Deutsche Top-Ökonomen haben trotz der jüngsten Turbulenzen im Finanzsystem weitere Zinserhöhungen gefordert. Das belegt das sogenannte Ökonomenpanel des ifo Instituts und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), einer Umfrage unter 132 VWL-Professoren im Zeitraum vom 23.03. bis zum 30.03.2023. Damit befürwortet das Ergebnis auch den Pfad der Inflationsbekämpfung, den die EZB im vergangenen Jahr eingeschlagen hat, der jüngst aber infolge der Liquiditätsengpässe im Bankensektor auch einiger Kritik ausgesetzt war.
Marktteilnehmer entzogen gleich mehreren Banken das Vertrauen
Denn die abrupte Zinswende blieb nicht ohne Folgen für die Kapitalmärkte. Festverzinsliche Anleihen, insbesondere Staatsanleihen, die noch vor der Zinswende emittiert wurden und eine entsprechend niedrige Rendite aufweisen, haben mit der Erhöhung der Zinsen deutlich an Kurswert verloren. Und darin liegt auch die Ursache des, sich im März 2023 ereigneten größte Bankenkollaps seit der Finanzkrise 2007/2008. Die Zinswende hat nämlich jenen Banken zugesetzt, die in ihrem Portfolio einen hohen Anteil von niedrigverzinsten Staatsanleihen halten, darunter die kalifornische Silicon Valley Bank (SVB), die innerhalb kürzester Zeit das Vertrauen ihrer Kunden verloren hatte und der US-Einlagensicherung unterstellt wurde (AssCompact berichtete). In der Folge wandten sich die Märkte auch von der Schweizer Bank Credit Suisse ab, die schließlich unter Zusicherung staatlicher Garantien von der UBS übernommen wurde (AssCompact berichtete). Und erneut eine Woche später stürzten die Kurse der beiden großen deutschen Finanzinstitute Deutsche Bank und Commerzbank ab.
Mehrheit der Ökonomen unterstützt weitere Zinserhöhungen
Sollten also die Zentralbanken wegen der aktuellen Entwicklungen im Finanzsystem die Zinspolitik zur Inflationsbekämpfung ändern? Die befragten Ökonomen haben eine klare Meinung: Nein, sie sollten nicht. So sprachen sich 67% der Umfrageteilnehmer für weitere Zinserhöhungen aus. Weitere 21% sind dafür, die Zinsen konstant zu halten. Lediglich eine Minderheit von 3% befürwortete, die Zinsen wieder zu senken. 9% gaben keine Antwort an.
Staatsanleihenportfolios müssen mit Eigenkapital abgedeckt werden
72% der befragten Ökonomen unterstützen zudem die Forderung, die Eigenkapitalquoten für europäische Banken zu erhöhen. Nach Auffassung der Befragten sei eine hohe Eigenkapitalquote eine zuverlässige, effektive und vertrauensbildende Form der Bankenregulierung, die künftige Finanzkrisen verhindern kann. Außerdem forderten drei Viertel der Befragten, dass künftig auch Staatsanleihenportfolios verpflichtend mit Eigenkapital zu unterlegen seien.
Uneinigkeit bei den Auswirkungen
Bei den Auswirkungen der Finanzmarktturbulenzen auf die realwirtschaftliche Entwicklung im Jahr 2023 herrscht unter den Ökonomen allerdings keine Einigkeit. 44% der Befragten erwarten keine weiteren schwerwiegenden Einflüsse durch das Finanzsystem. Demnach hätten der russische Krieg gegen die Ukraine und die Inflation größere Auswirkungen auf die Realwirtschaft. Demgegenüber stehen 41% der teilnehmenden Professoren, die negative realwirtschaftliche Folgen erwarten. Diese werden insbesondere auf die gestiegene Unsicherheit und restriktivere Kreditvergabe zurückgeführt. (as)
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