Das Kammergericht (KG) Berlin urteilte am 30.04.2021 (Az.: 6 U 1015/20) im Zusammenhang mit dem Münzraub im Berliner Bode-Museum zur Minderung der Versicherungsleistung wegen einer zu vertretenden Gefahrerhöhung.
Der Sachverhalt vor dem KG Berlin
Der Kläger ist Eigentümer der entwendeten 100 kg schweren Goldmünze. Er verlieh die Münze an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz zur Ausstellung. Die Stiftung schloss eine Einzelversicherung in Höhe von 4,2 Mio. Euro gegen das Diebstahl- und Einbruchsdiebstahlrisiko ab.
Die Einbrecher stiegen 2017 in ein Fenster des Museums ein. Eine elektrische Öffnungsüberwachung zeigte den Einbruch nicht an, da die Anlage wegen Störungen – zumindest für das Fenster – von Mitarbeitern des Museums deaktiviert worden war. Die Versicherung leistete 20% der Versicherungssumme. Die Klägerin hingegen wollte auch die übrigen 80% haben, doch die Klage vor dem KG Berlin wurde abgewiesen.
Rechtliche Bewertung
Im Versicherungsrecht gilt, dass der Anspruch auf die Versicherungsleistung (anteilig) entfällt, sofern der Versicherungsnehmer eine Gefahrerhöhung verursacht oder eine solche ohne seinen Willen eintritt und er dies nicht anzeigt. Vorliegend wurde der Ausfall der Sicherungsvorkehrungen derart bewertet, dass dies eine wesentliche Steigerung der Wahrscheinlichkeit eines eintretenden Versicherungsfalls bewirkt. Die Vorrichtung hätte einen möglichen (Einbruch-)Diebstahl anzeigen und das Abwehren durch das Personal ermöglichen können – so sollte das Risiko gesteuert werden. Das KG Berlin bewertete die Situation derart, dass die beklagte Versicherung den risikoträchtigen Vertrag nicht abgeschlossen hätte, wäre ihr das spätere Ausbleiben von Alarmfunktionen im Vorfeld bewusst gewesen.
Da der Versicherungsnehmer allerdings nicht den Einbruch beabsichtigt hatte, gilt das Unterlassen der Gefahrerhöhungsanzeige als grob fahrlässig erfolgt. Somit ist eine Leistungskürzung gemäß § 26 Abs. 2 S. 1 VVG in Verbindung mit § 26 Abs. 1 S. 2 VVG bis zu 50% möglich. Dass ein Angestellter oder Beauftragter der Versicherungsnehmerin die Gefahrerhöhung bewirkte, ist für die rechtliche Handhabung unerheblich. Denn nach dem Repräsentanten-Prinzip ist Verschulden von Personen, die zur Steuerung des konkreten versicherten Risikos eingesetzt werden, zurechenbar.
Fazit und Hinweis für die Praxis
Im Versicherungsrecht gilt, dass gefahrerhöhende Umstände nicht ohne Einwilligung des Versicherers vorgenommen werden dürfen oder – sollten sie ohne Willen des Versicherungsnehmers eintreten – unverzüglich angezeigt werden müssen. Leistungskürzungen der Versicherer können auf diese Sorgfaltspflichtverstöße gestützt werden.
Weiterführende Informationen
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