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13. August 2018
Kunstversicherung: „Ein grundsätzliches Verständnis von Kunst sollte schon gegeben sein“
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Kunstversicherung: „Ein grundsätzliches Verständnis von Kunst sollte schon gegeben sein“

Beim Transport oder der Ausstellung von Kunstwerken kann einiges schiefgehen und eine passgenaue Absicherung ist wichtig. Vor welchen Herausforderungen Makler und Versicherer stehen und warum Kunstverständnis auf beiden Seiten nötig ist, erklärt Dr. Stephan Zilkens, Geschäftsführer der Zilkens Fine Art Insurance Broker GmbH.

Herr Dr. Zilkens, die Absicherung von Kunst ist seit vielen Jahren Ihr Metier. Kunst versichern, ohne selbst ein Kunstliebhaber zu sein – geht das?

Kunstliebhaber vielleicht nicht, aber ein grundsätzliches Verständnis von Kunst sollte schon gegeben sein, wenn man sich mit dieser Risikoklasse qualifiziert befassen will. Es gibt in Deutschland über 40.000 registrierte Versicherungsmakler, in Österreich ca. 7.000 und in der Schweiz etwa 1.400. Viele der Kollegen haben in ihrer Klientel Kunstbesitz, der richtig versichert werden will. Allerdings schauen die meisten darauf, dass sie einen Versicherer wählen, der vorgibt, etwas von Kunst zu verstehen, um sich der Haftungssituation zu entziehen. Spätestens im Schadenfall wird es dann eng, weil die Regulierungspraxis ein tieferes Verständnis der Materie fordert, um den Kunden optimal durch den an sich schon schmerzhaften Prozess zu begleiten.

Worin besteht in Ihren Augen heutzutage die größte Herausforderung in der Absicherung von Kunstwerken?

Die Bewertung einzelner Unikate ist immer noch eine große Herausforderung, weil die Faktoren, die zu einem Wert führen, so unterschiedlich sind. Kunden – auch Museen – haben oft übertriebene Wertvorstellungen, die sie mit besonderen Ergebnissen auf Auktionen begründen. Leider ist nicht jeder Picasso automatisch 100 Mio. Euro wert, nur weil es Auktions­ergebnisse in dieser Höhe gab.

Sind Kunstwerke angesichts neuer Risiken überhaupt noch ausreichend versicherbar?

Die Transportversicherung des Salvator Mundi, der Leonardo da Vinci zugeschrieben ist, wird eine besondere Herausforderung. 450 Mio. US-Dollar auf etwas mehr als 1 m² konzentriert sind Megakumule, die die Versicherungswirtschaft kaum stemmen kann. Bisher liegen bei großen Ausstellungen die Transportmittelmaxima höchstens bei 250 Mio. Euro – und das auch nur, wenn Sie sehr detailliert darlegen können, wer, was, wie, womit und auf welchem Weg transportiert.

Wonach richten sich eigentlich die Versicherungssummen und welche Rolle spielt dabei der Marktwert eines Künstlers?

Die Versicherungssummen einzelner Werke richten sich nach dem Markt, und dabei spielt die Bedeutung des Künstlers eine große Rolle. Die Qualität eines Werkes innerhalb eines Oeuvres gibt dann die Standortbestimmung. Allerdings ist der Qualitätsbegriff bei Kunst kaum objektivierbar. Zu viele Faktoren beeinflussen ihn. Letztlich bestimmen Geschmack und Portemonnaie des Käufers die ausschlaggebende Rolle.

Bei welchen Objekten sind die meisten Schäden zu verzeichnen?

Hierzu gibt es leider keine Statistiken, die öffentlich zugänglich sind. Aus unserer Erfahrung sind komplexe Kunstwerke – insbesondere Installationen – sehr schadenanfällig. Auch Objekte aus Ton, Keramik, Porzellan, Glas oder Holz tauchen häufig in den Schadenmeldungen auf. Bei Glas ist es dann meist ein Totalschaden, da der ursprüngliche Zustand nicht wiederhergestellt werden kann.

Und was sind die häufigsten Ursachen für Schäden?

Oft sind es Besucher einer Galerie oder einer Ausstellung, die Schäden verursachen. Andererseits spielt die Selbstüberschätzung manches Spediteurs, der auch ein bisschen Kunsttransporte anbietet, keine unbedeutende Rolle. Es ist ein Unterschied, ob Mitarbeiter regelmäßig in Verpackung und Handling von Kunstwerken geschult werden oder ein zufällig zusammengewürfeltes Team aus der Möbelbranche die Werke anfasst. Leider sind manche Institutionen nicht bereit, für die erforderliche Qualität zu bezahlen.

Lassen Sie uns noch auf multimediale Installationen eingehen. Sind solche Kunstwerke auf traditionelle Weise noch versicherbar?

Grundsätzlich gilt der Grundsatz der Allgefahrendeckung für alle Kunstwerke, die verliehen werden. Bei multimedialen Kunstwerken ist aber die Frage, ob es sich um natürlichen Verschleiß oder innere Beschaffenheitsschäden handelt (die wären nicht versichert), oft schwer von einem äußeren Einfluss zu unterscheiden. Hier muss man prüfen, ob Elemente der Elektronik- oder der Maschinenversicherung in die Deckung mitaufgenommen werden müssen.

Welche speziellen Versicherungslösungen brauchen Galerien und Museen?

Galerien unterscheiden sich von Museen dadurch, dass sie mit der Kunst handeln. Andere Interessenlagen benötigen einen anderen Versicherungsschutz. Hier spielt insbesondere auch die Bewertungsgrundlage eine wichtige Rolle. Kunstwerke in öffentlichem Besitz sind in der Regel dem Markt entzogen. Außer im Falle des Totaluntergangs kommen museumseigene Kunstwerke mit den Restaurierungskosten für die Wiederherstellung aus, es sei denn, der Museumsbestand ist mit seiner Bewertung Teil der Bilanzsumme einer Kommune. Dann spielt auch Wertminderung im öffentlichen Besitz eine Rolle. Die Konzepte sind in jedem Fall auf die individuellen Erfordernisse jedes einzelnen Kunden abzustimmen.

Abgesehen vom Transport: Welche Probleme ergeben sich denn bei der Absicherung im Leihverkehr?

Kunstausstellungen sind zunehmend globaler. Das hat zur Folge, dass Länder, in denen bisher keine Kunst öffentlich gezeigt wurde, Museen bauen und zu Ausstellungsstationen werden. Klimatische Anforderungen sind zum Beispiel nicht immer erfüllbar. Das Personal vor Ort muss erst Erfahrungen sammeln. Für Versicherer ist die Risikosituation dort nur schwer zu bewerten. Darüber hinaus verlangen immer mehr Leihnehmer und Spediteure einen Regressverzicht auch für grobe Fahrlässigkeit von den Versicherern. International ist das Standard – in Deutschland tun sich die Gesellschaften noch schwer damit.

Gibt es denn genügend Versicherer mit passenden Konzepten? Und wie steht es um deren Fachkompetenz?

Es gibt etwa zehn Versicherungsgesellschaften und Assekuradeure, mit denen man ernsthaft über Kunstversicherung sprechen kann. Dort findet man auch im Einzelfall kreative Lösungen für seine Kunden. Immer wieder tauchen Gesellschaften auf, die meinen, mit günstigeren Preisen und einem guten Namen dem Markt eine Färbung geben zu können. Die kunsthistorische Kompetenz ist dabei oft eher marginal, was sich spätestens im Schadenfall rächt. Mehr als drei Kunstsachverständige auf der eigenen Pay Roll leisten sich nur fünf Gesellschaften in Deutschland. Als auf Kunst spezialisierter Versicherungsmakler beschäftigen wir allein fünf Kunstsachverständige.

Arbeiten Sie mit anderen Maklern zusammen? 

Im Einzelfall gerne und Bestandsschutz ist dabei für uns selbstverständlich. Wir nutzen aber auch die Kompetenz von Kollegen in Spezialsegmenten für unsere Kunden. Das bringt zwar weniger Courtage, aber die bessere Deckung für den Mandanten.

Wird das Potenzial der Kunstversicherung unterschätzt?

Meines Erachtens wird es eher überschätzt. Das Beitragsvolumen für Kunstversicherungen in Deutschland oszilliert seit etwa zehn Jahren um 130 Mio. Euro herum. Statistisch ist es separat nicht erfasst, sondern verbirgt sich in Hausrat-, Kunst-, Transport- und Sach­versicherungen. Gemessen an einem Markt im Schaden- und Unfallbereich von 66 Mrd. Euro entspricht das 0,2% vom Gesamtvolumen. Trotz zum Teil stark steigender Einzelwerte von Kunstwerken und immer größeren Versicherungssummen bei Ausstellungen bleiben die Gesamtbeiträge unverändert, da die Beitragssätze sinken. So fördert die Versicherungswirtschaft Kunst.

Diesen Artikel finden Sie auch in AssCompact 08/2018 im Sonderthema „Kunstversicherung“ auf Seite 48 f.

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Kunstwerke unklarer Herkunft: Herausforderung für die Versicherung

 
Ein Artikel von
Dr. Stephan Zilkens