Ripberger in Ulm davon, dass KI die Versicherungswirtschaft und den Versicherungsvertrieb grundlegend verändern werde, aber dies in unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Er selbst nutzt ChatGPT bereits regelmäßig und legt das Tool auch seinen Vermittlerkollegen ans Herz.

Grundsätzlich geht Ripberger davon aus, dass KI die Versicherungsbranche effizienter, kundenfreundlicher und wettbewerbsfähiger machen wird. Allerdings müssten hierfür gewisse Voraussetzungen geschaffen werden. Und vor allem: Die KI müsse den Kunden mit dem Vertrieb verbinden und dürfe diesen nicht ersetzen. (bh)

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