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19. Dezember 2024
Risikoleistungen und Benefits: „One fits all“ war gestern
Risikoleistungen und Benefits: „One fits all“ war gestern

Risikoleistungen und Benefits: „One fits all“ war gestern

Risikoleistungen und Benefits gewinnen für Arbeitgeber und Beschäftigte weiter an Bedeutung. Welche Benefits sind aber wirklich gefragt? Und wie lässt sich ein passendes Benefits-Portfolio entwickeln?

Interview mit Nicoletta Blaschke, Head of Health & Benefits bei WTW
Frau Blaschke, moderne Risikoleistungen erhöhen die Arbeitgeberattraktivität. Welche sind konkret gemeint?

Risikoleistungen, die ein zeitgemäßes, wettbewerbsfähiges Benefits-Portfolio ausmachen, sind die folgenden drei versicherungsförmigen Risiko-Benefits:

  • Die Gruppenunfallversicherung mit 24h-Deckung von Tod und Invalidität infolge eines Unfalls – ein Must-have im Portfolio.
  • Die Todesfallabsicherung als Stand-alone-Lösung in Form einer kollektiven Risikoabsicherung, die auf einer Arbeitgeberzusage basiert und über einen Versicherer rückversichert wird.
  • Die Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) als Stand-alone-Lösung (und als Rider zur Lebensversi­cherung), ebenfalls in Form einer kollektiven Risikoabsicherung, die auf einer Arbeitgeberzusage basiert und über einen Versicherer rückversichert wird.

Entsprechende Risikoabsicherungen werden immer häufiger eingesetzt. Für WTW als Berater gilt dann, aus diesen drei Komponenten eine Tailor-made-Solution für die Kunden zu formen. Dabei berücksichtigt WTW die Ergebnisse aus Workshops mit dem Kunden und den Vorgaben und Wünschen der internen Stakeholder.

Was ist Unternehmen bei der Risikoabsicherung ihrer Beschäftigten wichtig? Und auf welche Leistungen legen Arbeitnehmende Wert? Worauf sollten Makler also achten?

Soziale Verantwortung sowie Vorsorge- und Absicherungsoptionen durch Arbeitgeber gewinnen – auch vor dem Hintergrund zunehmenden Kostendrucks – weiter an Bedeutung. Die Diversität ihrer Belegschaft im Blick zu haben, ist für Arbeitgeber ein wichtiges Anliegen. Daher streben Unternehmen mit innovativen Gruppenabsicherungen zunehmend eine effiziente, werthaltige, kollektive Risikoabsicherung ihrer Mitarbeitenden an, um sie gegen finanzielle Folgen von Tod und Invalidität zu schützen.

Als echte Gruppenversicherung wird die Risikoeinschätzung einer  gesamten Belegschaft oder einer definierten Teilgruppe als Einheit bewertet. Mit Prämien, die deutlich unter den Einzeltarifen liegen, ermöglichen kollektive Versicherungslösungen nach internationalem Standard so Versicherungsschutz ohne Gesundheitsprüfung. Aus Sicht der Mitarbeitenden gewinnt das Financial Wellbeing mit dem Angebot von Altersvorsorgeprogrammen, Risikolebensversicherungen und BU stark an Be­deutung. Betrachtet man die vier unterschiedlichen Dimensionen des ganzheitlichen Mitarbeiter-­Wellbeing, so hat das Financial Wellbeing noch vor dem psychischen, physischen und sozialen Aspekt derzeit die höchste Priorität für Beschäftigte.

Und wie finden Makler „den richtigen Draht“ zu den Beteiligten? Inwieweit müssen sie hier ihre traditionelle Rolle vielleicht auch verändern? Wer sollte im Unternehmen für eine erfolgreiche Vermittlung alles einbezogen werden?

Wir begleiten die Kunden über die verschiedenen Prozessschritte, von der Entwicklung einer tragfähigen Benefits-Strategie bis hin zur Implementierung eines nachhaltigen Benefits-Designs. Unser Ansatz beginnt mit der Bestandsaufnahme der existierenden Benefits, der Bedarfsermittlung und einer fundierten Analyse. Dies erfolgt je nach Mitarbeiter-Demografie und Unternehmensziel aus der Vielzahl der Versicherungsangebote, ggf. ergänzt um nicht-versicherungsförmige Benefits durch Auswahl von weiteren Dienstleistungsanbietern.

Die betriebliche Altersversorgung (bAV) ist für viele Angestellte eine wichtige Vorsorgesäule. Was ist bei der Einführung und Verwaltung im Unternehmen zu beachten?

In der aktuellen Global Benefits Attitudes Survey von WTW sagen 31% der Befragten in Deutschland, dass die bAV ein wichtiger Grund für die Wahl des aktuellen Arbeitgebers war, 47% sehen sie als Grund, bei ihrem Arbeitgeber zu bleiben. Ihre Einführung und Verwaltung erfordern eine gründliche Planung und entsprechende Berücksichtigung relevanter rechtlicher, steuerlicher und organisatorischer Themen­bereiche, z. B.:

  • Fünf Durchführungswege stehen zur Auswahl, darunter die Direktversicherung. Der optimale Weg hängt vom Konzept und der Unternehmensstruktur ab. Das Unternehmen kann auch mehrere Optionen anbieten.
  • Beiträge sind steuerbegünstigt und sozialabgabenfrei bis zu bestimmten Grenzen – Unterschiede ergeben sich hier in den Durchführungswegen.
  • Seit 2019 müssen Arbeitgeber bei der Entgeltumwandlung mindestens 15% Zuschuss leisten, wenn Sozialabgaben eingespart werden (sofern nicht tarifvertraglich abbedungen).
  • Die bAV unterliegt dem Betriebsrentengesetz (BetrAVG) und weiteren arbeitsrechtlichen Vorschriften. Unternehmen müssen aktuelle Gesetze berücksichtigen, z. B. zum Insolvenzschutz und der Übertragbarkeit (Portabilität) bei Arbeitgeberwechsel.
  • Eine gute und verständliche Kommunikation ist entscheidend, da die Rahmenbedingungen oft komplex sind. Arbeit­geber setzen oft auf Informationsveranstaltungen oder externe Berater wie WTW, um zielführend und passgenau zu informieren.
  • Die Administration umfasst Dokumentationspflichten, Versorgungsberechnungen und gesetzliche Anpassungen. Viele Unternehmen nutzen externe Anbieter zur Entlastung und Einhaltung der Vorgaben. Auch werden zunehmend Verwaltungstools eingesetzt.
  • Regelmäßige Überprüfung stärkt Altersvorsorge und Anpassungs­fähigkeit des Unternehmens.
Wir befinden uns in einer „Pflegekrise“. Welche Rolle spielt denn die betriebliche Pflegeversicherung und wie wichtig wird sie wohl zukünftig noch?

Immer mehr Mitarbeitende sehen sich mit der Situation konfrontiert, dass noch Kinder im eigenen Haushalt leben und nahe Angehörige pflegebedürftig werden. Nicht immer wohnen diese in der Nähe, sodass zusätzliche Herausforderungen auf Betroffene zukommen. So entsteht schnell eine Mehrfachbelastung, die zu eingeschränkter Leistungsfähigkeit, krankheitsbedingten Abwesenheiten, Teilzeit oder sogar zum völligen Ausscheiden aus dem Erwerbs­leben führt. In 94% aller Fälle übernehmen nach Angaben der Pflege­kassen Angehörige die Pflege. Ein betriebliches Pflegekonzept kann hier wertvolle Unterstützung leisten. Es ermöglicht den Beschäftigten z. B. Zugang zu Beratung, Betreuungsleistungen, unterstützenden Organisationsleistungen und einem monat­lichen Pflege­budget zur finanziellen Entlastung. Erste Angebote für Arbeitgeber hält der Markt bereit, wir erwarten für die Zukunft noch weitere Anbieter und neue Leistungs­varianten. Das Thema wird zukünftig noch stärkere Relevanz für Arbeit­geber haben.

In Ihrer Studie zu Risikoleistungen 2024 heißt es, der Einfluss von ESG-Kriterien steige, v. a. das „S“, („Soziales“). Was bedeutet das in diesem Zusammenhang und was steckt hinter dem Trend?

Die ESG-Kriterien stehen für die Bewertung von Unternehmen in den Dimensionen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Eine Gewährung von Risikoleistungen kann dabei als Kriterium im Bereich des Sozialen gesehen werden. Unternehmen zeigen soziale Verantwortung durch das Angebot nachhaltiger Vergütungsbestandteile. Bereits 44% der in der Studie befragten Unternehmen nutzen den Benefit der Risikoleistung, um ihrer sozialen Verantwortung als Arbeitgeber gerecht zu werden. Besonders für große und international agierende Unternehmen ist es wichtig, mit einer guten Risikoabsicherung belastbar soziale Verantwortung zu zeigen. Wir beobachten auch, dass Unternehmen dies bereits verstärkt nutzen.

Kann es auch unpassende oder zu viele Benefits geben, die somit eher abschreckend wirken? Wie wichtig ist eine individuelle Risikoabsicherung?

Jeder Dritte würde für ein besseres Benefits-Paket bei vergleichbarer Tätigkeit und Vergütung den Arbeitgeber wechseln. Und ja, es kann auch zu viele und auch unpassende Benefits geben. Ehemals beliebte Benefits wie Tankgutscheine haben an Attraktivität verloren. Gesundheitsleistungen, klimafreundliche Mobilitätsangebote, flexibles Arbeiten oder Engagement des Arbeitgebers erfahren nun stärkere Popularität. Welche Benefits erwartet werden, richtet sich nach Faktoren wie Alter, Lebenssituation, Gesundheitszustand, Einkommen etc. „One fits all“ war gestern. Wir empfehlen einen Mix aus arbeitgeberfinanzierten Benefit ergänzt um eine individuelle Auswahl an Zusatzbenefit und moderne Benefits-Kommunikation. Denn die besten Benefits verfehlen ihren Zweck, wenn sie am Bedarf vorbeigehen, nicht wahrgenommen oder nicht verstanden werden. Ist das Benefits-Portfolio einmal festgelegt, empfiehlt sich eine regelmäßige Überprüfung, z. B. über Befragungen, um zu erheben, welche Leistungen tatsächlich genutzt und wertgeschätzt werden. Dabei ist ein Abstand von etwa zwei Jahren ratsam.

Wie könnte sich das Thema Risikoabsicherung in Zukunft weiterentwickeln?

Kollektive Risikolebensversicherung und kollektive BU werden in Zukunft eine bedeutende Weiterentwicklung erfahren. Diese wird angetrieben durch gesellschaftliche Veränderungen, technologische Fortschritte und neue Anforderungen im Bereich der Arbeitswelt nach sozialer Absicherung. Bereits heute ist zu erkennen, dass eine stärkere Integra­tion in betriebliche Vorsorgekonzepte erfolgt. Arbeitgeber können die kollektiven Risikoabsicherungen als festen Bestandteil der bAV anbieten, um Arbeitnehmer besser abzusichern und ihre Attraktivität als Arbeitgeber zu steigern. Mit der Automatisierung von Prozessen und Datenanalyse durch globale Broker wie WTW mithilfe von Big Data und KI können Risikoeinschätzungen vorgenommen werden, die es ermöglichen, Policen genauer zuzuschneiden. Das könnte die Prämien für Arbeitgeber langfristig senken, wodurch kollektive Risikoabsicherungen erschwinglicher würden. In der Kombination mit Gesundheitspräventionsprogrammen wird auch ein Anreiz für ein gesün­deres Arbeitsumfeld geschaffen.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 12/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © Nicoletta Blaschke, WTW

 
Ein Interview mit
Nicoletta Blaschke