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30. Mai 2024
Prozessualer Anlegerschutz in Massenklagen auf Prüfstand

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Prozessualer Anlegerschutz in Massenklagen auf Prüfstand

Einordnung

Das KapMuG als Instrument zur Bewältigung von kapitalmarktrechtlichen Massenverfahren würde durch den Regierungsentwurf dauerhaft etabliert. Ob mit den skizzierten Änderungen in der Praxis eine Verfahrensbeschleunigung des KapMuG-Verfahrens erreicht wird, erscheint fraglich. Die vorgeschlagenen kürzeren Fristen sind als „Soll-Fristen“ ausgestaltet, also für die Gerichte nicht verbindlich. Ob die häufig überlasteten Gerichte die kürzeren Fristen einhalten werden können, bleibt abzuwarten.

Ebenso muss sich zeigen, ob die größere Autonomie der Parteien in der Entscheidung darüber, ob sie die Vorteile eines KapMuG-Verfahrens nutzen oder ihren Rechtsstreit unabhängig führen, tatsächlich den gewünschten Effekt erzielen wird. Wenn – wie im Regierungsentwurf vorgesehen – bereits der Antrag nur einer Partei ausreicht, um ein individuelles Klageverfahren in das Musterverfahren einzugliedern, dürfte das fraglich sein. Gerade der Beklagte wird in der Praxis regelmäßig ein Interesse daran haben, nicht zahlreiche Einzelverfahren gleichzeitig zu führen, sondern diese mittels Antrag in einem (Muster-)Verfahren zu bündeln.

Ausblick

Das auf das Kapitalmarktrecht beschränkte KapMuG ist in Deutschland nicht das einzige speziell für Massen- oder Sammelklagen bestehende Instrumentarium. Seit dem 13.10.2023 reiht sich neben das KapMuG-Verfahren die sogenannte Verbandsklage. Mit dieser Verbandsklage sind auf Leistung gerichtete Sammelklagen (auch auf Schadensersatz) im Interesse von Verbrauchern (aber auch von kleinen Unternehmen) möglich. Die Verbandsklage steht für alle zivilrechtlichen Streitigkeiten zur Verfügung, auch jenseits des Kapitalmarktrechts. Nach dem Regierungsentwurf sollen Verbandsklage und KapMuG grundsätzlich selbstständig nebeneinander stehen. In kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten stehen damit vor allem zwei Verfahrensarten zur Bewältigung von Massen- oder Sammelklagen zur Verfügung.

Praktischer Vorteil der Verbandsklage auf Schadensersatz ist, dass kein eigener Prozess von den Anlegern geführt werden muss. Wird eine Verbandsklage von einer qualifizierten Einrichtung – oft einer Verbraucherzentrale – erhoben, können sich Betroffene ohne Kosten und Rechtsanwalt zu der Verbandsklage anmelden. Sie partizipieren direkt an einem Urteil oder Vergleich und können etwaige Zahlungen auf dieser Basis beanspruchen.

Institutionelle Anleger (z. B. Fonds), die nicht in den Anwendungsbereich der Verbandsklage fallen, werden auch in Zukunft auf das KapMuG-Verfahren als Mittel zu einer effizienteren Verfolgung von kapitalmarktrechtlichen Ansprüchen beschränkt sein. Für alle anderen Anleger – Verbraucher und kleine Unternehmen – eröffnet sich daneben die Möglichkeit einer Verbandsklage. Angesichts des Aufwands, der trotz der vorgeschlagenen Neuerungen verbleibt – anwaltliche Vertretung, individuelle Verfolgung des Anspruchs –, wird sich vor diesem Hintergrund die Frage nach der Attraktivität des KapMuG-Verfahrens umso dringender stellen. Welchen Raum das KapMuG-Verfahren trotz der vorgeschlagenen Änderungen in Zukunft einnimmt, bleibt abzuwarten.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 05/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © igorkol_ter – stock.adobe.com