Herr Wortberg, der Mietendeckel ist nichtig. Wann sollten Vermieter Miete nachfordern, wann eher nicht?
Vermieter, die nun Mieten oberhalb des Mietendeckels nachfordern, haben das Recht auf ihrer Seite. Ob sie davon tatsächlich Gebrauch machen, sollten sie sich allerdings gut überlegen, insbesondere dann, wenn sie im Licht der Öffentlichkeit stehen. Das Thema ist angesichts der Wohnraumknappheit in Berlin emotional aufgeladen. Das Gericht hat ja zunächst nur die mangelnde Zuständigkeit des Landes Berlin festgestellt. Wie der Bundesgesetzgeber sich in der Frage in Zukunft verhält, ist noch nicht ausgemacht, und zukünftige Aktionen mögen auch in Betracht ziehen, ob sich die Vermieter jetzt in der aktuellen Situation angemessen verhalten. Die Vonovia hat angekündigt, man wolle auf Nachforderungen verzichten; dies wohl auch aus Sorge um Reaktionen gegenüber den Mitarbeitern.
Was sollten Vermieter tun, wenn die Mieter die Nachzahlung nicht leisten können?
Wenn der Mieter nicht leisten kann, bleibt nur: verhandeln, stunden – oder erlassen. Spannend wird sein, ob bzw. wann der Vermieter in dieser speziellen Situation wegen Mietrückstands kündigen kann. Die Mieter dürften formal unmittelbar mit mehr als zwei Monatsmieten im Rückstand sein, sodass ihnen der Vermieter eigentlich nach § 543 BGB kündigen könnte. Man wird den Mietern wohl eine Übergangsfrist zur Nachzahlung geben müssen. Aber ich sehe nicht, dass das gesetzlich geregelt ist.
Wenn eine Schattenmiete vertraglich vereinbart wurde, gilt diese nun in jedem Fall?
Prinzipiell ja. Es war ja gerade der Sinn der in den Verträgen festgesetzten höheren Mieten, für den Fall vorzusorgen, dass der Mietendeckel nicht hält. Erfolgreiche Klagen gegen die Schattenmieten werden wir daher wohl nicht sehen. Ich denke eher, die Mietervereine etc. werden öffentlichen Druck ausüben, um Vermieter zu Zugeständnissen zu bewegen.
Es wird damit gerechnet, dass der Mietendeckel nun Thema in Bundestagswahlkampf wird. Worauf sollten sich Vermieter vorsichtshalber einstellen?
Auf Bundesebene wird wahrscheinlich eine Regelung kommen, ob vor oder nach der Wahl ist unklar. Richtig ist, dass das Bundesverfassungsgericht sich inhaltlich nicht geäußert hat zum Mietendeckel. So gibt es Stimmen, die sagen: In der Sache war der Mietendeckel doch prima, der müsste jetzt nur eben bundesweit eingeführt werden. Das ist natürlich Unsinn. Viele Regelungen hätten wohl gegen die Eigentumsgarantie des Artikel 14 Grundgesetz nicht gehalten und wären auch inhaltlich für nichtig befunden worden. Meines Erachtens müsste eine bundesweite Regelung deutlich anders aussehen. Der Mietendeckel hat auch in Berlin nur begrenzt funktioniert, so dass die Regelungen wohl auch unverhältnismäßig waren, weil ungeeignet, um das gewünschte Ziel zu erreichen.
Wäre ein Mietendeckel auf Bundesebene dann rechtlich überhaupt ohne Einschränkungen umsetzbar? Oder wäre auch hier mit einer Klagewelle und langanhaltender Unsicherheit zu rechnen?
Verfassungsrechtlich hoch problematisch wären insbesondere all die Vorschriften, die auf bereits bestehende Mietverträge einwirken und die vereinbarten Mieten absenken würden; diese würden mit Sicherheit rechtlich angegriffen werden. Außerdem dürfte eine Begrenzung der Mieten dann angegriffen werden, wenn sie nahezu ohne Betrachtung der Lage der betroffenen Immobilien geschähe. Was wohl tatsächlich ein Teil eines Mietendeckels werden würde und sollte, ist die konsequente Verfolgung der Einhaltung der Vorschriften mit entsprechenden Verpflichtungen der Vermieter sowie Bußgeldvorschriften. Die bestehenden Regelungen auf Bundesebene, die sogenannte Mietpreisbremse, sind im Grunde genommen der richtige Ansatz. Sie kranken aber daran, dass die Sanktionen unzureichend sind und die Vorschriften daher weitgehend ignoriert wurden.
Wie könnte ein Kompromiss zwischen den Parteien aussehen, die sich Hoffnung auf eine Regierungsbeteiligung machen?
In einer idealen Welt würde der Kompromiss das Thema umfassend angehen, das heißt nicht nur Druck auf die zwischen den Parteien zu vereinbarenden Mieten ausüben, sondern vor allem die Bautätigkeit des Staates erhöhen. Ein stärkeres Angebot von vermietbaren Flächen würde ja automatisch einen Einfluss auf die Nachfrage haben und die Mietsteigerungen würden automatisch abgemildert. Weiterhin müssten die Vorschriften des Baurechts deutlich entschlackt werden, um das Bauen weniger kompliziert und damit zugleich weniger teuer zu machen.
Über den Autor
Der Immobilienrechtler Dr. Sven Wortberg ist Partner in der Real-Estate-Praxis der Kanzlei Herbert Smith Freehills in Frankfurt. Er berät Mandanten bei internationalen und deutschen Immobilientransaktionen einschließlich Finanzierungs-, Strukturierungs- und Regulierungsfragen.
Bild oben: © ViktoriiaNovokhatska – stock.adobe.com
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