„Time in the market beats timing the market“ lautet ein bekannter Börsenspruch. Dahinter steckt der Gedanke, dass es beim Investieren am Kapitalmarkt nicht etwa darauf ankommt, zum richtigen Zeitpunkt billig zu kaufen und wieder zum richtigen Zeitpunkt teuer zu verkaufen, sondern auf einen langfristigen Anlagehorizont zu setzen, währenddessen sich das Vermögen aufbaut und die Anlagen an Wert gewinnen. Der Einstiegszeitpunkt in den Markt ist dabei zweitrangig.
Die US-amerikanische Investmentgesellschaft Dimensional Fund Advisors hat in einer jüngst veröffentlichten Analyse untersucht, wie viel Wahrheit hinter der Weisheit steckt. Dimensional zeichnet sich bei seinen Investitionsentscheidungen durch einen finanzwissenschaftlichen Ansatz aus, bei dem wissenschaftliche Forschungsergebnisse in Anlagestrategien umgesetzt werden sollen. Und die Studie legt nahe, dass die alte Börsenweisheit nicht nur ein Spruch ist, sondern sich auch in der Realität bewahrheitet: Markt-Timing-Strategien sind langfristig selten erfolgreich und mit mehr Risiken als Chancen behaftet.
Untersuchung von Markt-Timing-Strategien
Das Problem an solchen Markt-Timing-Strategien, so Dimensional, sei die Ungewissheit im Vorhinein darüber, in welche Richtung die Märkte laufen. Aus diesem Grund würden Anleger immer wieder nach Signalen suchen, die darauf hindeuten, wie sich der Markt oder bestimmte Faktorprämien wie Value, Unternehmensgröße oder Momentum weiterentwickeln werden.
Um herauszufinden, ob derartige Markt-Timing-Strategien verlässlich funktionieren und eine dauerhafte Mehrrendite gegenüber dem Markt erzielen, haben Wei Dai, Leiterin Investment Research, und Senior Associate Audrey Dong, beide von Dimensional Fund Advisors, insgesamt 720 Markt-Timing-Strategien, die auf die Aktienmarkt-, Größen-, Value- und Profitabilitätsprämien abzielen, angesehen und einen Backtest gemacht. Beim Backtesting werden Strategien oder Modelle auf historische Daten angewendet, um zu überprüfen, ob bestimmte Vorhersagen auch tatsächlich eingetreten sind – eine gängige Praxis bei der Untersuchung der Kapitalmarktentwicklung.
Nur wenige Markt-Timing-Strategien funktionieren
Das Ergebnis der Studie scheint vernichtend: Nur 30 bzw. 4,2% der Strategien konnten eine zuverlässige Outperformance gegenüber einem Buy-and-hold-Investment in die genannten Prämien liefern. Am besten schnitt laut Dimensional eine Strategie ab, die darauf ausgelegt war, die Aktienmarktprämie zu timen, indem sie zwischen Aktien und kurzfristigen US-Staatsanleihen wechselte. Da sie während der Marktabschwünge in den Jahren 2001, 2008 und 2022 zum richtigen Zeitpunkt auf festverzinsliche Wertpapiere gesetzt hatte, übertraf die Strategie ein Buy-and-hold-Marktportfolio im Zeitraum zwischen 2001 und 2022 um 5,5% pro Jahr.
Gewählte Parameter sind entscheidend
Um herauszufinden, ob es tatsächlich möglich ist, verlässlich die richtigen Ein- und Ausstiegszeitpunkte zu finden, haben sich Wei Dai und Audrey Dong genauer angesehen, wie die Timing-Strategie mit der besten Wertentwicklung genauer funktioniert hätte. Demnach nutzte eine solche Strategie das aktuelle Bewertungsniveau, um die Aktienmarktprämie in entwickelten Märkten außerhalb der USA zu timen. „Das heißt, am Ende eines jeden Kalenderjahres verglich die Strategie das aktuelle Kurs-Buchwert-Verhältnis des Marktes mit seiner historischen Verteilung über den letzten rollierenden Zehnjahreszeitraum“, so Wei Dai. „Wenn das Kurs-Buchwert-Verhältnis das oberste 20. Perzentil der historischen Verteilung übertraf, stieg die Strategie aus dem Aktienmarkt aus und ging in einmonatige Staatsanleihen.“ Lag das Kurs-Buchwert-Verhältnis unter dem 50. Perzentil seiner historischen Verteilung, wechselte die Strategie wieder zurück in das Aktienmarktportfolio.
Entscheidend sei es, wie die Untersuchung zeigt, die genannte Kombination von Parametern zu verwenden: das Timing-Signal (das Bewertungsniveau), die Prämie (Aktienmarkt), die Region (entwickelte Märkte außerhalb der USA), die Häufigkeit der Portfolioanpassung (jährlich), die verwendete historische Verteilung (rollierende Zehnjahreszeiträume) sowie beide Schwellenwerte (20. und 50. Perzentil). Auch wenn nur ein einziger Parameter verändert wird, würde die Überschussrendite der Strategie um mehr als die Hälfte reduziert werden, so Dai. Auch sei dieselbe Strategie nicht wirksam beim Timing des Aktienmarkts in anderen Regionen oder beim Timing anderer Prämien in derselben Region.
Erfolgreiches Markt-Timing nicht wahrscheinlich
Insgesamt seien die Chancen auf ein erfolgreiches Markt-Timing also nicht hoch, fasst Dai die Ergebnisse zusammen. Die unterdurchschnittliche Performance der allermeisten Timing-Strategien sei ein Hinweis auf die potenziell hohen Opportunitätskosten, die ein falsches Timing von Prämien hätten. Um die Chancen zu verbessern, die genannten Prämien am Aktienmarkt zu vereinnahmen, rät Dai, auf Timing-Versuche zu verzichten und stattdessen wissenschaftlich fundiert und mit einer langfristigen Strategie ohne häufige Wechsel zu investieren. (mki)
Bild: © AREE – stock.adobe.com
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