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15. September 2023
Was macht eigentlich die Hanseatische Versicherungsbörse?

Was macht eigentlich die Hanseatische Versicherungsbörse?

Die Hanseatische Versicherungsbörse verbindet Versicherungsmakler, Assekuradeure und Versicherer. Sie hat unter anderem Namen eine lange Tradition und setzt diese nun in Form einer digitalen Plattform fort. Wer sich dort trifft, was gehandelt wird und wem das Netzwerk offensteht, dazu hat AssCompact nachgefragt. 

Interview mit Dr. Svenja Richartz, Vorsitzende der Hanseatischen Versicherungsbörse e.V. (HVB), und Stan Patzschke, Chief Information Officer HVB Services GmbH
Frau Dr. Richartz, Versicherungsbörsen gibt es nur noch wenige. Die Hamburger Versicherungsbörse – mit neuem Namen nun Hanseatische Versicherungsbörse – steht in dieser Tradition. Wer steckt hinter dem Verein?

Dr. Svenja Richartz Hinter dem Verein stehen Marktteilnehmer aus der (See- und Transport-)Versicherungswirtschaft – unsere Mitglieder sind Versicherungsmakler, Assekuradeure, Versicherungsunternehmen, Dispacheure und Sachverstände aus dem Segment der See- und Transportversicherung oder in engem Kontakt mit diesem Segment. Unser ehrenamtlicher Vorstand setzt sich aus den Mitgliedsunternehmen zusammen und spiegelt genau diese Zusammensetzung wider. Die Geschäftsführung obliegt Tim de Bruyne-Ludwig, seines Zeichens auch Geschäftsführer des Vereins Hanseatischer Transportversicherer e. V.

Aktuell greifen Sie die Tradition auf und setzen diese auf einer digitalen Plattform um. Wie kam es zu diesem Schritt?

SR Wir haben uns nach der Neuaufstellung der Versicherungsbörse als Verein mit der Frage auseinandergesetzt, wofür die Börse in der Vergangenheit stand und was sie ausgezeichnet hat. Die Werte und Prozesse, für die die traditionelle Börse stand, haben bis heute nichts an Attraktivität eingebüßt. Lediglich der Punkt „Präsenz auf dem Börsenparkett“ ist aus unterschiedlichsten Gründen heute nicht mehr zeitgemäß. Daher haben wir uns intensiv mit der Frage beschäftigt, wie man die Börse und ihren Mehrwert für alle Marktteilnehmer digital transformieren kann.

Maklerunternehmen schreiben also Risiken aus und suchen sich für komplexe Risiken den passenden Versicherungsschutz. In der Regel teilen sich dann verschiedene Versicherer das Risiko – so in etwa?

SR Vereinfacht dargestellt, kann man sich unser Ökosystem als eine Mischung zwischen Tinder und Ebay vorstellen. Wir „matchen“ Geschäftspartner anhand ihrer Präferenzen und Kompetenzen und optimieren den Ausschreibungsprozess für komplexe und individuelle Risiken, ohne die Marktteilnehmer in starre Anforderungskorsette zu zwingen. Und das sowohl im Alleinzeichnungs- als auch Beteiligungsgeschäft.

Andere Plattformen für das gewerbliche Versicherungsgeschäft können das nicht?

SR Die Neutralität und Tradition der Hanseatischen Versicherungsbörse, der Non-profit-Ansatz und die Mitbestimmung der Mitglieder an der Entwicklung sind in dieser Form einzigartig am Markt. Ein System aus der Branche für die Branche.

Wie finanziert sich die Plattform?

SR Unser Ökosystem hat sich in der Anfangsphase durch eine Anzahl engagierter Mitglieder – unsere Early Birds – finanziert. Im Betrieb finanziert sich unser Ökosystem durch die Lizenzgebühren. Ein „Starter-Lizenzpaket“, bestehend aus drei Named-user-Lizenzen, kostet momentan 1.450 Euro für Versicherungsvermittler und 12.000 Euro für Versicherungsunternehmen. Wir haben uns bewusst gegen ein transaktionsbasiertes Gebührenmodell entschieden. Zudem muss die Hanseatische Versicherungsbörse „nur“ die Betriebskosten im laufenden Betrieb erwirtschaften sowie einen angemessenen Überschuss für die Finanzierung der Weiterentwicklung des Ökosystems. Die Mitglieder des Vereins entscheiden zudem im Rahmen der jährlichen Hauptversammlung über die Ausrichtung des Vereins und die Höhe und Verwendung der Vereinsmittel.

Welche Versicherer finden sich denn auf der Plattform?

SR Es finden sich alle Versicherer, die im Segment See- und Transportversicherung engagiert sind auf der Plattform – sei es durch direktes eigenes Engagement oder durch die auf der Plattform vertretenen Assekuradeure.

Für wen ist das Angebot auf Maklerseite zugänglich?

SR Unser Angebot ist grundsätzlich nur für Mitglieder der Hanseatischen Versicherungsbörse e.V. zugänglich. Über den Aufnahmeprozess in die Versicherungsbörse stellen wir sicher, dass qualifizierte Teilnehmer in unserem Ökosystem agieren. Es hat sich seit 1558 bewährt, dass die Börsenmitglieder namentlich zum Börsenbesuch zugelassen werden, d. h. dass heute die Mitgliedsunternehmen ihre Mitarbeitenden namentlich im Ökosystem registrieren müssen. Hat früher der offen getragene Börsenbesucherausweis den Zutritt zum Börsenparkett ermöglicht, sind es heute die individuellen Zugangsdaten.

Herr Patzschke, Sie setzen auf Blockchain-Technologie. Warum und welche IT-Voraussetzungen müssen bei den Nutzern erfüllt sein?

Stan Patzschke Im Gegensatz zu zentralen und cloudbasierten Technologien, bietet uns die dezentrale Technologie Blockchain die Möglichkeit, die Herausforderung zu lösen, an der andere gleichartige Vorhaben sich die Zähne ausgebissen haben. Durch das entstehende Netzwerk um die Blockchain behält jeder Teilnehmer die volle Hoheit über seine Daten so wie heute auch. Die Teilnehmer tauschen Daten aus, ohne dass diese an einer zentralen Stelle liegen, die wiederum ein erhöhtes Risiko von Cyberangriffen und IT-Ausfällen mit sich bringen kann. Die Blockchain ist manipulations-, ausfall- und rechtssicher. Drei Eigenschaften, die wir unter anderem den Teilnehmern bieten.

Jeder Teilnehmer am HVB Ökosystem besitzt ein kleines Stück Software, den „HVB Knoten“. Diese ist die einzige IT-Voraussetzung, um dem Netzwerk beizutreten. Wir wissen um die gebundenen IT-Kapazitäten der Mitglieder der HVB. Darum bieten wir den „HVB as a Service“ an, mit dem der Knoten in kürzester Zeit dediziert für den Teilnehmer bereitgestellt wird und er sofort ohne die Bindung von hauseigenen IT-Ressourcen starten und am dezentralen Netzwerk teilnehmen kann.

Lässt sich das nur bei großen Maklerunternehmen realisieren?

SP Jeder Marktteilnehmer, von der globalen Holding bis zum Einzelunternehmer, kann am HVB Ökosystem partizipieren. Durch die Möglichkeit den „HVB as a Service“ zu nutzen, benötigt ein spezialisierter kleiner oder mittelständischer Makler kein eigenes Rechenzentrum oder eine IT-Abteilung.

Die elektronische Börse ist Anfang Juni an den Start gegangen. Wie war denn bislang die Resonanz? Und was haben Sie vor?

SP Die Resonanz nach dem GoLive des HVB Ökosystems ist überwältigend. Nach dem Start der Entwicklung mit unseren zehn Innovatoren, mit dem das System gemeinsam entwickelt wurde, steigt die Teilnehmerzahl stetig an. Die Kombination aus traditionsreichem Qualitätsnetzwerk der Hamburger Versicherungsbörse, gepaart mit dem Non-Profit-Ansatz, weckt großes Interesse in der Branche und das bereits über die Hamburger Stadtmauern hinweg.

Gestartet sind wir aus dem Ursprung der Hamburger Versicherungsbörse mit den Sparten See-, Transport- und Industrierisiken. Doch dem HVB Ökosystem sind in der Spartenvielfalt und -tiefe keine Grenzen gesetzt. Man kann jetzt schon komplexe, individuelle Risiken in mehr als 30 Sparten abbilden. Feinjustierungen für einzelne Sparten erfolgen kontinuierlich in enger Abstimmung mit den Mitgliedern der HVB. Auch der Breitenausbau der möglichen Anwendungsfälle, wie zum Beispiel die Abwicklung des Abrechnungsverkehrs und des Portfoliotransfers, werden aktuell heiß diskutiert.

Über die Interviewpartner:

Dr. Svenja Richartz übernahm im Mai 2019 das Ehrenamt als Vorsitzende der Hanseatischen Versicherungsbörse e.V. Sie ist als Head of Legal der HBC (Hanseatic Broking Center) GmbH tätig. In das Projekt bringt sie ihre Expertise aus ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin eines mittelständischen Assekuradeurs und nun in der aktuellen Funktion für eine Gruppe von Versicherungsvermittlern ein.

Stan Patzschke ist Manager und Blockchain-Experte bei der PPI. Er beschäftigt sich seit mehr als sieben Jahren mit dem Einsatz der Blockchain-Technologie in der Versicherungsbranche. In das Projekt mit der HVB bringt er seine Expertise als Product Owner für das HVB Ökosystem mit ein.

Bild Newsletter: © Studio_East – stock.adobe.com; Porträtfotos: © Hanseatische Versicherungsbörse e.V.