Ein Beitrag von Klaus-Jürgen Baum, Inhaber KJB Consulting
Übernahmetransaktionen erreichen neues Rekordniveau: Erwartungsgemäß hat sich der Konsolidierungstrend unter Gewerbe- und Industriemaklern 2024 nochmals beschleunigt. Mit über 100 High-Profile-Transaktionen zwischen Januar und November 2024 wurde die Gesamtzahl der Übernahmen aus dem Jahr 2023 bereits deutlich übertroffen.
Unverändert dominieren die drei großen Aggregatoren GGW, GLOBAL und MRH Trowe die M&A-Aktivitäten (insgesamt 43 Transaktionen). Mit einigem Abstand agieren dahinter Summitas, Helmsauer, Aventus (vormals Policen Direkt), die zusammen genommen für 25 erfasste Transaktionen standen.
Kleinere Makler im Fadenkreuz
Ein Blick auf die aufgekauften Unternehmen bestätigt die ebenfalls prognostizierte Erweiterung der Umsatzbandbreite für Übernahmen nach unten. Inzwischen sind Gewerbemakler und (gemischte) Makler mit einem höheren Privatkundenanteil schon mit Courtageumsätzen ab ca. 500.000 Euro ins Fadenkreuz der Konsolidierer geraten. Sie machten die Mehrzahl der Transaktionen im Jahr 2024 aus.
Unverkennbar zielen die Aufkäufer darauf ab, mithilfe der niedrigeren Bewertungen von kleineren Maklern ihr Gesamtportfolio zu verbilligen. Kröger+Intass (Global), Seeliger & Wolf (Summitas), Hartmann + Mater (Helmsauer), Frank Rauch & Kollegen (MRH Trowe) und Hofmann Versicherungsvermittlung (GGW über Bernhard Assekuranz) stehen beispielhaft für den neuen „M&A-Hotspot“. In diesem quantitativ deutlich ergiebigeren Marktsegment sind mit Blick auf 2025 zahlreiche weitere Übernahmen zu erwarten. Trotz der steigenden Nachfrage dürften die Unternehmensbewertungen aufgrund größerer Preisdisziplin der Käufer jedoch keine allzu großen Sprünge machen.
Ganz Gallien ist besetzt? Nein, nicht ganz Gallien …
So attraktiv die Situation für verkaufsbereite Makler auch sein oder scheinen mag und so stark das Thema Maklerkonsolidierung medial präsent ist: In der Breite des Marktes prägen „gallische Dörfer“ die Landschaft. Damit sind Mittelstandsmakler gemeint, die ihre Unabhängigkeit in jedem Fall bewahren wollen. Vielfach handelt es sich um regional verwurzelte Familienbetriebe, in denen die Unternehmensnachfolge durch Söhne und/oder Töchter gerade stattfindet oder zumindest vorgezeichnet ist. Makler zu sein, ist hier Teil der eigenen DNA; Stolz und Selbstbewusstsein, als unabhängiger Risikomanager und Interessenvertreter des Kunden zu agieren, sind ausgeprägt. Zugleich hat die neue Generation von Mittelstandsmaklern nicht selten Lehr- und Wanderjahre bei Versicherern, Unternehmensberatern oder Großmaklern hinter sich.
Das Stimmungsbarometer liegt bei den „Galliern“ insgesamt im grünen Bereich und die anhaltende Marktkonsolidierung wird unterm Strich überwiegend als Chance begriffen – so die Autoreneinschätzung auf der Basis von mehr als einigen Dutzend ausführlichen Interviews mit Mittelstandsmaklern in den letzten sechs Monaten.
Gerade die jüngere Generation sieht aber auch mögliche Risiken und ist sich eines steigenden Veränderungsbedarfs als Ergebnis des aktuellen Strukturwandels bewusst; sie hat häufig einen bilanzierteren Blick auf die Zukunftsaussichten kleinerer und mittlerer Maklerhäuser im Allgemeinen und ihrer eigenen Unternehmen, im Besonderen im Vergleich zur vorigen Generation.
Generell ist feststellbar, dass Bedrohungsgefühl und Risikoempfinden umso größer sind, je mehr Adressen die Makler im Kundenportfolio haben, die auch für die Großmaklergruppen attraktiv sein dürften – erst recht, wenn die Spezialisierung des eigenen Unternehmens auf bestimmte Zielgruppen und Branchen fehlt.
Von der Kehrseite der Konsolidierung profitieren
Konkrete Chancen versprechen sich die Interviewpartner vor allem durch die erwarteten und kaum vermeidbaren organisatorischen und personellen Veränderungen bei den Konsolidierern. Aufgrund der Auflösung etablierter Kundenbetreuungsbeziehungen, der Einführung bürokratischer(er) Strukturen und des Verlusts des „unternehmerischen Spirits“ bei übernommenen Mittelstandsmaklern spekulieren die Gallier auf Möglichkeiten zur Gewinnung von neuen Kunden ebenso wie von qualifizierten Mitarbeitern. Das wesentliche Pfund, mit dem sie dabei in Zukunft noch verstärkt wuchern wollen, ist die unbedingte Kundenorientierung, die größere Flexibilität und die Beratung auf Augenhöhe – von Inhaber zu Inhaber.
Vereinzelte Austäusche mit persönlich bekannten Maklern, die ihre Betriebe in eine der großen Gruppen eingebracht haben, scheinen diese Hoffnungen zu stützen. Hier wird vereinzelt bereits ein „Absturz von Wolke Sieben“ beobachtet und die neue Realität ist gekennzeichnet durch Integrationsschmerzen und bislang unbekannten Abstimmungsbedarf; von den vermeintlichen Vorteilen der Zugehörigkeit zu einer Großmaklergruppe sei „vor Ort“ (noch) wenig zu spüren, wurde aus Gesprächen mit Verkäufern zitiert.
Sorgenfaktor Nr. 1: Versichererbeziehungen
Als wichtigster und kritischer Punkt für die Zukunft wird von den meisten befragten Mittelstandsmaklern die Schnittstelle zu den Versicherern gesehen. Während mögliche Größenvorteile beim Einkauf oder die Durchsetzung kundenfreundlicherer Wordings aktuell (noch) als eher potenzielle Wettbewerbsnachteile gesehen werden, äußerten viele Gesprächspartner ihre zunehmenden Besorgnis über schwierigere Platzierungsbedingungen für bestimmte Kundenrisiken, lange Reaktionszeiten in der Angebotsphase und noch längere Bearbeitungsdauern bei Schadenfällen.
Ursächlich sind dafür aus Sicht der Befragten zwar stärker die ohnehin stattfindenden Organisationsänderungen und Personalengpässe bei verschiedenen Versicherern als die laufende Maklerkonsolidierung. Allerdings strahlten die dortigen Zustände immer auch negativ auf die eigenen Endkundenbeziehungen aus und gefährdeten den zentralen Profilierungsfaktor eines Mittelstandsmaklers: die überlegene Servicequalität durch besondere Kundennähe.
Viele Gesprächspartner hoffen deshalb darauf, dass gerade die mittelständischen Versicherer ihren Worten tatsächlich auch Taten folgen lassen und dem Segment der unabhängigen Mittelstandsmakler den Rücken stärken – zumindest aber gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle („Level Playing Field“) erhalten. Schließlich könne eine zu starke Stellung der Großmaklergruppen durch die Erosion des Mittelstandsmaklersegments gerade dort kaum erwünscht sein.
Fit für den (Struktur-)Wandel
Fast alle Interviewten äußerten Pläne und skizzierten zum Teil konkrete Maßnahmen, um sich auf den beschleunigten Strukturwandel im Maklermarkt einzustellen. „Alles muss sich ändern, damit alles bleibt, wie es ist.“ Mit diesem Zitat aus „Der Leopard“ von Giuseppe Tomasi di Lampedusa brachte es ein Gesprächspartner auf den Punkt. Ganz oben auf den Veränderungsprogrammen stehen folgende Themenbereiche:
Die Überprüfung der eigenen Betriebsorganisation (z. B. die Verschlankung von Prozessen, die Klärung von Rollen und Verantwortlichkeiten) und die beschleunigte Umsetzung von Digitalisierungsprojekten – allen voran die Einführung, der Wechsel bzw. die professionellere Nutzung von Maklerverwaltungsprogrammen. Hauptziel der Befragten ist dabei in aller Regel weniger die Steigerung der Kosteneffizienz als vielmehr das Heben schlummernder Potenziale von qualifizierter Beratungs- und Betreuungszeit für die Kunden. Parallel wird die bessere Skalierbarkeit des eigenen Geschäftsbetriebs ohne zusätzliches, ohnehin nur schwer zu beschaffendes Personal angestrebt.
Die Überprüfung der bestehenden Versichererbeziehungen und die klarere Fokussierung auf (eher weniger) Adressen („Partnermanagement“/„Sortimentsmanagement“). Indem die eigenen Bestände besser gebündelt werden, soll die Relevanz bei den Hauptversicherungspartnern gewährleistet und vermieden werden, dass man im Abseits der verschärften Maklersegmentierungsmodelle landet, die zahlreiche Versicherer bereits implementiert haben oder demnächst einführen wollen.
Speziell Makler mit Geschäftsschwerpunkten in aktuell schwierige(re)n Branchen (z. B. Immobilienwirtschaft) beabsichtigen, noch stärker die Profitabilität des vermittelten Geschäfts aus Versicherersicht zu berücksichtigen und ihre Beratungsunterstützung für Kunden im Bereich Schadenprävention zu intensivieren.
Schließlich wurde wiederholt die Absicht/Notwendigkeit betont, eine aktivere eigene Wachstumsstrategie zu entwickeln. Mit „neuer/mehr Größe“ wollen die Befragten
- eventuelle Kundenverluste künftig besser abfedern können (aktive Kundengewinnung statt bloßes Empfehlungsgeschäft als „neuer Normalzustand“),
- ihre Relevanz bei Produktgebern wahren, für die Makler- größe und -wachstum entscheidende Segmentierungsmerkmale sind,
- und letztlich auch die eigene Organisation insgesamt stabiler aufstellen.
Dazu werden auch die systematische(re) Suche und die Übernahme von passenden Beständen oder kleineren regionalen Maklerunternehmen in Erwägung gezogen. Wobei man sich bewusst ist, dass man als „kleiner Stratege“ in Bietergefechten mit den finanzstarken Aggregatoren den Kürzeren ziehen wird, sofern denn der Verkäufer den Preis maximieren will.
Mehr Sicherheit im Verbund
Rückendeckung für den Erhalt ihrer Unabhängigkeit erhoffen sich viele der befragten Mittelstandsmakler vor allem von der VEMA eG – einem Schwergewicht unter den deutschen Maklerpools und -verbünden. Aufgrund der genossenschaftlichen Struktur sind sowohl die aktive Mitwirkung durch die Makler als auch die völlige Unabhängigkeit gesichert – in Anbetracht der letzten Übernahmen wichtiger Maklerpools durch Private-Equity-Investoren ein zentraler Faktor für die „Gallier“.
Den Interviewpartnern geht es bei ihrer – zukünftig vielfach noch engeren – Anlehnung an die VEMA vor allem um folgende Aspekte:
- Der Zugang zu den speziellen Deckungskonzepten, gerade für das standardisierte Gewerbe- und Privatkundengeschäft, hat die größte Relevanz. Auf dem Wunschzettel größerer Mittelstandsmakler mit mittelständischen bis größeren Unternehmenskunden stehen zusätzlich (Branchen-)Konzepte im Bereich der Industrieversicherung, die im Wettbewerb mit den Großmaklergruppen bestehen können.
- Bei den Überlegungen, den eigenen Maklerbetrieb fit zu machen für den Wettbewerb der Zukunft, gewinnt das Beratungsangebot „VEMA Unternehmensoptimierung“ an Interesse. Makler, die diesen Prozess in der Vergangenheit durchlaufen haben, betonen die greifbaren Verbesserungen für ihre meist „historisch gewachsenen“ Unternehmensstrukturen.
- Und schließlich haben einige der interviewten Mittelstandsmakler erste Erfahrungen mit der VEMA-Unternehmensbörse gewonnen. Sie versprechen sich mit Blick auf die Maklerdemografie zusätzliche Impulse für ihre anorganischen Wachstumsüberlegungen.
Angesichts des massiven Umbruchs in der Maklerlandschaft hat es den Anschein, dass der VEMA inzwischen der Slogan gut zu Gesicht steht, mit dem jahrzehntelang eine Kölner Firma für ein frei verkäufliches Arzneimittel warb: „Noch nie war sie wertvoll wie heute“.
Auf dem Weg zum Mittelstandsmakler 2.0
Bei den kleineren und mittleren Mittelstandsmaklern stehen die Zeichen auf Fortsetzung der Übernahmewelle: Noch sind ausreichend verkaufsbereite Makler ohne Nachfolgelösungen verfügbar. Und die absehbare demografische Entwicklung in der Maklerbranche wird bis auf Weiteres für Nachschub sorgen.
Klar ist aber auch: Die Gallier werden nicht von der Landkarte verschwinden, sondern auch in Zukunft eine berechenbare Größe im deutschen Maklermarkt bilden, und das in einer „modernisierten“ und schlagkräftigeren Aufstellung: als „Mittelstandsmakler 2.0“. Spannend wird dabei sein, ob sich neue Kooperationsmodelle zwischen (Wachstums-)Kapitalgebern und Mittelstandsmaklern herausbilden, welche Rolle bestehende „Andockpunkte“ – also große unabhängige Regionalmakler – übernehmen und ob die mittelständischen Versicherer die weitere Entwicklung der Marktstruktur aktiver mitzugestalten versuchen.
Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 01/2025 und in unserem ePaper.
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