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5. Januar 2023
Milliardendefizit bei der Pflegeversicherung zum Jahresende
Milliarden-Defizit bei der Pflegeversicherung zum Jahresende

Milliardendefizit bei der Pflegeversicherung zum Jahresende

Die gesetzliche Pflegeversicherung kämpft mit massiven finanziellen Problemen. Zum Jahresende 2022 geht man von einem Defizit von über 2 Mrd. Euro aus. Doch um hier stark gegensteuern zu können, braucht es Unterstützung von der Politik – die laut GKV-Spitzenverband aber noch hinterherhinkt.

Gernot Kiefer, der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband), sieht bei der Pflegeversicherung derzeit rot – und zwar rote Zahlen. Zum Jahresende 2022 gehe man, wie er in einem Interview mit dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND) preisgibt, von einem Defizit von rund 2,2 Mrd. Euro aus. Und das trotz der Beitragseinnahmen, die höher seien, als bisher erwartet wurde. Jedoch seien die Ausgaben umso kräftiger gestiegen, so Kiefer.

Es hätte „dringend“ eine Anhebung des Beitragssatzes zum 01.01.2023 gebraucht, um das Defizit im nächsten Jahr zu verhindern.

Starkes Defizit bei der Pflegeversicherung

Von Kiefer hieß es beim RND im Interview kurz vor Ende des Jahres: „Die Liquiditätsreserve dürfte am Jahresende bei rund 5,7 Mrd. Euro liegen und damit 1,2 Mrd. unter der gesetzlich vorgesehenen Höhe.“ Zu beachten sei hierbei aber, dass in diesen Finanzmitteln bereits ein Darlehen des Bundes von 1 Mrd. Euro stecke – also fremdes Geld, das bis Ende 2023 an den Finanzminister zurückgezahlt werden müsste. Fazit: „Die Lage ist also noch dramatischer, als es auf den ersten Blick erscheint“, so Kiefer.

Und die Probleme würden größer, je länger die politischen Entscheidungen ausbleiben: „So kann man nicht ewig weitermachen, dann fährt die Pflegeversicherung gegen die Wand. Der Beitragssprung, der auf die Versicherten und Arbeitgebenden zukommt, wird immer größer, je länger nicht gehandelt wird.“ Noch könne man das Problem durch bestimmte Finanztechniken einige Monate vor sich herschieben. Nach den jetzigen Prognosen würden aber spätestens im zweiten Halbjahr die Finanzreserven „massiv in den Keller“ gefahren.

Politik muss aktiv werden

Zunächst müsse, wie Kiefer im RND-Interview sagt, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt werden, aufgrund dessen ab August 2023 eine stärkere Entlastung von Familien mit zwei oder mehr Kindern vorgeschrieben wird. Bisher lägen laut Kiefer „noch nicht einmal Eckpunkte“ einer Reform vor, was längst hätte geschehen müssen. Denn für die technische Realisierung eines nach der Kinderzahl gestaffelten Beitragssatzes bei den Pflegekassen und beim Beitragseinzug durch die Arbeitgebenden sei ein halbes Jahr Vorlaufzeit notwendig.

Doch dazu komme dann noch die ohnehin nötige „generelle finanzielle Sanierung zum Ausgleich des Milliardendefizits. Und eigentlich wären auch noch Leistungsverbesserungen nötig, denn wohl niemand wird sagen, dass das heutige Leistungsspektrum ideal ist“, sagt Kiefer dem RND.

Kiefer fordert Leistungszuwachs

Auch hier sieht er die Politik im Zugzwang. Angesichts der Preisentwicklung müsse es einen erheblichen Leistungszuwachs bei der Pflegeversicherung geben – der nächste Erhöhungsschritt kommt 2024. Eine Anpassung an die tatsächliche Kostenentwicklung sei seit „sehr vielen Jahren“ unterblieben, wodurch die Pflegebedürftigen, die z. B. noch bei ihren Familien leben, mit dem Geld der Pflegeversicherung immer weniger Leistungen finanzieren können. „Da bin ich mal gespannt, wie da die Politik entscheidet. Daneben hat die Ampelkoalition in Aussicht gestellt, die Leistungen über ein sogenanntes Entlastungsbudget flexibel zu gestalten. Ich habe den Eindruck, den großen Reformplan für die Pflegeversicherung muss die Politik erst noch schmieden.“ (mki)

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Bild: © Sutthiphong – stock.adobe.com