Ein Artikel von Prof. Dr. Dirk Schiereck, Leiter des Fachgebietes Unternehmensfinanzierung an der Technischen Universität Darmstadt, und Amadeus Schultheis, Research Assistant beim Fachgebiet Unternehmensfinanzierung an der Technischen Universität Darmstadt sowie ein Interview mit Frank Buchholz, Partner bei Hoesch & Partner GmbH Versicherungsmakler
Aus einer aktuellen Studie des US-Finanzunternehmens Principal Financial geht hervor, dass Finanzdienstleistungen in Deutschland insgesamt rege genutzt werden und für einen Großteil der Bevölkerung verfügbar sind. Auch das grundlegende Verständnis für Finanzfragen wird für Deutschland besser bewertet als in den meisten anderen Ländern. Beim Lesen dieser Ergebnisse werden viele jetzt sicherlich an den Einäugigen unter den Blinden denken, denn ohne jeden Zweifel lässt das Niveau an finanzieller Allgemeinbildung auch unter Deutschlands Hochschulabsolventen noch viel Luft nach oben. Kritisch wurde in der Studie festgestellt, dass deutsche Unternehmen ihrer Belegschaft nur wenige konkrete Hilfen in alltäglichen Finanzfragen bieten und kein breites Versicherungsangebot machen. Die Basis zur finanziellen Allgemeinbildung und zum guten Umgang mit Finanzprodukten sollte also dringend schon vor dem Berufseinstieg gelegt werden.
Viele Studien vernachlässigen Versicherungsthemen
Angesichts der hohen Relevanz einer umfassenden Ausstattung mit Finanzprodukten zur Vermögensbildung und Risikoabsicherung verwundert es nicht, dass sich bereits zahlreiche Untersuchungen mit diesem Themenfeld befasst haben. Meist liegt ihr Fokus auf der Vermögensbildung, gerne zuletzt auch kombiniert mit Fragen zur Nachhaltigkeit. Doch der Versicherungsaspekt bleibt in vielen Studien stark unterrepräsentiert. Und im Versicherungsbereich gibt es jede Menge Raum zur Selbstoptimierung. Schon im September erläuterte ein Beitrag in der Wochenzeitschrift „Die Zeit“, wie man vorgehen sollte, um überflüssige Versicherungen auszumisten. Aber ungleich kritischer wird es dort, wo existenzbedrohende Risiken nicht durch Versicherungen abgesichert werden, wie etwa bei der Privathaftpflichtversicherung.
Kenntnisstand über Versicherungsprodukte ist ausbaubar
Genau hier setzt die vorliegende Studie an (Details zur Studie siehe Kasten links). Die Teilnehmer werden durchweg innerhalb der kommenden zwölf Monate ihren Berufseinstieg umsetzen. Finanzielle Absicherung ist hier also akut wichtig, und das Interesse an Finanzfragen und die finanzielle Alltagskompetenz sollte hier viel stärker ausgeprägt sein als in anderen Studiengängen. Untersucht wurde unter anderem die Entscheidung über den Bezug von Versicherungsleistungen. Zunächst wurde den Befragten eine Liste mit verschiedenen Versicherungen vorgelegt, verbunden mit der Frage, ob sie diese erklären können, nur kennen oder auch das nicht.
Die Ergebnisse zeigen, dass sich die meisten Studierenden bei sehr vielen Versicherungsprodukten recht gut informiert fühlen. Doch dem Hochgefühl folgt umgehend die Ernüchterung. Während über 90% bspw. die Privathaftpflichtversicherung zu kennen glauben und knapp zwei Drittel sich auch wähnen, diese korrekt erklären zu können, halten gerade einmal 22% der Teilnehmer sie für bedeutsam zum Berufseinstieg. Dabei gibt es wohl überhaupt gar keinen Ratgeber, der diese Versicherung nicht als unbedingt unverzichtbar einstuft.
Woher kommt diese Diskrepanz zwischen gefühlter Kompetenz und fehlender angestrebter Nutzung? Auch hier liefert unsere Studie erste Aufschlüsse. Denn auf die Frage, was denn wohl eine Privathaftpflichtversicherung im Jahr kostet, wurde im Median ein Betrag von 275 Euro vermutet, der Mittelwert lag noch viel höher. Finanzielle Allgemeinbildung muss also nicht nur bei der Erklärung von Produkten ansetzen, sondern auch ihre (geringen) Kosten einbeziehen, um existenzielle Risiken besser abgesichert zu sehen. „Versicherungsmakler profitieren von einer guten Finanzbildung“, betont Frank Buchholz, Partner bei Hoesch & Partner GmbH Versicherungsmakler, im Interview. Was genau Frank Buchholz damit meint, ist auf der folgenden Seite im Interview mit AssCompact zu lesen.
Interview mit Frank Buchholz, Partner bei Hoesch & Partner GmbH Versicherungsmakler
Herr Buchholz, Sie unterstützen seit langen Jahren den Aufbau von finanzieller Allgemeinbildung an vielen Universitäten. Verzweifeln Sie angesichts der hier dokumentierten Wissenslücken nicht manchmal?
Wir wissen ja nicht, wie die Ergebnisse ausgesehen hätten, wenn wir uns nicht so stark engagieren würden. Aber die Wissenslücken unterstreichen natürlich, dass noch ein sehr langer Weg vor uns liegt. Solange an unseren Schulen nicht eine zumindest rudimentäre Basis an finanziellem Alltagswissen gelegt wird, werden wir in unseren Bemühungen nicht nachlassen.
Wo liegt denn der Schlüssel in der Vermittlung von finanzieller Allgemeinbildung an Universitäten, damit sie ankommt und Erfolge zeigt, und wie groß ist die Skepsis, die Ihnen entgegengebracht wird?
Um mit dem letzten Punkt zu beginnen: Die Skepsis ist schon überschaubar klein, denn unser Engagement basiert inzwischen an allen Universitäten, an denen wir regelmäßig lehren, schon auf einer langen Historie. Zum Teil ist die Veranstaltung integrierter Teil des Lehrplans, was sich als zukunftsweisend und elementar für den Erfolg unserer Bemühungen herausstellt. Um das Auftreten selbst noch einmal von öffentlicher Stelle gespiegelt zu bekommen, hatten wir direkt vor der Pandemie Vertreter des hessischen Finanzministeriums zur Vorlesung nach Darmstadt eingeladen. Das direkte Feedback nach zwei Stunden Präsentation und Diskussion war fast schon euphorisch positiv. Denn auch die Politik hat sehr gut verstanden, dass mündige und finanzkompetente Wählerinnen und Wähler langfristig zufriedener und besser abgesichert sind.
Wer sich für finanzielle Allgemeinbildung einsetzt, wird ja häufig auch kritisch beäugt, ob denn aufgeklärte Kunden von der Beratungspraxis wirklich gewünscht werden. Wie gehen Sie mit solchen Bedenken um?
Leider ist durch den Markteintritt der Strukturvertriebe aus den USA in Europa zu Beginn der 1960er-Jahre die Branche hierzulande stark in Verruf geraten. Auch hier zeigt sich die fehlende Finanzbildung. Kaum einer kann – wie die Ergebnisse der TU Darmstadt ja zeigen – zwischen Ausschließlichkeitsvertretern, Mehrfachagenten und Versicherungsmaklern unterscheiden. Der Makler agiert ja ausschließlich als treuhänderischer Sachwalter der Kundschaft. Und wenn die Kundinnen und Kunden ein gutes Grundverständnis über die verschiedenen Akteure im Markt haben, kommt die Unabhängigkeit der Versicherungsmakler wieder zu ihrer althergebrachten differenzierenden Stärke zurück. Versicherungsmakler profitieren also von einer guten Finanzbildung. Bei Hoesch & Partner haben wir bereits vor Jahren den folgerichtigen Weg eingeschlagen, setzen auf fest angestellte, fair vergütete Mitarbeitende und koppeln die Dienstleistung immer weiter von der Provision ab.
Informationen zur Studie
Die Studie „Finanzielle Alltagskompetenz von Hochschulabsolventen“ wurde vom Fachgebiet Unternehmensfinanzierung der Technischen Universität Darmstadt in einer ersten Runde im November 2022 mit 60 Teilnehmern durchgeführt. In einer zweiten Erhebungsrunde an einer weiteren Universität sollen die Ergebnisse validiert werden.
Artikel und Interview lesen Sie auch in AssCompact 02/2023, S. 88 f., und in unserem ePaper.
Bild: © adam121 – stock.adobe.com; © Frank Buchholz
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