Die Lage der Lebensversicherer ist angespannt, so der Bund der Versicherten (BdV), der gemeinsam mit der Zielke Research Consult GmbH die aktuellen Solvenzberichte (SFCR) analysiert hat. Dabei zeigen sich große Unterschiede bei den Solvenzquoten, der Gewinnerwartung, dem Überschussfonds und der Risikomarge. „Die Branche driftet auseinander. Mehr als ein Viertel der untersuchten Unternehmen hat ernste Probleme“, sagt BdV-Vorstandssprecher Axel Kleinlein. Zusammen mit Dr. Carsten Zielke stellte er am Mittwoch die Ergebnisse der Analyse vor.
Seit 2017 sind Lebensversicherer verpflichtet, Solvenzberichte (SFCR) zu veröffentlichen. Die enthaltenen Kennzahlen zu Solvenzquote und Finanzkraft geben Auskunft darüber, ob der jeweilige Lebensversicherer über ausreichend Kapital und hinreichendes Risikomanagement verfügt, um Extremereignisse wie etwa Naturkatastrophen, Finanzmarktkrisen oder auch Pandemien zu überstehen. Für Versicherte stellt sich letztlich die Frage: Kann der Versicherer sein Leistungsversprechen auch tatsächlich einhalten? Die Solvenzquote muss dabei mindestens 100% erreichen, wobei die Inanspruchnahme von Übergangsmaßnahmen und Volatilitätsanpassungen möglich ist.
16 Gesellschaften liegen unter 100
In der Analyse liegen 16 Gesellschaften unter 100 reiner Solvenzquote (ohne zusätzliche Maßnahmen). Hier ist der Geschäftsbetrieb aufsichtsrechtlich nur mit Übergangsmaßnahmen möglich. Vergessen darf man dabei aber nicht, dass diese auch ausdrücklich dafür geschaffen wurden.
Mit der Frankfurter Münchener Leben AG erzielt erstmals eine Gesellschaft eine negative reine Solvenzquote. Als „Problemfälle“ bezeichnet Dr. Carsten Zielke zudem die Süddeutsche Leben und die Rheinland Leben. Die stärkste Abwärtsbewegung im Vergleich zum Vorjahr hat zudem die HUK Leben gemacht. In der Bredouille würden vor allem Versicherer sitzen, die in der Kapitalanlage Durationsmatching- und Staatsanleihenfans seien, so Zielke.
Manche Versicherer reißen Riemen herum
Zielke nennt aber auch positive Beispiele für Unternehmen, die durch diverse Maßnahmen nun deutlich bessere Ergebnisse erreicht hätten. Dazu gehören etwa Athora und der Münchner Verein, die dies durch eine deutliche Kapitalerhöhung geschafft hätten. Die ERGO Vorsorge Leben und die Zurich gehören ebenfalls zu den genannten Beispielen, wobei die ERGO Vorsorge Leben dies dank einer Verschmelzung mit der kapitalstarken Ergo Direkt geschafft habe und bei der Zurich das erwartete Neugeschäft höher eingestuft wurde.
Besserung zum Guten? Eher nicht.
Der allgemeine Ausblick ist weiter pessimistisch. Zielke rechnet bei 20% der Gesellschaften mit einem weiteren Solvenzquotenrückgang von wenigstens 45 Punkten, womit dann 20 Gesellschaften ohne Übergangsmaßnahmen unter die 100%-Quote rutschen würden. Der Grund für die Prognose lässt sich unter anderem im höheren Stornorisiko in Corona-Zeiten und einem fallenden Swap-Satz finden.
Eine Besserung zum Guten erwartet der BdV nicht. „In der Kapitalanlagepolitik sind die Unternehmen unbeweglich“, sagt Kleinlein, allgemein kein Freund der Lebensversicherung. Die Unternehmen würden im Marktrisiko, bei den Staatsanleihen und der Diversifizierung auf Vorjahresniveau verharren. In Anbetracht der gegenwärtigen Herausforderungen wie anhaltender Niedrigzins, volatilen Aktien- und Anleihenmärkten und den Folgen der Corona-Pandemie sei das mehr als fahrlässig. Er fordert ein Umdenken der Unternehmen. Der BdV-Vorstandssprecher erklärt. „Die Versicherer müssen eine professionelle und angemessene Kapitalanlage und Kalkulation angehen und sich dabei den Versäumnissen der Vergangenheit stellen.“ Dabei meint Kleinlein insbesondere die hohen Garantieversprechen aus früheren Jahren.
Besonderheiten bei Run-off- und Biometrie-Versicherern
Noch einmal mit Blick auf die aktuelle Situation fällt das Urteil des BdV zu Run-off-Gesellschaften mehr als deutlich aus: Sie hätten die geringste Transparenz im Markt, verfügten tendenziell eher über schwächere – teilweise sogar besorgniserregende – reine Solvenzquoten und überdurchschnittlich hohe Überschussfonds. Ein Beispiel dafür ist die schon oben erwähnte Frankfurter Münchener Leben. Zielke und Kleinlein fordern hier bessere Prüfmechanismen vonseiten der Aufsicht und eine deutliche Rechtestärkung der betroffenen Versicherten.
Bei den Biometrieversicherern fällt den Analysten auf, dass Solvenzquoten, Überschussfonds und Risikomarge deutlich über dem Marktniveau lägen, die Gewinnerwartung sehr hoch sei und das Marktrisiko geringer als im restlichen Markt. Viele Versicherer haben in den vergangenen Jahren ihr Biometriegeschäft ausgebaut und so ihre Sparten diversifiziert. Allerdings sieht der BdV die Gefahr, dass Versicherer das Biometriegeschäft nutzen werden, um Probleme im klassischen Lebengeschäft auszugleichen – was dann letztlich wieder zulasten der Biometriesparte und der BU- oder Risikoleben-Versicherten ginge.
Neues Transparenzsiegel
Zum ersten Mal vergeben BdV und Zielke Research Consult ein Transparenzlabel im Zusammenhang mit den Solvenzberichten. Damit wollen sie die bereits gestiegene Transparenz würdigen. Der Kunde soll damit schneller erkennen, welcher Lebensversicherer detaillierte Information zu seiner Solvenzsituation gibt.
Aktuell erhalten drei Unternehmen das höchste Transparenzsiegel in „Gold“. Dazu gehören die ALTE LEIPZIGER, die die Liste anführt, die DEVK und die Generali-Gruppe. Das Siegel kann gegen Gebühr von den Versicherern verwendet werden. Der BdV betont, dass die Einnahmen nur zur Fortsetzung der SFCR-Analyse eingesetzt werden. (bh)
Die vollständige Analyse steht auf der Website des BdV unter www.bundderversicherten.de zum Download bereit.
Bild: © Yakov – stock.adobe.com
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