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15. August 2024
Rechtliche Vorsorgepapiere: Erstellung nur durch Experten

Rechtliche Vorsorgepapiere: Erstellung nur durch Experten

In den letzten Jahren gab es zahlreiche Urteile wegen rechtswidriger Rechtsberatung und Vermittlung von Rechtsdienstleistungen u. a. durch Generationenberater bei Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten. Wer darf rechtlich was leisten? Ein Kommentar von Ulrich Welzel.

Ein Beitrag von Ulrich Welzel, Brain!Active UnternehmerBeratung, Berater für Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht für soziale Träger, Betreiber des YouTube-Kanals „Ratgeber Patientenverfügung + Vorsorgevollmacht“

Die Ausbildung zum Generationenberater umfasst eine Vielzahl von Schwerpunkten, wobei ein zentraler Ausbildungsfokus die rechtlichen Grund­lagen des Erb- und Betreuungsrechts sind sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen, Unterschiede und Einsatzgebiete der Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung. Im Mittelpunkt stehen die Beratung und Information des Kunden und nicht die Erstellung von Testamenten, Vollmachten und Verfügungen, was der Gesetzgeber im Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) klar geregelt hat.

Verletzung des Rechtsdienstleistungsgesetzes

In den letzten Jahren gab es zahlreiche Urteile wegen rechtswidriger Rechtsberatung und Vermittlung von Rechtsdienstleistungen durch Banken, Finanzdienstleister und Generationenberater, z. B. im Bereich von Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten.

Bereits 2009 hat der Bundesgerichtshof (BGH, NJW 09, 3242 v. 29.07.2009 – I ZR 166/06) geurteilt, dass die Datensammlung der Beginn einer erlaubnisgebundenen (Rechts-) Dienstleistung ist. Die Weitergabe der Kundendaten an berufsmäßige Rechtsdienstleister wie Rechts­anwälte entlastete die Beklagte nicht.

Ein zusätzlicher Pfeiler in der Rechtsprechung ist das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe (23.12.2010 – 4 U 109/10) gegen eine Bank, die unter anderem mit der Beratung zur Vorsorgevollmacht warb. Die ersten beiden Sätze im Urteil bringen es auf den Punkt:

1. Bei der Erstellung von Vorsorgevollmachten handelt es sich um eine Rechtsdienstleistung i. S. v. § 2 Abs. 1 RDG.

2. Eine qualifizierte Vorsorgevollmacht macht eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erforderlich.

1. aa) Bei einer Vorsorgevollmacht handelt es sich um keine eigene Angelegenheit der Beklagten (Bank) (BGH, GRUR 2007, 978 Tz 21).

Eine Beratung über Vorsorgevollmachten steht mit der eigentlichen Berufsaufgabe der Beklagten in keinem unmittelbaren Zusammenhang.

Inhalt und Reichweite einer Vorsorgevollmacht bestimmen sich nach den individuellen Verhältnissen des jeweiligen Kunden (vgl. oben a. zu den möglichen Regelungsinhalten). Das wirksame Abfassen der Vollmacht erfordert zudem die Prüfung rein rechtlicher Fragen.

1. bb. Die Beklagte entbehrt einer Erlaubnis zur selbstständigen Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen gem. § 3 RDG. Eine entsprechende Erlaubnis ist für den von der Beklagten beworbenen und von der Klägerin zuletzt noch beanstandeten Bereich erforderlich.

1. Die Beklagte wird verurteilt,

a) es zu unterlassen, auf dem Gebiet des Erbrechts und/oder Familienrechts rechtsberatend und/oder rechtsbesorgend tätig zu werden, und b) zu werben, indem in Einzelfällen

  • Vorsorgevollmachten erstellt werden, und vieles mehr …, ist gem. §§ 8 Abs. 1 Satz 1, 3, 4 Nr. 11 UWG i. V. m. § 1, 2 Abs. 1 Satz 1 RDG begründet.

Vorsorgevollmachten regeln demgegenüber weit darüber hinaus­gehende Inhalte, die mit Bank­geschäften (Versicherungen Anm. Autor) nichts gemein haben. In der Praxis bezieht sich die Bestellung des Vorsorgebevollmächtigten beispielsweise auf Gegenstände wie ärztliche und pflegerische Maßnahmen, die Bestimmung des Aufenthaltsorts (Übersiedlung in ein Alters- oder Pflegeheim, Krankenhausaufenthalt), die Entscheidung über unterbringungsähnliche Maßnahmen, z. B. Bettgitter, Stecktische, Fixierungen, die Entscheidung über eine Unterbringung (z. B. geschlossene Psychiatrie).

Das OLG-Urteil räumt mit dem immer wieder geäußerten Satz „Ich habe die Kundendaten doch nur an einen Rechtsanwalt weitergeleitet“ auf:

„Darauf, dass die Bekl. nach ihrer Darstellung tatsächlich lediglich persönliche Daten abfragt und den Kunden im Übrigen an einen professionellen Rechtsdienstleister, z. B. einen Rechtsanwalt, zur konkreten Beratung weiterempfiehlt, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Die Anwendbarkeit von § 2 Abs. 1 RDG setzt nicht voraus, dass die Bekl. tatsächlich eine eingehende rechtliche Prüfung vornimmt, sondern nur, dass die Angelegenheit eine solche erfordert.“

Damit nimmt die Bekl. jeweils eine Rechtsdienstleistung für ihre Kunden wahr. Denn § 2 Abs. 1 RDG unterfällt jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Mit der Sammlung der für die Beurteilung spezifischen Kundendaten und deren Zusammenstellung zum Zwecke der Weitergabe an RAe belegt die Bekl., dass die Wahrnehmung der Angelegenheiten im Einzelfall jeweils eine rechtliche Prüfung erfordert. Die Daten­sammlung ist der Beginn der erlaubnis­gebundenen Dienstleistung.“

Das Amtsgericht (AG)Northeim ((Urteil v. 19.01.2017 – 3 C 349/16 (VI)) urteilte 2017 ebenfalls eindeutig, mit Bezug auf die BGH- und OLG-Urteile, dass die Erstellung und Vermittlung von rechtlichen Vorsorgedokumenten ausschließlich in die Hände von dafür qualifizierten Fachkräften wie Notaren und Rechtsanwälten gehört, also nicht in den Aufgabenbereich von Generationenberatern/Finanzdienstleistern fällt. In dem Fall klagte ein Dienstleister aus Sachsen vergeblich auf Zahlung des Honorars.

Umsetzung durch Banken

Im Gegensatz zu sehr vielen freien Generationenberatern und Finanzdienstleistern, die diese Urteile jeden Tag massenhaft ignorieren, setzen Banken diese Urteile vollumfänglich und strikt um. Banken bieten ihren Kunden keine Vermittlung von Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten oder anderen Rechtsdienstleistungen an, sondern empfehlen ihren Kunden, sich qualifizierte Rechtsanwälte oder Notare zu suchen. Dafür erhalten sie keine wie immer geartete Provision, weil es ein gesetzliches Provisionsabgabeverbot für Rechtsanwälte gibt. Diese Praxis gewährleistet, dass die Kunden eine rechtskonforme und sachkundige Beratung erhalten und die Dokumente den gesetzlichen Anforderungen entsprechen.

Referenz auf einer Homepage einer Generationenberaterin

„Wir haben mit Frau Müller (Name geändert) einen Termin vereinbart, da wir unsicher waren, wie wir in Punkto Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung vorgehen sollen. Sie klärte uns über die verschiedenen Möglichkeiten auf, und wir entschieden uns die Vorsorgevollmacht über den Rechtsdienstleister erstellen zu lassen. Frau Müller hat die Formulare zusammen mit uns ausgefüllt und sich um alles gekümmert.“

Das BGB regelt im § 134 (Gesetzliches Verbot): „Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.“ Mit gesetzlichem Verbot ist die Beratung durch Nichtjuristen gemeint. Ausreden wie „Ich habe doch nur vermittelt“ oder „Das wusste ich nicht“ lässt der Gesetz­geber nicht zu. Bei der Erstellung/Vermittlung der Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht handelt es sich um ein nichtiges Rechtsgeschäft. Die Ärztezeitung vom 23.01.2017 bringt das Urteil des AG Northeim auf den Punkt: „zweifelhafte Geschäftspraktiken“.

Die Rolle der Ausbilder

Verwunderlich ist, dass viele Ausbildungsanbieter trotz eindeutiger Gesetzeslage weiterhin die rechtlich verbotene Vermittlung von Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten durch Generationenberater als eine attraktive Marketingmaßnahme anpreisen. Es geht so weit, dass Akademien mit Dienstleistern zusammenarbeiten, die die Ausbildung finanziell unterstützen, mit dem unausgesprochenen Ziel der Umsatzgenerierung für die vermeintlichen „Rechts“-Dienstleister.

Diese Vorgehensweise untergräbt nicht nur das Vertrauen der Verbraucher in die Berater, sondern stellt auch eine ernsthafte Gefahr für die Rechtssicherheit und den Verbraucherschutz dar. Es ist daher dringend notwendig, auch die Ausbildungsanbieter zur Verantwortung zu ziehen und dafür zu sorgen, dass deren Lehrinhalte den gesetz­lichen Vorgaben entsprechen.

Ein Institut bringt es auf die Spitze und agiert gleich selber als Dienstleister. Im Fachbuch eines Ausbildungsinstituts „Geschäftsfeld Ruhestandsplanung“ (Haufe Verlag 2019, S. 120) werden fünf Dienstleister (die keine Rechtsdienstleister sind) als „Dienstleistungsnetzwerk zur Lösung von Störfaktoren“ auf­geführt.

Illusorischer Wahrheitseffekt

Die Psychologie bezeichnet dieses Phänomen, jahrelange und wiederholte Verbreitung von unwahren Informationen, als „illusorischen Wahrheitseffekt“. Der illusorische Wahrheitseffekt beschreibt die Tendenz von Menschen, Informationen als wahrer zu bewerten, wenn sie wiederholt präsentiert werden, unabhängig davon, ob sie tatsächlich wahr sind oder nicht.

Die Grundannahme hierbei besteht darin, dass die Wiederholung die Vertrautheit mit einer Aussage erhöht und Menschen dazu neigen, vertraute Informationen als glaubwürdig einzuschätzen. Dies kann dazu führen, dass eine Lüge, die oft genug wiederholt wird, von vielen Menschen als Wahrheit akzeptiert wird. Im Beispiel der verbotenen Rechtsberatung durch Finanzdienstleister neigen selbige dazu, diese Informationen als wahr anzusehen, insbesondere wenn sie aus verschiedenen Quellen stammen.

Konsequenzen für das Ansehen von Generationenberatern

Die rechtswidrige Vorgehensweise vieler freier Generationen­berater (Ruhestandsplaner, Versicherungsmakler und große Teile freier Certified Financial Planner®) hat erhebliche Auswirkungen auf das ohnehin schon seit zig Jahren stark ange­kratzte Ansehen der Finanzbranche. Wenn Generationenberater, die sich als vertrauenswürdige Berater positionieren wollen, jedoch dermaßen rechtswidrig handeln, untergräbt dies das Vertrauen der Kunden in die gesamte Branche. Es entsteht der Eindruck, dass Finanzdienstleister in der Allgemeinheit nicht im besten Interesse ihrer Kunden handeln, sondern in erster Linie auf ihren eigenen Profit bedacht sind.

Praktische reale Beispiele

Mia F. (30) ist Einzelhandelskauffrau und alleinerziehende Mutter. Sie besitzt ein Vermögen von 5.000 Euro. Ihr Generationenberater hat ihr nahegelegt, bei seinem Anbieter (der kein Rechtsdienstleister ist) eine Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht erstellen zu lassen. Insgesamt wurden ihr dafür 330 Euro in Rechnung gestellt.

Hätte der Generationenberater Mia F. die kostenfreien und fachlich sehr guten Beratungen der sozialen Träger vor Ort oder den Gang zum Notar empfohlen, wäre Mia F. finanziell besser gestellt gewesen. Nach der Gebührentabelle der Notare (§ 34 Gerichts- und Notarkostengesetz) hätte ein Notar ihr 37,50 Euro für die Patientenverfügung, 45,00 Euro für die Vorsorgevollmacht, plus Auslagen, insgesamt knapp 100 Euro in Rechnung gestellt.

Ein paar Monate später erfuhr Mia F., dass sie mehr als das Dreifache der Notarkosten, und 330 Euro mehr als beim sozialen Träger bezahlt hat. Sie informierte ihre Freunde über die Vorgehensweise des Generationenberaters und suchte sich einen neuen Finanzdienstleister. In solchen Fällen hätte sich Mia F. bei der Verbraucherzentrale Rat holen können.

Für die Beratung einer Familie mit 50.000 Euro Vermögen wurden 530 Euro in Rechnung gestellt. Hätte sich die Familie beim Notar beraten lassen, wären 75 Euro für zwei Patientenverfügungen und 115 Euro für zwei Vorsorgevollmachten, plus Auslagen, in Höhe von 210 Euro in Rechnung gestellt worden.

Mittlerweile bewerben einige Generationenberater ihre vom Gesetzgeber verbotene Beratung mit über 1.000 Euro. Zu solch horrenden Gebühren steht im Northeimer Urteil: „Zur Entscheidung des Rechtsstreits kann offen bleiben, ob der streitgegenständliche Vertrag auch wegen Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß § 138 Abs. 2 BGB (Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher) nichtig ist.“

Aufgabe von Generationenberatern

Der Kunde darf von einem seriösen Generationenberater erwarten, dass er sich bei Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht sowohl rechtlich als auch medizinisch exzellent auskennt. Sie informieren ihre Kunden über die Wichtigkeit der Patientenverfügung, der Vorsorgevollmacht, der palliativen Krisenvorsorge, klären über Selbst- und Fremdbestimmung auf und erläutern, wann und warum welches Absicherungsinstrument notwendig ist. Diese Informationen vermittelt ein geschulter Generationenberater in drei Minuten. Mit Rückfragen des Kunden liegt der Gesprächsaufwand zwischen fünf und sieben Minuten.

Beratungsempfehlung

Generationenberater sollten sich in diesem Bereich ein Netzwerk von sozialen Trägern (Caritas, Diakonie, Volkssolidarität, Hospizvereine, Pflegestützpunkte) aufbauen. Hier erhält der Kunde kostenfrei zwei Stunden exzellente fachliche Beratung, da alle Beraterinnen und Berater eine qualifizierte Ausbildung im Bereich Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht vorweisen können. Sie kennen sich in medizinischen Fragestellungen und Krankheitsbildern bestens aus, weil sie oft aus der Pflege, aus der speziellen ambulanten Palliativversorgung (SAPV) oder dem Hospiz­umfeld kommen.

Sehr gute, kostenfreie Informationen und rechtssichere Vorlagen zur Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht bietet das Bundesministerium der Justiz. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz bietet die 68-seitige Broschüre „Vorsorge für Unfall, Krankheit, Alter durch Vollmacht, Betreuungsverfügung und Patientenverfügung“ des C.H.Beck-Verlags zum kostenfreien Download an. Deutschlands namhafteste Medizinrechtskanzlei für „Patientenrechte am Lebensende“ (putz-medizinrecht.de) bietet rechtssichere Vordrucke zur Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht zum Download an.

Wer als Generationenberater diese Tipps an seine Kunden weiterleitet, wird seine Kunden eng an sich binden, Empfehlungen generieren und sich ein gutes Renommee aufbauen.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 08/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © Andrey Popov – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Ulrich Welzel