Die Wirtschaftsauskunftei „Creditreform“ hat ihren jährlich erscheinenden SchuldnerAtlas veröffentlicht. Anhand dessen Zahlen zeigt sich: Deutschland hat bei der Überschuldung der Verbraucher einen neuen, historischen Tiefststand erreicht. Die Zahl der überschuldeten Privatpersonen liegt nun bei 5,88 Millionen – rund 274.000 bzw. 4,4% weniger als im Vorjahr.
Umgerechnet gelten somit nur noch 2,94 Millionen Haushalte bundesweit als überschuldet und nachhaltig zahlungsgestört. Der Anteil überschuldeter Personen im Verhältnis zu allen Erwachsenen in Deutschland, genannt „Überschuldungsquote“, sinkt um 0,38 Punkte auf 8,48% und liegt somit deutlich unter der 9% -Marke.
Energiepreise und Inflation sorgen für Trendwende
Doch aufgrund der guten Zahlen solle man sich nicht in Sicherheit wiegen, wie der Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform, Patrik-Ludwig Hantschz, mitteilt. Die Überschuldungsfälle reduzieren sich insbesondere seit Corona, da die Menschen in der anhaltenden Krisenlage weniger Geld ausgeben. Außerdem schützen die staatlichen Hilfsprogramme viele Verbraucher.
Doch der Rückgang überschuldeter Personen verlangsame sich bereits. Gerade Menschen ab 60 Jahren konnten ihre Überschuldung nur geringfügig abbauen, so Stephan Vila, Geschäftsführer der Creditreform Boniversum und microm. Die wahren Belastungen würden zudem noch kommen, nämlich die anhaltend hohe Inflation und die ansteigenden Energiekosten. Diese seien noch längst nicht vollständig beim Verbraucher angekommen. In den kommenden Monaten fürchte Hantschz daher eine Trendwende: Die Folgen der Inflation und der Energiekosten würden bei der Überschuldung nicht akut spürbar sein, sondern zeitverzögert und mit Langzeitwirkung auftreten.
Energiepreise als Überschuldungstreiber
Die Zahlen zeigen die tatsächliche Gefahr der steigenden Energiepreise. Bis zu 19% der deutschen Haushalte, etwa 7,8 Millionen Haushalte bzw. 15,6 Millionen Personen, laufen Gefahr, ihre Rechnungen für Versorgungsleistungen wie Strom, Wasser, Gas und Wärme nicht sofort bezahlen zu können, sagt Michael Goy-Yun, ebenfalls Geschäftsführer von Creditreform Boniversum und microm. Im neuen Jahr werde es einen Energiepreisschock geben, der sich für viele als eine „finanzielle Überforderung“ darstellen werde.
Einen starken Rückgang haben die Überschuldungsfälle mit harten negativen Merkmalen zu verzeichnen. Dort reduzierte sich die Anzahl um 219.000, etwa 6,1%. Im Vorjahr waren es mit 224.900 Fällen 5,9%. „Harte Überschuldung“ liegt dann vor, wenn der Sachverhalt bereits „juristisch relevant“ ist wie beispielsweise Privatinsolvenzen, von denen es in den letzten Jahren laut Angaben von Stephan Vila zunehmend weniger gebe. Von „weicher Überschuldung“ spricht man, so zeigt es der „Versicherungsbote“ auf, bei weniger intensiven nachhaltigen Zahlungsstörungen, wie z.B. mehreren vergeblichen Mahnungen. Diese sind dem SchuldnerAtlas zufolge lediglich um 2,1% bzw. 54.000 Fälle zurückgegangen – ein deutlicher Rückschritt im Vergleich zum Rückgang von 15,5% bzw. 470.000 Fällen im Vorjahr.
Ländertrends bleiben positiv
Der Trend ist sowohl bei den westdeutschen, als auch bei den ostdeutschen Bundesländern positiv. Auch 2022 ist die Zahl der Überschuldungsfälle bei beiden Teilen Deutschlands auf ähnlichem Niveau zurückgegangen, in den westdeutschen zum vierten Mal, in den ostdeutschen Ländern zum sechsten Mal in Folge. Beide liegen somit erstmals gleichzeitig im hellgrünen Bereich der Überschuldungsampel. 2022 weisen 397 Kreise und kreisfreie Städte in Deutschland einen Rückgang der Überschuldungsquote auf. 2021 waren es noch alle 401 Städte und Landkreise.
Weitere Informationen zum SchuldnerAtlas von der Creditreform sind hier zu finden. (mki)
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