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25. September 2023
Leitungswasser größtes Risiko in der Wohngebäudeversicherung
Enzo: Leitungswasser bleibt größtes Risiko in der Wohngebäudeversicherung

Leitungswasser größtes Risiko in der Wohngebäudeversicherung

Jedes Jahr kosten Leitungswasserschäden deutsche Versicherer etwa 4 Mrd. Euro. Das InsurTech Enzo will das mit seinem hausintern entwickelten Leckage-Sensor ändern. Wo die Heidelberger die Zukunft der Wohngebäudeversicherung sehen, erklärt CEO Sascha Wolf.

Interview mit Sascha Wolf, CEO Enzo.
Herr Wolf, seit Mitte 2022 ist Enzo als Assekuradeur am Start und Sie konzentrieren sich vor allem auf die Wohngebäudeversicherung. Wie ist es Ihnen bisher ergangen?

Wir haben jetzt für uns einen ersten Meilenstein erreicht, indem wir jetzt über 1 Mrd. Euro Immobilienwert versichern, was bei Wohngebäude relativ zügig gehen kann, wenn man bedenkt, was Gebäude so kosten. Aber für uns ist es einfach ein wunderbarer Vertrauensbeweis, da wir noch eine so junge Marke sind, und auch eine Bestätigung dafür, dass der Markt offen und bereit ist für innovative, junge Versicherer.

In den Medien wird gerade vor allem über Wärmepumpen und über Elementarversicherung gesprochen, wenn es um Wohngebäudeversicherung geht. Für Versicherer sind Leitungswasserschäden aber ein Dauerthema. Wo sehen Sie an der Stelle die größten Risiken?

Sie haben es ja selbst genannt: Ein großes Risiko ist, dass der mediale Fokus nicht auf das größte Problem gelegt wird, weil es natürlich so in gewissem Sinne „unterhaltsamer“ ist – abgerissene Gebäude, Sturmschäden, rausgerissene Wärmepumpen, das lässt sich in den Medien natürlich besser verwerten als der eine Million und fünfte Leitungswasserschaden. Aber die Tatsache ist nach wie vor, dass Leitungswasserschäden regelmäßig über 50% der Schäden in der Wohngebäudeversicherung ausmachen. Das ist eine große Bedrohung, aber gleichzeitig eine große Chance, da sich aus unserer Sicht das Risiko Leitungswasserschäden mit Technologie natürlich deutlich besser kontrollieren und in den Griff bekommen lässt als Unwetterkatastrophen. Einen großen Hebel sehen wir beim Thema Prävention. Wir haben uns von Beginn an auf die Entwicklung eines eigenen Leitungswasserleckage-Systems konzentriert, weil der Markt aus unserer Sicht keine Lösung bereitgestellt hat, die wir hätten nutzen können. Die Entwicklung haben wir abgeschlossen und nun können wir eine kostengünstige, nachrüstbare Lösung bieten, um Leitungswasserschäden in dem Moment, in dem sie entstehen, zu erkennen und sehr früh reagieren zu können.

Um wieviel lässt sich die Schadenhöhe durch so einen Sensor reduzieren?

Das haben wir sehr genau berechnet. Das Lokalisieren, das Aufbrechen der Wand, das sind Kosten, die machen nicht den großen Anteil aus. Die höheren Kosten entstehen bei lange unentdeckten Mikroleckagen – beispielsweise Trocknungskosten, umfangreiche Renovierungs- und Sanierungskosten, Gutachterkosten, Unterbringungskosten. Am Ende vielleicht auch noch Kosten wegen Schimmel und Schimmelbeseitigung. Das sind die sehr unangenehmen Kosten, die wir durch das frühe Erkennen vermeiden können, und somit ergibt sich für uns in der Berechnung ein Einsparungspotenzial von bis zu 70%. Das ist ein Gamechanger, wenn man bedenkt, dass Leitungswasserschäden jedes Jahr um die 4 Mrd. Euro allein in Deutschland kosten. Mit Prävention können wir alle gewinnen. Versicherer können profitabler arbeiten, der Kunde vermeidet nicht nur den Stress eines großen Schadens, sondern muss auch nicht dem potenziellen Wertverlust seines größten Investments entgegenblicken, und wir sparen wertvolle Ressourcen. Letztendlich ist es der Einklang dieser drei Stakeholder, den wir versuchen zu erreichen.

Dass in der Versicherungsbranche hier an einer Lösung gearbeitet wird, ist ja an sich nichts Neues. Sehen Sie sich in diesem Bereich als Vorreiter in der deutschen Versicherungsbranche?

Grundsätzlich auf jeden Fall. Ich denke, dass Versicherer sich neu erfinden müssen. Beispielsweise müssen sie den Servicegedanken an den aktuellen Zeitgeist angleichen – und dazu gehören auch Prävention und Serviceleistungen, die über das „Re-agieren“, wenn etwas passiert, hinausgehen. Und somit sehen wir uns schon als Vorreiter, zu inspirieren und zu beweisen, dass es möglich ist, eine vollumfänglich nachhaltige Wohngebäudeversicherung anzubieten. Da kommen neben Leitungswasser auch andere Themen hinzu, etwa der Einsatz von Energieeffizienzdaten im Underwriting. Wir haben ein Bestandsführungssystem gebaut, das komplett auf modernen, proprietären Tech-Stacks läuft, und haben somit ganz andere Möglichkeiten, Daten, die auch die Energieeffizienzklassen in einem Risikokontext betrachten, schon ins Underwriting mit einzubeziehen.

Es geht also vor allem um Daten.

Ja, klar. Im Kern sind wir ein Technologieunternehmen, das Versicherung macht, nicht umgekehrt. Versicherungen sind seit jeher ein Datenprodukt. Am Ende geht es um die Berechnung von Risiken. Nur ist meiner Meinung nach die Art und Weise, wie diese Risikoberechnung heutzutage noch stattfindet, im weitesten Sinn einfach antiquiert. Nur historische Daten reichen nicht aus, um die Risiken der Zukunft zu berechnen. Es geht aber auch darum, die entsprechende technologische Infrastruktur dafür zu haben. Im Durchschnitt sind die Top-Ten-Wohngebäudeversicherer in Deutschland etwa 150 Jahre alt. Es ist eine Herausforderung für solche Unternehmen, sich digital aufzustellen – nicht nur im Sinne von "wir brauchen kein Papier mehr, um Anträge zu policieren", sondern auch, um Infrastruktur für sich zu nutzen, die es möglich macht, Daten in Echtzeit zu verarbeiten – sowohl im Underwriting als auch in der Prävention und im Echtzeit-Risiko-Monitoring eines lebenden Bestands. Risiken sind aktiv und sehr dynamisch, aber der Versicherungsvertrag ist bisher sehr statisch.

Sie möchten Ihre Sensoren perspektivisch auch bei anderen Versicherern an den Mann bringen. Wie weit sind da die Pläne für Kooperationen fortgeschritten?

Es gibt bereits konkrete Projekte, die in die Umsetzung gehen. Wir sehen das als Win-Win-Win-Situation. Wir haben nicht das Ansinnen, konfrontativ auf den Markt einzugehen, sondern auf Augenhöhe mit anderen Versicherern. Wir sind ein junger Marktteilnehmer – das hat natürlich gewisse Vorteile. Wir sehen eine Chance darin, dieses Produkt selbst entwickelt zu haben. Wir haben im ersten Schritt das Problem zu unserem eigenen gemacht, indem wir selbst als Assekuradeur am Markt teilnehmen, und glauben somit jetzt auch, die Prozesse und die Bedürfnisse eines Versicherers sehr viel besser zu kennen, als wenn wir als reiner Technologieanbieter aus externer Perspektive um die Ecke kommen und sagen, das haben wir entwickelt, das ist eure Lösung. In unserer Kooperation profitieren unsere Partner nicht nur von der Technologie, sondern auch von unserem Know-how aus derselben Perspektive. Das ist quasi eine Lösung aus der Industrie für die Industrie. Und jetzt stehen wir an dem Punkt, wo wir mit den ersten Partnern diese Kooperation starten und das auch fortsetzen möchten.

Denken Sie, dass Sie weiterhin als Assekuradeur tätig sein werden oder sehen Sie das Unternehmen perspektivisch eher als Produktentwickler?

Ich glaube, dass die Versicherungsindustrie nach wie vor sehr davon profitieren wird, wenn wir weiterhin als Assekuradeur tätig sind. Prävention ist nicht nur die Entwicklung eines technischen Produktes, man muss es auch in einer Servicelandschaft und einer Prozesslandschaft integrieren. Man muss es ganzheitlich leben. Gleichzeitig möchten wir einer sehr technologieaffinen Zielgruppe eine Alternative zu einem traditionellen Versicherungsanbieter anbieten. Und somit wollen wir auf jeden Fall die Marke Enzo im Kontext Wohngebäudeversicherung aufrechterhalten und weiter ausbauen. Unsere Produktlandschaft basiert auf zwei Produkten, dem Versicherungsangebot und dem Technologieangebot. In dem Einklang lebt und profitiert das eine von dem anderen und somit sehen wir derzeit keinen Grund, das zu verändern. Es ist unsere Überzeugung, dass beides miteinander Hand in Hand gehen muss und wir auch an Glaubhaftigkeit verlieren würden, wenn wir das eine nicht mehr machen würden.

Bilder: Newsletter: © Med Photo Studio – stock.adobe.com; Porträt: © Enzo