Jemand, der seine Wohnungstür offen stehen lässt, darf sich nicht wundern, wenn bei seiner Rückkehr ein paar Dinge fehlen. Ein derartiges Verhalten begründet in der Regel ein Mitverschulden des Geschädigten. Kann einem Unternehmer aber auch grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden, wenn er vor dem Urlaub das Hauptwasserventil nicht abgesperrt hat? Das musste nun das Oberlandesgericht (OLG) Celle in einem Fall entscheiden, in dem ein Wasserschaden Kosten von mehr als 200.000 Euro verursacht hatte.
Drei Wochen Praxisurlaub
Ein Zahnarzt hatte 2016 eine Desinfektionsanlage in das Frischwassersystem seiner Praxis einbauen lassen. Im November 2017 ließ er die Anlage zuletzt warten. Im Juli 2018 schloss der Zahnarzt seine Praxis für einen dreiwöchigen Urlaub, allerdings ohne das Hauptwasserventil für diesen Zeitraum abzusperren.
Nachbarn entdecken Wasserschaden
Am Morgen des 28.07.2018 betraten die Nutzer von benachbarten Räumlichkeiten das Treppenhaus, woraufhin ihnen schwallartig Wasser aus der im zweiten Obergeschoss gelegenen Praxis entgegenkam. Ein Verbindungsstück zu der Desinfektionsanlage hatte sich gelöst.
Versicherer nimmt Installateur in Regress
Der Versicherer des Zahnarztes ersetzte ihm den Schaden von mehr als 200.000 Euro, verlangte aber von dem Installationsunternehmen Ersatz. Die Handwerker hätten das Verbindungsstück unsachgemäß montiert. Das Unternehmen verweigerte eine Zahlung aber – unter anderem aus dem Grund, weil den Zahnarzt ein Mitverschulden treffe. Er wäre verpflichtet gewesen, das Hauptwasserventil vor Urlaubsbeginn abzusperren.
Prozessverlauf
Das Landgericht Verden hielt diesen Einwand für begründet und verurteilte das Installationsunternehmen nur zum Ersatz des hälftigen Schadens. Der Zahnarzt habe es grob fahrlässig unterlassen, das Wasser während seiner dreiwöchigen Betriebsschließung abzusperren. Jedem vernünftigen Zahnarzt müsse klar sein, dass das Wasser – mindestens bei längerer Abwesenheit – zur Vermeidung größerer Wasserschäden abzustellen sei. Beide Parteien legten Berufung gegen das Urteil ein.
Fehlerhafte Rohrverbindung ursächlich für den Schaden
Das OLG Celle hat dem klagenden Versicherer Recht gegeben und das Installationsunternehmen zum Ersatz des gesamten Schadens verurteilt. Einem eingeholten Gutachten zufolge stehe fest, dass das Unternehmen die Rohrverbindung fehlerhaft hergestellt habe. Ein Mitverschulden des Zahnarztes verneinte das Gericht.
Hauptwasserhahn muss nicht über Nacht abgesperrt werden
Es könne schon nicht festgestellt werden, dass das Wasser über einen längeren Zeitraum ausgetreten und der Schaden nicht einfach über Nacht entstanden sei. Unter diesen Umständen hätte der Schaden aber auch im normalen Betriebszeitraum entstehen können – der Umstand einer mehrwöchigen Praxisschließung hätte sich nicht ausgewirkt. Zumindest für den Nachtzeitraum hätte der Hauptwasserhahn auch nicht abgesperrt werden müssen, zeigte sich das OLG überzeugt. Jede Nacht den Hauptwasserhahn zu schließen, sei allgemein unüblich. Schutz- und Obliegenheitspflichten dienten der Vermeidung realistisch drohender Schäden. „Nicht jede denkbare, mögliche und gegebenenfalls sogar sinnvolle Schutzmaßnahme führt bei ihrem Unterlassen zu einem Mitverschulden des Versicherungsnehmers“, erkannten die Oberlandesrichter. Eine sachgerecht montierte Rohrverbindung wäre unlösbar und dauerhaft dicht gewesen. Deshalb habe es keinen zwingenden Grund gegeben, die Wasserzufuhr abzustellen.
Absperrung von Schlauchverbindungen
Nach verschiedenen mehr als 30 Jahre alten Urteilen anderer Oberlandesgerichte müsse ein Versicherungsnehmer zwar die Zuleitung zu Haushaltsgeräten mit einem flexiblen Anschlussschlauch – beispielsweise zu Spülmaschinen – regelmäßig absperren, da diese Schläuche besonders schadenanfällig seien. Eine solche Schlauchverbindung war hier aber nicht betroffen, sodass das OLG auch nicht zu entscheiden hatte, ob ein solcher Grundsatz angesichts verbesserter Schutzmechanismen heute noch anzunehmen wäre. (tku)
OLG Celle, Urteil vom 07.04.2021 – 14 U 135/20
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