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25. Oktober 2024
Multi-Asset: Worauf es beim Investieren wirklich ankommt
Multi-Asset: Worauf es beim Investieren wirklich ankommt

Multi-Asset: Worauf es beim Investieren wirklich ankommt

Multi-Asset-Fonds verteilen das Geld der Anleger auf verschiedene Anlageklassen, um Kapitalmarktrisiken zu begrenzen. In den vergangenen Jahren haben sie deutlich an Popularität gewonnen. Zuletzt gab es aber heftige Kritik an den Fonds, weil sie in Krisenzeiten nicht hielten, was sie versprochen hätten. Ist die Kritik berechtigt?

Ein Artikel von Stephan Fritz, Portfolio Director Multi Asset bei Flossbach von Storch

Multi-Asset-Fonds standen zuletzt in der Kritik. Zu teuer, zu wenig krisenresistent. Das Jahr 2022 war der ultimative Härtetest: Nicht nur die Aktienmärkte gerieten angesichts des Krieges in der Ukraine und der nach oben schnellenden Inflationsraten unter Druck, sondern auch und insbesondere die Anleihenkurse – weil die Notenbanken der Teuerung etwas entgegensetzen und die Zinsen rasch anheben mussten.

Für viele Multi-Asset-Fonds, allen voran die defensiveren, deren Portfolio zu großen Teilen aus Bonds besteht, war das ein Problem. Der Crash am Rentenmarkt traf also vor allem jene Anleger, deren Risikotoleranz nicht sonderlich ausgeprägt ist. Die Volatilität meiden. Die Enttäuschung war nachvollziehbarerweise groß.

Denn eines der wesentlichen Verkaufsargumente für Multi-Asset-Produkte war stets die negative Korrelation zwischen Aktien und Anleihen: Wenn es „früher“ turbulent zuging an den Aktienmärkten, die Kurse kräftig zurückfielen, dann waren Anleihen erstklassiger (Staats-)Schuldner gefragt – als sichere Häfen. US-Staatsanleihen beispielsweise. Oder deutsche Bundesanleihen. Die Kursverluste auf der einen Seite (Aktien) wurden so über Kursgewinne auf der anderen (Anleihen) kompensiert, zumindest teilweise. 2022 wurde mit dieser Gewissheit gebrochen ...

Die richtige Erwartungshaltung

Der Abgesang auf defensive Multi-Asset-Fonds ließ daher nicht lange auf sich warten. Warum braucht es diese Produkte überhaupt noch, wenn sie ihre ureigene Aufgabe, nämlich Vermögen in Krisenzeiten zu schützen, nicht oder nur unzureichend erfüllen?

2022 war die Ausnahme, nicht die Regel. Und Multi-Asset-Fonds sind gewiss keine Alleskönner. Das waren sie im Übrigen nie. Die Frage sollte deshalb ein wenig grundsätzlicher beantwortet werden, um zu klären, was von diesen Produkten realistischerweise zu erwarten ist – und was nicht.

Es gibt leider keine einheitliche Definition von Multi-Asset-Fonds. Je nach Anbieter oder Fondsrating-Agentur wird sie anders ausfallen. Nach dem Verständnis von Flossbach von Storch ist ein Multi-Asset-Fonds weitgehend frei, was die Gewichtung der verschiedenen Anlageklassen, Einzeltitel, Regionen und Währungen betrifft. Das Fondsmanagement orientiert sich an keinem Referenzindex. Oberstes Ziel ist, langfristig attraktive Renditen für die Anleger zu erwirtschaften, also eine „absolute Renditestrategie“. Dem Anleger soll erspart bleiben zu hören, wie sich sein Fondsmanager brüstet, „nur“ 25% verloren zu haben, während der Referenzindex 30% abgerutscht ist.

Ein langer Anlagehorizont

Dieser Ansatz führt zum Ursprung allen Investierens: Anlagegelegenheiten erkennen und nutzen, das heißt mit kalkulierbaren Risiken attraktive Renditen erzielen. Jedem Kaufmann leuchtet dies ein. Und doch wird es oft fehlinterpretiert, wenn erwartet wird, dass jedes Jahr eine bestimmte Zielrendite erfüllt werden muss – und niemals ein Verlust anfallen darf.

Voraussetzung für den Erfolg absoluter Renditestrategien ist vielmehr ein langfristiger Anlagehorizont. Es gibt Phasen, in denen man mehr, und Phasen, in denen man weniger interessante Investments findet. Unterstellt man für reine Aktienengagements einen sinnvollen Anlagehorizont von mindestens zehn Jahren – damit die Kursgewinne aus den starken Phasen die Verluste der schwächeren wettmachen können –, dann sollte er bei Multi-Asset-Strategien mindestens fünf Jahre betragen.

Die Kernkompetenz des Fondsmanagers besteht darin, permanent Chancen und Risiken potenzieller und bereits bestehender Anlagen abzuwägen. Das wiederum setzt ein kaufmännisch geprägtes Risikoverständnis voraus, das nicht selten der Risikointerpretation an den Finanzmärkten entgegensteht. Ein deutlicher Kursrückgang etwa erhöht die Volatilität einer Aktie. Aus Sicht von Anhängern der Portfoliotheorie steigt damit auch das Risiko, obwohl der Preis nun viel niedriger ist. Für den kaufmännisch denkenden Investor dagegen ist es umgekehrt: Ein tieferer Einstiegskurs bedeutet ein geringeres Risiko, weil er das Renditepotenzial erhöht – vorausgesetzt, an der Substanz des Unternehmens hat sich nichts verändert. Volatilität ist aus seiner Sicht nichts Böses, im Gegenteil, sie beschert ihm Sonderangebote. Der Gewinn liegt bekanntlich (auch) im Einkauf.

Eine absolute Renditestrategie bietet dem Fondsmanager große Freiräume. Deshalb wird sie auch als „aktive“ Strategie bezeichnet, wobei der Begriff nicht bedeutet, dass ständig das Portfolio umgeschichtet wird.

Nichts ist „passiv“

Dem gegenüber steht die Strategie des „passiven“ Investierens, die sogenannten „Exchange Traded Funds“ (ETFs), börsennotierte Indexfonds. Anleger, die ein absolutes Renditeziel verfolgen, werden sich jedoch fragen, welche ETFs sie kaufen sollen, um ebendieses Ziel zu erreichen. Damit ist die Diskussion – aktiv oder passiv – eröffnet und sogleich beendet. Denn jede Auswahl eines bestimmten ETFs setzt viele aktive Entscheidungen voraus.

So muss anfangs die Anlagestrategie definiert werden: Wie soll die Zusammenstellung des Portfolios aussehen, welche Anlagen kommen in Betracht: Aktien, Anleihen, Wandelanleihen, Gold oder Rohstoffe? Und wie sollen die einzelnen Bausteine gewichtet werden? Nachdem diese Entscheidungen getroffen sind, geht es darum, für die Anlageklassen passende Regionen zu definieren. Wer all das „aktiv“ beantwortet hat, kann beginnen, „passiv“ zu investieren.

Natürlich sind ETFs für Investoren, die ihre Vermögensallokation selbst in die Hand nehmen, ein sehr gutes Instrument. Zumal die Mehrheit der aktiven Manager es tatsächlich nicht schafft, dauerhaft den Vergleichsindex zu schlagen. Die meisten dieser Manager sind aber nicht wirklich aktiv, sondern legen die Fondsgelder indexkonform an. Damit ist nicht nur das Potenzial, besser abzuschneiden als der Index, limitiert, sondern wegen der Kosten auch fast schon garantiert, hinter dem Index zurückzubleiben. Insofern dürften die Mittelzuflüsse in ETFs anhalten – vor allem zulasten der pseudoaktiven Fonds.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 10/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © Lemonsoup14 – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Stephan Fritz