Ein Beitrag von Peter Przybilla, Geschäftsführender Gesellschafter der Hengstenberg & Partner GmbH und Aufsichtsrat der VEMA
Nach 35 Jahren intensivem Vertrieb und der Betreuung von privaten Krankenversicherungen stellt man sich immer öfter die Frage, wie es mit der PKV weitergeht. Dabei leben Totgesagte länger, das steht fest. Schon vor 40 Jahren gab es diverse Abgesänge zur PKV. Im Jahr 2007, sogar auf einer AssCompact Veranstaltung, wurde die Situation jedoch so drastisch geschildert, dass wir uns als Hengstenberg & Partner umgehend breiter aufgestellt haben. Ein Schritt, den wir bis heute nicht bereut haben.
Wo stehen wir aktuell?
Aktuell gibt es ca. 8,7 Millionen Privatversicherte. Es gab einen bereinigten minimalen Nettoverlust von 0,16% an privat Vollversicherten im Jahr 2022 (Pressemitteilung PKV-Verband vom 26.01.2023). Und das, obwohl die Wanderbewegung PKV zu GKV mit einem Plus von 29.600 Personen zugunsten der PKV ausfiel. Bitte lassen Sie sich nicht von den Zahlen blenden. Die Zahl der Zusatzkrankenversicherungen (aktuell ca. 29,1 Millionen Verträge) hat die Absenkung überkompensiert, und natürlich steigen die Prämieneinnahmen durch Anpassungen. Die Erhöhungswelle Januar 2023, speziell in der Pflegeversicherung, war deutlich.
Wo geht die Reise hin?
Die steigende Bemessungsgrenze trägt wenig zur Erhöhung der Anzahl der PKV-Versicherten bei. Die Bemessungsgrenze stieg im Jahr 2023 auf 59.850 Euro im Vergleich zu 2010 mit 49.950 Euro. Die jungen gesunden Kunden fehlen. Anpassungen schlagen zu und die Ärzte finden mit aufgeblähten Rechnungen, gerne mit dem 3,5-fachen Satz versehen, Möglichkeiten, um ihr Einkommen zu sichern. Eine Durchschnittspraxis in München unter 20% Privatversichertenanteil hat es schwer. Der Mehrumsatz durch privat Versicherte in den Praxen lag im Jahr 2020 im Schnitt bei 55.416 Euro (Bericht WIP Juni 2022, Wissenschaftliches Institut der PKV).
Dazu kommt eine deutlich geringere Anzahl von Firmenneugründungen mit sozialversicherungsbefreiten Inhabern und eine verstärkte Sozialversicherungsprüfung von Minderheitsgesellschaftern aus den GmbHs, die den Bestand nicht wachsen lässt. Die Sozialversicherungsprüfung ist im Übrigen ein unglaubliches Thema und ein Angriff auf die GmbHs. Bitte informieren Sie sich und Ihre Kunden zur aktuellen Gesetzgebung und deren Auslegung seit Februar 2022.
Stabil durch die Pandemie
Während der Pandemie konnten sich die PKV-Unternehmen an einigen Stellen Geld sparen, mussten dafür im Bereich Hygienekosten und anderweitigen Zuschüssen, zum Beispiel für Krankenhäuser, tiefer in die Tasche greifen. Alles in allem aber ging die PKV ohne Probleme und sehr robust durch die Coronazeit. Ein wichtiges Signal an die Kunden. Und auch die Rückstellungen konnten ausgebaut werden, derzeit gut über 300 Mrd. Euro. Das federt zumindest die Überalterung des Bestandes ab. Das Durchschnittsalter der PKV-Versicherten betrug im Jahr 2019 knapp 46 Jahre (in der GKV relativ konstant 44 Jahre).
Alternativen: Beamten, Pflege, bKV
Bleiben als beständige Klientel noch die Beamten übrig. Das erfordert Kenntnisse im Beamtenrecht, vor allem aber gut ausgebildete Soft Skills. Ganz zu schweigen vom Kontakt zu Anbietern, die nicht mit Maklern arbeiten. Die Zusatzversicherung, natürlich auch im Pflegebereich, wird mit jeder Schwächung der GKV-Leistung weiter zunehmen, aber verstärkt digitalisiert. Das wird für uns kein erheblicher Umsatzbringer sein. Die betriebliche KV wird ebenfalls wachsen. Aktuell gibt es hier Zuwächse auf niedrigem Niveau. Hier muss vor allem die wirtschaftliche Entwicklung der Unternehmen abgewartet werden.
Mein persönliches Fazit
Der Verkauf von PKV-Vollversicherungen wird weitergehen, aber in abgeschwächter Form. Zunächst, und das gilt auch für die nächsten Jahre, ist nicht davon auszugehen, dass die PKV aufgelöst wird. Aktuell gibt es keine Mehrheiten, um die PKV abzuschaffen. Auch die GKV benötigt die Zuschüsse von der PKV und ist gegen eine Abschaffung. Die Forschung ist froh über Zuschüsse seitens der PKV. Und über 3 Mrd. Euro an Steuergeldern, die der Gesundheitsfonds der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) als Bundeszuschuss erhalten sollte, stammen aus Haushalten, in denen wenigstens eine privatversicherte Person lebt (PKV-Verband aus Juni 2020).
Ein Problem bei Auflösung der PKV, falls es doch einmal so weit kommt, ist nicht zu sehen. Sehr schnell wird die PKV einen eigenen Bürgerversicherungstarif in der Schublade haben, der mit entsprechenden Zusatztarifen verbessert werden kann. Ein Superargument im Verkaufsgespräch.
Natürlich gibt es weiterhin Erhöhungen und eine Entspannung ist nicht in Sicht. Aber im Rückblick wird es interessant: Man ist früher davon ausgegangen, dass man mit Mitte 50 in etwa so viel bezahlt wie mit dem GKV-Höchstbetrag. Dem ist aber nicht so. Bei einem normalen Verlauf spart sich ein heute 55-Jähriger, der schon länger versichert ist, immer noch Geld gegenüber der GKV. Ein weiteres Superargument für die PKV. Und mit der richtigen Beratung, vor allem mit Einschluss von Beitragsentlastungstarifen, wird ein Schuh daraus.
Wenn es der PKV in der Zukunft gelingen sollte, auch mit den Rechnungserbringern eine Vereinbarung zu finden, die deutlich fairer ist, könnte man auch die Ausgabensituation in den Griff bekommen. Preise von über 3.500 Euro für ein Implantat habe ich noch nie verstanden. Auch durch die Besteuerung aller Renteneinnahmen wird es für die PKV im Alter immer interessanter. Denken Sie bei der Beratung an diesen Punkt.
Ich wünsche Ihnen allzeit gutes Gelingen und ein gutes Händchen bei der Auswahl der richtigen Gesellschaft – es muss nicht immer der aktuelle Testsieger sein.
Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 03/2023, S. 30 f., und in unserem ePaper.
Bild: © Peter Przybilla, Hengstenberg & Partner GmbH
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