Ein Artikel von Andreas Heinsen, Rechtsanwalt und Rechtsschutzvorstand (i. R.)
Das Mindset, die fachlichen Skills und die darauf aufbauenden Geschäftsmodelle der klassischen Legal Expenses Insurance (Prozesskostenversicherung) und der Legal Protection Insurance (Rechtsschutzversicherung) weisen große Unterschiede auf. Gerade die Anwaltschaft beharrt seit jeher auf der reinen Kostenabsicherungsfunktion, der freien Anwaltswahl und einem uneingeschränkten Rechtsberatungsmonopol, so wie es vermeintlich die §§ 125 bis 129 Versicherungsvertragsgesetz (VVG), das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) sowie das Berufsrecht manifestieren. Ein Blick in die allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB) des Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) allein zeigt schon, dass die Rechtsschutzwelt sich stark verändert hat und sich disruptiv weiter in einen digitalen Rechtsdienstleistungsmarkt verändern wird.
Der zukünftige Rechtsmarkt wird mit weiteren Deregulierungen des Anwalts- und Rechtsdienstleistermarktes massiv die Geschäftsmodelle der Versicherer tangieren und in Teilen auch gefährden, wenn man den Spieß als Versicherer nicht umdreht und die eigene Kunden-, Vertriebs- und Kapitalstärke aktiv für einen zukünftig größeren Rechtsmarkt für sein Wachstum nutzt, wozu dann auch neue strategische Kooperationen gehören werden.
Rechtsschutz sichert als Konfliktlöser den Zugang zum Recht
Was sagen die heutigen ARB zu den Aufgaben von Rechtsschutz? ARB 2022 Nr. 1 (GDV): „Aufgaben der Rechtsschutzversicherung: Sie möchten Ihre rechtlichen Interessen wahrnehmen. Wir erbringen die dafür erforderlichen Leistungen und sichern Ihnen so den Zugang zum Recht. Der Umfang unserer Leistungen ist im Versicherungsantrag, im Versicherungsschein und in diesen Versicherungsbedingungen beschrieben. Gerne unterstützen wir Sie, Ihren Konflikt schnell und nachhaltig zu lösen. Fragen Sie uns nach Ihren Möglichkeiten.“ Ich empfehle für die eigene Strategieentwicklung jedes Wörtchen dieser Verbandsempfehlung sehr genau zu nehmen und mit dem eigenen Geschäfts- und Betriebsmodell zu spiegeln, um daraus Schlussfolgerungen für die gesamte End-to-End-Wertschöpfungskette für die Rechtsschutzversicherung abzuleiten.
LegalTechs treiben den Markt und gewinnen die Kundenschnittstellen
Mit dem LegalTech-Gesetz 2021 und einigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) hat sich der regulatorische Rahmen für den Rechtsmarkt massiv verändert. Diverse LegalTech-Geschäftsmodelle, von den Anwaltskammern erfolglos bekämpft, hat der BGH für zulässig erklärt, zuletzt die Komplettabwicklung von Kfz-Schäden über einen Rechtsdienstleister mit Inkassolizenz. Da geht es um das Butter- und Brotgeschäft der Anwaltskanzlei um die Ecke und Rechtsschutz hat für dieses Thema viele Optionen für den Ausbau der eigenen Rechts-Assistance- und Schadenservice-Strategie. Der Wake-up-Call für den zukünftigen digitalen Rechtsmarkt ist für die Sparten-Profis eigentlich nicht zu überhören, und dieser ist gerade für Juristen mehr als spannend, da es um das Management und dann auch zukünftigen Vertrieb von „Rechtsdienstleistungen mit Versicherungsschutz“ geht, was auch die bisherigen Kalkulationsgrundlagen für dann neue Produktmodelle völlig auf dem Kopf stellen wird. Mutig sein in der Produktentwicklung und professionell in deren Monitoring, das steht auf der Agenda.
Seite 1 Rechtsschutz transformiert zur Legal Protection Insurance
Seite 2 Die „Lex Rechtsschutz“ des § 4 RDG muss weg!
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