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8. Oktober 2024
Micro-Living: Investment mit Potenzial
Micro-Living: Investment mit Potenzial

Micro-Living: Investment mit Potenzial

In etlichen Großstädten steht der Wohnungsmarkt unter hohem Druck. Die Politik hat bisher eher regulatorisch in die Wohnungsmärkte eingegriffen statt den Wohnungsneubau anzukurbeln. Unterdessen reagiert der Markt mit zusätzlichen innovativen Angeboten: Einst als Nischenkonzept gestartet, wird Micro-Living bei Investoren und Nutzern immer beliebter.

Ein Beitrag von Dr. Lars Vandrei, Senior Research Manager, Catella Residential Investment Management GmbH

Micro-Living ist ein Wohnkonzept, das zwischen Wohnungsmarkt und klassischem Beherbergungsgewerbe angesiedelt ist. Zu den bekanntesten Micro-Living-Formen zählen studentisches Wohnen, Service-Wohnen, Co-Living und zum Teil auch Senior Living. Ihr gemeinsames Merkmal ist, dass kompakte und voll ausgestattete Wohnflächen zeitlich begrenzt vermietet werden. Typischerweise handelt es sich um 18 bis 35 Quadratmeter große Einzimmerwohnungen mit platz­sparenden Multifunktionsmöbeln und Techniklösungen.

Je nach Planungsrecht und Konzept ergeben sich unterschiedliche Vorgaben für die erlaubte Vermietungsdauer. Bei gewerblichen Micro-­Living-Konzepten darf die Mietdauer in der Regel maximal sechs Monate betragen, bei wohnwirtschaftlichen Konzepten liegt sie bei mindesten sechs Monaten.

Ein Preis für alles

Die Nebenkosten für Strom, Heizung, Wasser, Internet, TV und oft auch Reinigung sind im Gesamtpreis oftmals bereits enthalten, ebenso wie die Nutzung von Gemeinschaftseinrichtungen wie Fitness­studios, Co-Working-Arbeitsplätzen und soziale Treffpunkte. Das hat seinen Preis: Der Abstand zwischen klassischer Miete für eine Neubauwohnung und der All-in-Miete für Micro-Living-Apartments liegt bei rund 10 Euro je Quadratmeter pro Monat. Angesichts der vielen inkludierten Leistungen führt der häufig angestellte Vergleich der Quadratmetermieten schnell in die Irre. Denn addiert man die Kosten aller Services separat zur Kaltmiete für eine Wohnung auf dem freien Mietwohnungsmarkt, landet man schnell bei gut 1.400 Euro.

Somit macht das All-inclusive-­Paket die monatlichen Kosten für die Nutzer einfach kalkulierbar, es erspart ihnen organisatorischen Aufwand und vermeidet unangenehme Überraschungen. Für Geschäftsreisende, Projektmitarbeiter und Young Professionals, die nur zeitweise eine Bleibe in der Stadt benötigen, ist Micro-Living eine attraktive Alternative zu traditionellen Mietwohnungen und Hotels. Und auch für Menschen, die sich vor Ort auf die Suche nach einem dauerhaften Zuhause machen möchten, eignen sich Micro-Living-Apartments als Anlaufstelle und Sprungbrett. So haben Wohnungssuchende bessere Chancen, eine Wohnung zu finden, die zu ihren Präferenzen passt. Das vermeidet Über- und Unterbelegungen von Wohnungen und erhöht die Markteffizienz.

Entlastung für die Wohnungsmärkte

Anders als Ferien- oder Zweitwohnungen sind Micro-Living-­Appartements keine Konkurrenz für klassische Mietwohnungen. Vielmehr entlasten sie den Wohnungsmarkt von der zusätzlichen Nachfrage, die von den Zielgruppen von Micro-Living ausgehen würde, und dienen ihm als zusätzliche Fluktuationsreserve für Wohnungs- und Wohnortwechsel. Micro-Living-Projekte werden planungsrechtlich zudem oft als gewerbliche Nutzung eingestuft. Sie werden auf Gewerbegrundstücken realisiert, anstatt das Angebot von Grundstücken zusätzlich zu verknappen, die für den klassischen Wohnungsbau vorgesehen sind.

Attraktiv für Investoren und Entwickler

Die Qualifizierung als gewerbliche Nutzung führt zu mehr Flexibilität, weniger regulatorischen Hürden für Immobilienentwickler und dadurch zu einer höheren Attraktivität für Entwickler und Investoren. Diese profitieren auch von der Flexibilität des Konzeptes. Es ermöglicht Investitionen sowohl in Neubauprojekte als auch in die Umnutzung bestehender Immobilien. Beispielsweise bietet die Umwandlung leer stehender Bürogebäude in Micro-Living-Appartements eine attraktive Option, um ungenutzte Immobilien in Innenstadtlagen wieder rentabel zu machen. Diese Flexibilität trägt dazu bei, dass Micro-Living trotz der Herausforderungen am Immobilienmarkt weiterhin als solide Investition gilt.

Hohe Renditen und Auslastungen

Unter Investoren hat Micro-­Living seine Nischenrolle mittlerweile abgelegt. Sie investieren zunehmend über Immobilienfonds und Joint Ventures in Micro-Living-Projekte. Die erzielbaren Spitzennettoanfangsrenditen liegen mit 4,0 bis 4,5% etwa 50 bis 100 Basispunkte über dem klassischen Wohnen. Die Marktentwicklung der letzten Jahre zeigt, dass das Transaktionsvolumen für Micro-Living-Immobilien in Deutschland zwar volatil war, insgesamt aber einen klaren Aufwärtstrend verzeichnete. So stieg es von unter 200 Mio. Euro im Jahr 2013 auf einen Spitzenwert von 1,7 Mrd. Euro im Jahr 2021. Im Zuge der Corona-Pandemie und der geopolitischen Verwerfungen erschwerten sich anschließend die Markt- und Finanzierungsbedingungen und das Volumen ging auf 400 Mio. Euro zurück. Der Rückgang betraf den gesamten Immobilienmarkt. Mit einem Micro-Living-Anteil von 5,5% am Gesamtmarkt blieb der Aufwärtstrend dieser Nutzungsklasse jedoch intakt. Zuversichtlich stimmt die hohe Auslastung, die nach einem kurzen pandemiebedingten Rücksetzer laut jüngstem Marktreport von bulwiengesa wieder auf durchschnittlich solide 95% angestiegen ist.

Marktakteure mit Wachstumsplänen

Auch die Expansionspläne der Marktakteure signalisieren vielversprechende Zukunftsaussichten. Beispielsweise plant Entwickler und Betreiber The Base, in den kommenden Jahren drei weitere Häuser zu eröffnen und so sein Angebot für Young Professionals und Geschäftsreisende zu erweitern. Gleichzeitig sieht 360 Operator, ein Entwickler und Betreiber innovativer Wohnkonzepte, großes Potenzial in der Ausweitung seines Staytoo-Portfolios, das sich auf studentisches Wohnen konzentriert. Auch in Städten abseits der Top-7-Standorte sieht das Unternehmen noch erhebliche Wachstumschancen.

Fazit: Chance für Investoren, Mieter und Wohnungsmarkt

Micro-Living hat sich als dynamisches Segment im deutschen Immobilienmarkt etabliert. Es füllt die Lücke zwischen dem klassischen Wohnungs- und dem Hotelmarkt und bietet flexible, komfortable und oftmals kostengünstigere Wohnmöglichkeiten für eine breite Zielgruppe. Für Investoren stellt es eine interessante Anlageform dar, die nicht nur aufgrund der hohen Nachfrage und der planungsrechtlichen Vorteile, sondern auch wegen der vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten von Bestandsimmobilien attraktiv ist. Zukünftig könnte Micro-Living eine wichtige Rolle bei der Bewältigung der Wohnungsnot in deutschen Großstädten spielen und gleichzeitig interessante Chancen für Investoren und neue Wohnformen für Nutzer bieten.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 10/2024 und in unserem ePaper.

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Ein Artikel von
Dr. Lars Vandrei